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SCHADSTOFFE/166: Salzig und braun - Wie die Kohle unserem Wasser schadet (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2018
Lebensadern unserer Erde
Flüsse - begradigt, gestaut, zerstört.

Salzig und braun
Wie die Kohle unserem Wasser schadet

von Greta Pallaver


Durch den Abbau von Braunkohle gelangen die Minerale Sulfat und Eisenhydroxid (Eisenocker) in Flüsse und Grundwasser. In der Lausitz hat dies weitreichende Schäden zur Folge: die Verockerung des Spreewaldes, die Zerstörung eines geschützten Ökosystems und die Gefährdung des Trinkwassers. Die TagebaubetreiberInnen als VerursacherInnen dieser Schäden müssen auch für die dadurch entstehenden Kosten aufkommen.


Der weltweite Abbau von Kohle und deren Verbrennung in Kraftwerken ist nicht nur maßgeblich für den Klimawandel, die Zerstörung von Siedlungen, Landschaften und Ökosystemen verantwortlich, sondern wirkt sich auch negativ auf Flüsse und Gewässer in der Nähe der Kohleabbaugebiete aus. Für den Kohleabbau sowie für die Verfeuerung der Kohle in den Kraftwerken werden sehr große Mengen an Wasser benötigt, die aus den Einzugsbereichen von Flüssen gewonnen werden. Zunächst muss der Grundwasserspiegel abgesenkt und das Wasser abgepumpt werden, um die Kohle aus den Tagebauen zu befördern. Dann wird Wasser benötigt, um die Kohle zu waschen, wobei in dem Prozess giftige Chemikalien ins Wasser gelangen können. Außerdem werden weitere große Mengen an Wasser gebraucht, um die Kraftwerksblöcke zu kühlen und um auf den Aschedeponien den Staub zu binden. All dies wirkt sich negativ auf den Wasserhaushalt sowie auf die Qualität von Grundwasser und Flüssen aus.[1]

Lausitz: braune Spree zerstört Lebensraum von Tieren und Pflanzen
In der Lausitz wird seit über 100 Jahren Braunkohle abgebaut. Bis zu 230 Millionen Kubikmeter Grundwasser werden dort jedes Jahr durch den aktiven Braunkohlebergbau abgepumpt. Das ist mehr, als Industrie, Trinkwasserwerke und Landwirtschaft zusammen in Brandenburg verbrauchen.[2] Beim Absenken des Grundwassers kommt das Mineral Eisenpyrit, welches am Boden lagert, an die Oberfläche, reagiert mit Sauerstoff und bildet die Oxidationsprodukte Sulfat und Eisenhydroxid, auch Eisenocker genannt. Sobald das Grundwasser nach Schließung der Tagebaue wieder steigt, gelangen Eisenhydroxid sowie Sulfat in die Fließgewässer und Seen der Lausitz. Aber auch aus den aktiven Tagebauen gelangt das verschmutzte Wasser, das abgepumpt wurde, zurück in die Spree.[3]

Durch das Eisenocker färbt sich das Wasser in der Spree und im Spreewald bräunlich bis rostrot. Das Mineral legt sich am Gewässergrund und am Ufer ab und bildet einen braunen Schlamm, der für Fische, Wasserpflanzen und Insektenlarven unbewohnbar ist. Ebenso wird vermutet, dass Sulfat aquatische Organismen wie Muscheln und Krebse negativ belastet.[4] Dadurch wird vielen weiteren Tieren ihre Nahrungsgrundlage entzogen. Somit belasten die Tagebaue und deren langfristige Folgen ganze Ökosysteme.

Der braune Schlamm hat sich bereits stark ausgebreitet, selbst dort, wo er im Wasser nicht sichtbar ist. So ist die Talsperre Spremberg Teil eines umfassenden Wassermanagements, das nötig geworden ist, um das Eisenocker zurückzuhalten. Das einstige Anglerparadies wurde dadurch in eine leblose Flusskläranlage umgewandelt. Bei Hochwasser drohen erhebliche Mengen Eisen vom Gewässergrund aufgewirbelt zu werden und Richtung Spreewald abzufließen.

