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BERICHT/061: Sri Lanka - Trauminsel? (Frauensolidarität)


Frauensolidarität - Nr. 99, 1/07

Trauminsel?
Sri Lanka kämpft mit Bürgerkrieg, Tsunami und abnehmendem Tourismus

Von Barbara Preitler


Während im Norden und Osten Sri Lankas der Bürgerkrieg mit aller Heftigkeit Menschen in Hunger und Tod treibt, leidet der Süden und Westen an einer Tourismusflaute ohne wirtschaftliche Alternative für die ansässige Bevölkerung. Die Autorin beschreibt die Situation der Insel nach der Flutkatastrophe im Dezember 2004.


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Sri Lanka ist zweifelsohne eine atemberaubend schöne tropische Insel. Lange Sandstrände, Palmen, buddhistische Kultur, hinduistische farbenprächtige Tempel und die Berge mit den endlos erscheinenden Teegärten laden zu einem exotischen Urlaub ein, in dem die Alltagssorgen vergessen werden können. Die Menschen sind zumeist sehr freundlich und erfüllen die Wünsche der Gäste mit einem bezaubernden Lächeln. Wer will, kann es sich in der Illusion, dass die Menschen hier "arm, aber glücklich" sind, bequem machen.


Nach dem Tsunami

Sri Lanka war und ist das am zweitschlimmsten vom Tsunami des 26. Dezember 2004 betroffene Land. Ca. 40.000 Menschen verloren ihr Leben - die Mehrheit davon Frauen und Kinder -, bis zu einer Million Menschen wurde innerhalb weniger Minuten obdachlos. Damals war die nationale und internationale Hilfe überwältigend. Riesige Geldsummen wurden gespendet, tausende HelferInnen kamen ins. Land. Diese außergewöhnliche Naturkatastrophe, noch dazu zu Weihnachten, öffnete ungeahnte Hilfsangebote. Nicht immer war gut gemeinte Unterstützung auch das, was die Menschen brauchten, aber viele erhielten Hilfe und wussten, sie werden in ihrer Not nicht vergessen.


Norden und Osten: Bürgerkrieg, Hunger, Tod

Sri Lanka ist ein vom Bürgerkrieg erschüttertes Land. Der 2002 ausgehandelte Waffenstillstand existiert nur mehr am Papier. Seit dem Sommer 2006 sind weite Teile im Norden des Landes hermetisch abgeriegelt, die Armee fliegt Bombenangriffe, im Osten war eine Offensive gegen die LTTE in den ersten Wochen des Jahres 2007 sichtlich militärisch erfolgreich - humanitär ist es wohl eine entsetzliche Katastrophe. Bereits am 26. August 2006 - 15 Tage nachdem die nördlichen Regionen weitgehend abgeriegelt worden sind - warnen VertreterInnen des UN World Food Program (WFP) vor einer Hungerkatastrophe. Sie berichteten damals von 350.000 betroffenen Menschen. Im November 2006 wird erstmals von Todesfällen durch Hunger in den umkämpften Gebieten im Norden berichtet: Aber auch in den östlichen Krisengebieten sind zahlreiche DorfbewohnerInnen wochenlang ohne Versorgung, ganz zu schweigen von notwendiger medizinischer Versorgung.

Zum Teil sind dieselben Menschen, die erst vor zwei Jahren mit den Folgen des Tsunamis zurechtkommen mussten, Opfer dieser militärischen Auseinandersetzung geworden.

Hilfe für die von den kriegerischen Auseinandersetzungen betroffenen Menschen gibt es kaum. Wie viele Menschen seit August 2006 getötet worden sind, wird nur vage mit ca. 4.000 angegeben. Genaue Zahlen gibt es keine und die Menschen, die an mangelnder medizinischer Versorgung oder Unterernährung sterben, werden wohl kaum mitgezählt werden.

Aus dem Norden dringen nur spärliche Nachrichten durch, aber was immer zu hören ist, ist dramatisch. In einem der wenigen E-Mails, die aus dieser Region kommen, heißt es: "To be frank this is the worst situation I have experienced in my life. The people are undergoing untold difficulties with regard to food and other essencial items..." Von Zeit zu Zeit kommt ein Versorgungsschiff aus Colombo oder aus dem benachbarten Südindien durch, es dürfte aber insgesamt viel zu wenig für alle Menschen sein. Süden und Westen: Tourismusflaute Szenenwechsel: Auf der Reise durch das Land irritiert immer wieder die Abwesenheit der Gäste in den Restaurants und Hotels. Fast immer herrscht gähnende Leere, da kaum TouristInnen unterwegs sind. Wieder einmal ist der Tourismus in Sri Lanka rückgängig. Dabei ist ein Großteil der Bevölkerung an der West- und Südküste und entlang der typischen Rundreiserouten von den Gästen abhängig. Nach dem Tsunami, der den Großteil der Strände auch in diesen Regionen verwüstet hatte, ist der Wiederaufbau weit fortgeschritten, aber die Menschen würden jetzt Einnahmen aus dem Tourismus brauchen, um wieder selbstständig sein zu können. Da hier die gesamte Infrastruktur und Wirtschaft auf Tourismus ausgerichtet ist, gibt es kaum alternative Einnahmequellen.

