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MESSE/069: Internationale Automobilausstellung (IAA) - Schattenblick berichtet, Teil 9 (Gerhard Feldbauer)


Schattenblick berichtet von der 65. Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt/Main

Fiat ohne Neuheiten auf der Leitmesse der Automobilhersteller

Insider meinen, der Turiner plane einen Coup, um besser aus der Krise herauszukommen

von Gerhard Feldbauer, 15. September 2013



Vor 2 Jahren stand der renommierte italienische Auto-Konzern Fiat noch im Rampenlicht der IAA und Bundeskanzlerin Merkel zeichnete ihn mit ihrem Besuch aus. Dieses Jahr meidet der Turiner eher die Öffentlichkeit der 65. Internationalen Automobilschau, die weltweit als Leitmesse der Automobilbranche gilt. Denn unter der Rekordzahl von 159 Weltpremieren befindet sich nicht eine Neuheit des Turiners. Fiat-Chef Sergio Marchionne begründete die überraschende Absage seines Besuchs mit Arbeitsverpflichtungen.

© VDA, Verband der Automobilindustrie e.V.

Fiat-Pressekonferenz auf der IAA 2013
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Inlandabsatz abgesackt

Während die meisten Unternehmen mit der hereinbrechenden Autokrise noch einigermaßen zurechtkommen, hat es den Italiener anscheinend schon stärker erwischt. Vor allem auf dem nach Griechenland am meisten von der Wirtschaftskrise geschüttelten Innenmarkt sackte der Absatz seit Jahresbeginn 2013 ein, darunter bei Lancia um ein Viertel, bei Alfa Romeo um ein Drittel. Lancia bietet derzeit gerademal fünf Modelle an, Alfa Romeo zwei. Insgesamt sank der Marktanteil von Fiat seit der letzten Messe 2011 um zwei Prozent.

Journalisten nahmen das an den Pressetagen skeptisch auf und spekulierten, ob Marchionne seine Karten verdeckt halte, einen Coup plane, sein Pulver nicht auf der IAA zu verschießen, wo neu Modelle unter der Vielzahl der Angebote untergingen. Er wolle sich wahrscheinlich an der Rabattschlacht in Europa nicht beteiligen, halte seine neuen Modelle zurück, um sie vor einem "Blutbad" zu schützen. Dafür spricht, dass es bei Alfa Romeo marktreife Hoffnungsmodelle wie Giulia und Alfetta gibt, die offensichtlich zurückgehalten werden.

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Messeimpressionen von der IAA 2013 - Besucherandrang auf dem Stand von Alfa Romeo
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Chrysler vor der Komplettübernahme?

Die Rede war von einer neuen Beteiligung an Chrysler, bei der es sich eigentlich nur noch um die komplette Übernahme durch Fiat handeln kann. Zwischen Fiat und dem drittgrößten US-Konzern besteht seit 2009 eine strategische Allianz, in deren Rahmen die Chrysler Group LLC entstand. Marchionne, der den Vorsitz der Gruppe übernahm, erklärte zum Ziel, sie zum Weltmarktführer zu machen. Als die Fusion begann, steckte Chrysler tief in der Krise und war mit 12,5 Mrd. Dollar bei der Regierung Obama verschuldet. Bis 2012 zahlte Fiat den Schuldenberg zu 58,5 Prozent ab und wurde damit zu 61,8 Prozent Mehrheitsaktionär von Chrysler. Mit dem teuren Geschäft hat Fiat aber eine profitable Tochter zur Welt gebracht.


Einige der bekanntesten Fahrzeuge der Welt

Mit Sitz in Auburn Hills, Michigan, USA, umfasst das Angebot der Chrysler Group einige der bekanntesten Fahrzeuge der Welt wie zum Beispiel den Chrysler 300, den Jeep Wrangler, den neuen Dodge Dart, den Ram 1500, den Jeep Grand Cherokee SRT8 und den Fiat 500. Marchionne kurbelte Produktion und Ansatz an. Nehmen wir als Beispiel die Marke Jeep unter die Lupe. Mit dem Jeep Grand Cherokee wurde der Markt für SUV in der Kombination aus authentischen Geländefähigkeiten, Straßenkomfort und Kultiviertheit revolutioniert. Auf den EMEA-Märkten (Europa, Mittlerer Osten, Afrika) kommt die Marke Jeep mit den Modellen Compass, Grand Cherokee, Wrangler, Wrangler Unlimited, Patriot und Cherokee in ausgewählten Ländern auf den Markt. Alle Fahrzeuge werden als Links- und Rechtslenker sowie mit Benzin- und Turbodiesel-Triebwerken angeboten.