Gefahren für lokale Erholungsgebiete
Der Spreewald zählt zu den UNESCO-Biosphärenreservaten und ist für den lokalen Tourismus von größter Bedeutung. Eine Verockerung und Belastung des Spreewalds stellt daher auch für das bekannte Erholungs- und Tourismusgebiet eine wesentliche Gefahr dar. Nur dank eines kostenintensiven Maßnahmenpakets konnte die sichtbare Verschmutzung des Spreewalds rückgängig gemacht werden. Allerdings ist die Gefahr einer weiteren Verockerung immer noch gegeben - besonders im Dürrejahr 2018.

Auch Seen sind von den Folgen des Kohleabbaus betroffen. So hat sich beispielsweise das Wasser am Deulowitzer See seit 1958 aufgrund des näherrückenden Tagebaus Jänschwalde bereits mehr als 50 Meter zurückgezogen.

Sulfat: das Damoklesschwert über Berlins Trinkwasser
Das sulfathaltige Wasser aus den Tagebauen wird nach und nach zurück in die Spree geleitet. Dies hat weitreichende Folgen nicht nur für das Ökosystem, sondern auch für die BewohnerInnen Berlins. Im Wasserwerk Friedrichshagen, Berlins größtem Wasserversorger, wird etwa 60 Prozent des Trinkwassers aus dem Uferfiltrat von Spree und Havel gewonnen. Uferfiltrat bezeichnet Trinkwasser, welches aus dem Oberflächengewässer gewonnen wird. Die Wasserwerke müssen sulfalthaltiges Uferfiltrat aus der Spree mit sauberem Wasser mischen, damit der Sulfatgrenzwert von 250 Milligramm pro Liter im Trinkwasser eingehalten werden kann. Dieser Grenzwert wird durch die Trinkwasserverordnung vorgeschrieben, denn Sulfat verschlechtert nicht nur den Geschmack des Wassers - das Trinkwasser wird versalzen - sondern kann ab 500 Milligramm pro Liter Durchfall und Erbrechen vor allem bei Kleinkindern und Säuglingen verursachen.

Auch weitere Wasserbetriebe entlang der Spree, wie etwa die Wasserwerke Frankfurt (Oder), sind auf eine gute Wasserqualität der Spree angewiesen, um den Trinkwassergrenzwert einzuhalten. Allerdings sind sie mit schwer kalkulierbaren Risiken konfrontiert. Einerseits soll der ehemalige Tagebau Cottbus nach Plänen der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) bald mit Spreewasser geflutet werden. Durch den Durchlauf von Spreewasser durch den neuen See könnte letztlich die Sulfatkonzentration im Fluss selbst steigen, da die Innenkippe des ehemaligen Tagebaus extrem hohe Sulfatkonzentrationen aufweist. Andererseits stellen niederschlagsarme Perioden einen gegenwärtigen Risikofaktor für die Qualität des Trinkwassers dar.

Gerade jetzt sind infolge des besonders trockenen Jahres 2018 die Mengen an sauberem Wasser zur Vermischung knapp und werden bei anhaltender Trockenheit zunehmend geringer.

Die Rückhaltebecken, in denen die TagebaubetreiberInnen das verschmutzte Wasser zurückhalten können, sind voll, weil die Spree weniger Wasser trägt und die Beimischung zu einer höheren Sulfatkonzentration im Gewässer führen würde.[5] Ebenso wurden seit Anfang Oktober die Brunnen, welche Wasser mit besonders hoher Sulfatkonzentration aus dem Tagebau holen, abgeschaltet, sie müssen jedoch bald wieder in Betrieb gehen, um den weiteren Betrieb des Tagebaus zu garantieren. Ende November litt die Spree an einer beispiellosen Dürre und wurde zu dem Zeitpunkt, je nach Kalkulation, zu 70 oder zu 93 Prozent aus gefiltertem Grubenwasser aus den Tagebauen gespeist. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die Sulfatwerte in der Spree steigen werden.