Dabei versuchte die für einen unabhängigen Tamilenstaat kämpfende LTTE (Liberation Tigers for Tamil Eelam) mit Bombenanschlägen bewusst die ausländischen TouristInnen zu erreichen, ohne sie dabei zu ihrem Ziel zu machen. Am 6. Januar 2007 wurde ein vollbesetzter Bus in Hikkaduwa, einem der bekanntesten Urlaubsdomizile Sri Lankas, Ziel eines Anschlags. Die 15 Todesopfer im Linienbus waren alle Einheimische. TouristInnen können es sich leisten, bequemer zu reisen. Aber die mit diesem Attentat verbundene Drohung war deutlich: Auch Tourismushochburgen können nicht vom Konflikt abgeschottet werden.


Zeichen für den Frieden

Wichtige Friedenssignale kommen von einer internationalen Geberkonferenz für Sri Lanka Ende Januar 2007. 200 Delegierte aus 50 Ländern hatten sich für zwei Tage über weitere Aufbauförderungen für Sri Lanka beraten und dabei die Regierung aufgefordert, sich für die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen einzusetzen. Subventionen in Millionenhöhe werden an diese Bedingung geknüpft. Dies ist wohl eines der stärksten Druckmittel der internationalen Gemeinschaft. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Engagement für Sri Lanka den Waffenstillstand und hoffentlich in weiterer Folge auch einen dauerhaften Frieden möglich macht. Dieses internationale Signal ist sicher eine wichtige Forderung und ein Druckmittel, die verfeindeten Seiten wieder zu Verhandlungen zu motivieren. Der Konflikt in Sri Lanka ist mit militärischen Mitteln nicht zu gewinnen, meint Robert Blake, der Botschafter der USA, auf dieser Konferenz.

Dieser Meinung sind auch viele Menschen in Sri Lanka selbst. Angehörige aller ethnischen Gruppen haben sich in Friedensinitiativen zusammengeschlossen und wollen ihre Arbeit, die meist in den Jahren des Waffenstillstands zwischen 2002 und 2006 begonnen wurde, fortsetzen.

Im Februar 2007 mache ich mich erneut auf den Weg nach Sri Lanka. Mit mir im Flugzeug werden Menschen reisen, die sich einen Urlaub in einem tropischen Land gönnen, die sich bei Ayurveda erholen wollen oder Sri Lanka vor allem wegen der günstigen Sonderangebote gewählt haben. Sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit vom ersten Moment an von der Freundlichkeit der Menschen begeistert sein. Es werden sich aber auch Menschen auf die Reise machen, die seit der Tsunami-Katastrophe (oder auch schon länger) in kleinen oder größeren Hilfsprojekten tätig sind. Es werden SinghalesInnen und TamilInnen auf dem Heimweg sein oder auf dem Weg, nach langer Zeit wieder die Familie zu Hause zu besuchen. Die meisten von ihnen werden wohl mit bangen Gefühlen zurückkommen und mit der Hoffnung, dass die Verwandten zumindest halbwegs in Sicherheit sind.

Sri Lanka ist zweifelsohne ein atemberaubend schönes Land. Es bleibt die Hoffnung, dass durch eine baldige Rückkehr zum Waffenstillstand diese Schönheit für alle Menschen in Sri Lanka und für alle Gäste, die den Inselstaat besuchen, wieder sicht- und erlebbar wird.


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Quellen:
http://www.lankanewspapers/com/news/2006/8/8283html
http://www.lankanewspapers/com/news/2007/1/11094_space.html
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID6270778-REF1,00.html
http://www.child-hood.com/index.php?id=11&type=6
http://news.bbc.co.uk/2/hi/south_asia/6309709.stm
http://www.asianews.it/index.php?l=en&art=8357&geo=44&size=A


Zur Autorin:
Barbara Preitler ist Psychologin und Psychotherapeutin und Assistentin am Institut für Psychologie der Universität Klagenfurt. Seit 1988 hat sie zahlreiche Reisen nach Sri Lanka unternommen, seit 2003 auch als Trainerin für Trauma-Beratung. In Colombo leitet sie einen Lehrgang der Universität Klagenfurt zur Ausbildung srilankischer StudentInnen zu psychologischen Trauma-BeraterInnen. Sie lebt in Wien.


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 99, 1/2007, S. 10-11
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Berggasse 7, 1090 Wien,
Fon: 0043-(0)1/317 40 20-0, Fax: 0043-(0)1/317 40 20-355,
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org

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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2007