Jeep Wrangler Polar - © Fiat Group Automobiles Germany AG

Jeep Wrangler Polar
© Fiat Group Automobiles Germany AG


Verkäufe stiegen in USA um 200 Prozent, außerhalb um 250 Prozent

Mit weltweit über 700.000 verkauften Einheiten war 2012 das erfolgreichste Jahr in der Geschichte der Marke Jeep. Bei insgesamt um 19 Prozent im Vergleich zu 2011 gestiegenen Verkaufszahlen war der Jeep Grand Cherokee mit einem Plus von rund 220.000 Einheiten der größte Gewinner. Seit Bildung der strategischen Allianz 2009 haben die Verkäufe des Marken-Flaggschiffs innerhalb der USA um 200 Prozent, außerhalb Nordamerika sogar um 250 Prozent zugelegt. Insgesamt konnte Jeep seinen Absatz seit 2009 mehr als verdoppeln. Über 2013 liegen kaum Zahlen vor.

Im Frühjahr 2013 hat die Chrysler Group LLC in Kokomo, Indiana in den USA ein in seiner Art weltweit größtes Getriebe-Werk in Betrieb genommen. Es könne, so Marchionne bei der Einweihung, es mit den Besten in der Welt aufnehmen". In die dort geplante Produktion von Acht- und Neungang-Automatikgetrieben wurden mehr als 1,2 Mrd. Euro investiert. Das Achtgang-Automatikgetriebe wird bereits in den Modellen Jeep® Grand Cherokee, Chrysler 300 und Dodge Charger eingesetzt. Insgesamt wuchsen die seit 2009 in den USA getätigten Investitionen auf mehr als vier Mrd. Euro an.


In Polen eine Million Fiat 500 produziert.

Im polnischen Fiat-Werk in Tichy ist 2012 die Marke von einer Million dort seit 2007 gefertigter Fiat 500 übersprungen worden. Das italienische Kultautomobil wurde in 83 Ländern verkauft. Nicht nur in Europa, sondern in Brasilien, Südafrika, Japan, den Mittleren Osten und in die USA. Außer in Tichy wird der Fiat 500 auch in Toluca (Mexiko) produziert, wo 100.000 Stück vom Band rollten.

Der Fiat 500 gilt als ein Vorreiter in Sachen Sicherheit. Er war das erste Fahrzeug in seinem Segment, das serienmäßig sieben Airbags an Bord hatte. Er erhielt die Auszeichnung mit fünf Sternen im Crashtest nach Euro-NCAP-Norm. Sein elektronisches Fahrstabilitätsprogramm ESP wird in allen Motorversionen eingesetzt.

Der Fiat 500 ist international in insgesamt zwei Karosserieversionen (Limousine und Cabriolet) und sechs Ausstattungsvarianten (Pop, Pop Star, Colour Theraphy, Lounge, Street und By Gucci) erhältlich. Darüber hinaus stehen modernste Triebwerke zur Wahl: die Benziner 1.2 8V (51 kW/69 PS), 0.9 TwinAir Turbo (63 kW/85 PS) und 1.4 16V (74 kW/100 PS) sowie der Turbodiesel 1.3 16V Multijet (70 kW/95 PS). Für bestimmte Motorvarianten steht neben dem manuellen Schaltgetriebe außerdem die Automatik Dualogic zur Verfügung.

Stand auf, Stand ab werden auf der IAA solche Erfolge in den Mittelpunkt der Pressebulletins gestellt. Es erscheint doch seltsam, dass Fiat, seit 1899 ein Pionier der Automobilentwicklung, derart verzichtete, Erfolge herauszustellen. Auch das wird von Insidern als ein Bestandteil der verdeckten Strategie von Marchionne gesehen.


Marchionnes Plan vom starken Autokonzern gegen Volkswagen

Zu erinnern ist auch an die Attacke, die Marchionne im Januar 2011 auf der Detroiter Auto Show gegen VW ritt. Unter Bezug auf die Machtstellung von VW in Europa forderte der Fiat-Chef als Gegengewicht zu VW einen weiteren starken Autokonzern zu bilden, "ein zweites Volkswagen in puncto Größe". Die Kampfansage an VW hatte er bereits 2009 mit der Zielstellung abgegeben, die Chrysler Group zum Weltmarktführer zu machen. Marchionne wollte damals PSA Peugeot-Citroën für eine solche Allianz gewinnen. Das schien dem Franzosen zu riskant. Schon vorher war bekannt geworden, dass Fiat den Suzuki-Konzern, der mit VW kooperierte, abspenstig machen wollte, was ebenfalls scheiterte.


Fiat könnte noch einige Überraschungen parat haben

Marchionne ist, auch das ein Fazit auf der IAA, nicht der Typ, der seine Pläne aufgibt. Die Entwicklung dürfte in der nächsten Zeit noch einige Überraschungen bieten. Der Industrieanalyst und Banker Christoph Stürmer von IHS Automotiv äußerte dazu: "Die Erfahrung zeigt: Sobald Märkte wieder anziehen, geraten Marktanteile häufig schnell in Bewegung". Wenn es den Italienern also gelingt, die Produktionskapazitäten zu halten, dann könnte es sein, daß Fiat am Ende mit der Krise am besten fertig wird.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2013