Wer zahlt für die Verschmutzung?
Das Risiko einer ernstzunehmenden Trinkwasserbelastung ist akut. Es ist daher wichtig, dass die VerursacherInnen auch für die Schäden an Wasser und Ökosystem aufkommen und die Kosten nicht bei den SteuerzahlerInnen hängen bleiben. Die zukünftige Wasserqualität der Spree wird wesentlich davon abhängig sein, ob ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, um die Sulfateinträge stillgelegter Tagebaue begrenzen zu können. Die Verantwortung der Wasserverschmutzung liegt eindeutig beim Braunkohleabbau: Mehr als die Hälfte des Sulfats stammt aus den aktiven Tagebauen der LEAG.

Um die BetreiberInnen der Tagebaue zur Rechenschaft zu ziehen, ist es notwendig, Sicherheitsleistungen einzufordern. Das sind Gelder, die auch im Fall einer Insolvenz erhalten bleiben. Die Landesbergämter von Sachsen und Brandenburg haben das in dieser Form jedoch noch nicht getan. Stattdessen wird momentan in Brandenburg darüber diskutiert, die Gelder für die Renaturierung - nach sächsischem Vorbild - als Sockelbetrag in eine unternehmensinterne Zweckgesellschaft einzuzahlen. Die Kontrolle über diese Mittel muss hingegen dem Konzern entzogen und unter staatliche Aufsicht gestellt werden. Die LEAG sollte aus ihren laufenden Gewinnen weitere Mittel bereitstellen, damit irgendwann tatsächlich alle zukünftigen Kosten der Braunkohlenutzung abgedeckt sind. Schließlich hatte der Konzern Vattenfall beim Verkauf seiner Braunkohlegeschäfte an die LEAG 1,7 Milliarden Euro für die Renaturierung der Kohlegruben an den neuen Eigentümer gezahlt.

Diesen Forderungen schließt sich auch eine Delegation des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments an, welche die Lausitz besucht hat und in ihren Empfehlungen die zuständigen Behörden dazu auffordert, Sicherheitsleistungen für die Rekultivierung einzuführen. Des Weiteren muss nun die EU-Kommission einen möglichen Verstoß gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie, welche die Erreichung guter chemischer und ökologischer Zustände für Oberflächengewässer und Grundwassers vorschreibt, überprüfen.

Fakt bleibt: Der Kohleabbau stellt eine Gefahr für Klima, Umwelt und Gesundheit dar. Daher müssen die BraunkohlebetreiberInnen für die Folgen des Braunkohleabbaus haften und Deutschland so schnell wie möglich aus der Kohle aussteigen.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.


Autorin Greta Pallaver ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei BürgerBegehren Klimaschutz e. V.


Anmerkungen

1. Greenpeace International (2016): The great water grab. https://bit.ly/1TiyINL.

2. Grüne Liga Umweltgruppe Cottbus (2015): Neue Tagebaue und Wasser. https://bit.ly/2BFj94c.

3. Aktionsbündnis Klare Spree e. V. (o. D.): Informationen zur Verockerung. https://bit.ly/1B0sz06.

4. NABU (2018): Bald Durchfall-Alarm in der Hauptstadt? Gesundheitsschädliches Tagebau-Sulfat belastet das Berliner Trinkwasser. https://bit.ly/2AHr3bZ.

5. Stefan Jacobs (11.11.2018): Berlins Wassermangel wird immer dramatischer. Der Tagesspiegel, https://bit.ly/2FWzFBo.

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Quelle:
Rundbrief 4/2018, Seite 14 - 15
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 910, Fax: 030/678 1775 80
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Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2019

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