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SCHADSTOFFE/131: Mikroplastik - Kleine Teilchen, große Wirkung (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2015
Kreislaufwirtschaft
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Mikroplastik

Kleine Teilchen, große Wirkung

von Marijana Toben und Nadja Ziebarth


Das Meer ist heute einer Vielzahl von Bedrohungen ausgesetzt, eine davon ist die Verschmutzung durch Plastikmüll. An unseren Küsten und Flüssen und in unseren Meeren finden wir massenhaft Kunststoff in den unterschiedlichsten Formen, Farben und Größen. Weniger offensichtlich - aber nicht weniger häufig - sind mikroskopisch kleine Plastikpartikel: Mikroplastik. Je kleiner die Plastikpartikel sind, desto höher ist die Anzahl der betroffenen Tiere, die sie mit der Nahrung aufnehmen.


Plastik findet Anwendung in einer Vielzahl von Produkten, nicht nur weil es kostengünstig und vielseitig einsetzbar ist, sondern auch aufgrund seiner Beständigkeit gegen Umwelteinflüsse. Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) stellen dabei die am weitesten verbreiteten Kunststoffe dar. Sie sind nicht nur Bestandteil von Tragetaschen und Isoliermaterialien, sondern auch als Mikropartikel in einer Vielzahl anderer Produkte enthalten. Zum einen werden diese als Füllstoffe und Bindemittel in Kosmetika verwendet, zum anderen als Schleifmittel in Zahnpasten und Peelings. Synthetische Fasern wie Nylon sind Hauptbestandteil vieler Kleidungsstücke und werden als Mikrofaserteilchen mit jedem Waschgang freigesetzt.


Endstation Meer

Als Mikroplastik werden Partikel bezeichnet, die kleiner als 5 mm sind. Sie blieben aufgrund ihrer geringen Größe lange unbeachtet. Man unterscheidet zwischen primärem und sekundärem Mikroplastik. Zum primären Mikroplastik gehören Basispellets, das Grundmaterial für die Plastikproduktion, Fasern aus Kleidung und Kunststoffe aus Kosmetika und Hygieneprodukten. Die Kosmetikindustrie verwendet Mikroplastik als Schleifmittel, Filmbildner oder Füllstoff, aber auch in flüssiger Form zum Beispiel als Bindemittel. Sekundäres Mikroplastik hingegen entsteht bei dem Zerfall größerer Kunststoffteile im Verwitterungsprozess, durch Wellenbewegung und Sonneneinstrahlung. Das immer kleiner werdende Plastik bleibt so über Jahrhunderte im Meer und wird mit den Strömungen verbreitet.

Mikroplastik findet sich in allen Tiefen des Meeres. Die Verteilung ist abhängig von Größe, Gewicht, der Besiedlung durch Algen und andere Mikroorganismen sowie dem Grad der Zersetzung durch biologische Aktivität. Schweres Mikroplastik kann bis zu den Lebewesen in und auf dem Meeresboden absinken. Inzwischen wurde Mikroplastik in Muscheln gefunden, die die Mikropartikel aus dem Wasser filtern. Leichtes Mikroplastik befindet sich zum Großteil an der Meeresoberfläche. Hier wird es von Kleinstlebewesen (Zooplankton) aufgenommen, die eine wichtige Nahrungsquelle für Fische darstellen. Von Fischen ernähren sich wiederum Meeressäuger, Vögel und Menschen.


Kleine Gifttransporter

Plastik wirkt aufgrund seiner Oberflächeneigenschaften wie ein Magnet auf Umweltgifte. Diese befinden sich im Wasser und reichern sich auf der Oberfläche des Mikroplastiks an. So lassen sich an den Partikeln hundertmal höhere Konzentrationen als im Meerwasser messen.

Die Mikroplastikpartikel werden dann samt den Giften von Tieren aufgenommen. In Folge der Fettlöslichkeit der Schadstoffe kommt es zu einer Anreicherung im Fettgewebe. Problematisch sind auch die häufig in Kunststoffen enthaltenen Weichmacher, die ähnlich wie Hormone wirken.


BUND-Mikroplastik-Einkaufsratgeber

Im BUND-Mikroplastik-Einkaufsratgeber befinden sich Produkte, deren Inhaltsstoffe einen oder mehrere dieser Kunststoffe enthalten. In welcher Form der Kunststoff vorliegt, ist abhängig von seiner Funktion. In Zahnpasten, Duschgels und Peelings handelt es sich meist um "körnigen" Mikroplastik, da dort die Abriebfunktion genutzt wird. Es gibt aber auch flüssigen Kunststoff in vielen Produkten. Für die KonsumentInnen ist es oft schwer zu erkennen, ob ein Produkt Mikroplastik enthält. Die Inhaltsstoffe sind zwar ordnungsgemäß angegeben, aber wer versteht schon die Begriffe?

Auf den steigenden Druck der Öffentlichkeit hin haben bereits verschiedene HerstellerInnen von Kosmetika angekündigt, Mikroplastik aus ihren Produkten zu nehmen und alternative Stoffe, wie beispielsweise Mineralien oder Nussschalen einzusetzen. Die Versprechen der HerstellerInnen, bis wann sie umstellen wollen, sind jeweils unterschiedlich. Allerdings zeigt sich jetzt schon, dass die HerstellerInnen durch eigene Definitionen die VerbraucherInnen täuschen wollen. So hat beispielsweise Yves Rocher angekündigt, in Zukunft auf Polyethylen in seinen Produkten zu verzichten. Das Unternehmen versprach "mit Beginn des Jahres 2015 nur noch Produkte auf Basis natürlicher Peelingpartikel auf den Markt zu bringen. Produkte, die heute noch Mikroplastik in fester Form enthalten, werden wir ab März vom deutschen, dem österreichischen und dem Schweizer Markt nehmen. (...) Ab 2016 werden diese Produkte weltweit durch überarbeitete Produktformeln, die ausschließlich 100 % natürliche Peelingpartikel enthalten, ersetzt". [1] Yves Rocher wirbt mit dem Slogan "Die Nr. 1 in Pflanzen-Kosmetik". Die Formulierung "Mikroplastik in fester Form" zeigt bereits, was der Hersteller vorhat. In den neuen Produkten werden sehr wohl noch Kunststoffe eingesetzt, aber durch eine Eigendefinition von Feststoffen wird das vertuscht. Das bedeutet, "körnige" Kunststoffe werden nicht mehr verwendet, aber nach Prüfung des BUND sind sehr wohl weiterhin Kunststoffe in den "neuen" Produkten enthalten. Auch andere HerstellerInnen versuchen so die VerbraucherInnen, die keinen Kunststoff in den Produkten wollen, in die Irre zu führen.


Mikroplastik in Abwässern

Bis heute sind weder die exakten Mikroplastik-Konzentrationen in den verschiedenen Ökosystemen noch deren genaue Quellen bekannt. Eintragswege für primäres Mikroplastik sind eingeleitete Abwässer aus Kommunen und Industrie. Durch den weit verbreiteten Einsatz von Plastik in Haushalt, Kleidung und Kosmetika werden häusliche Abwässer als potentielle Quelle für Mikroplastik angesehen, da es über die Flüsse die Meere erreichen kann. Um diese Fragen beantworten zu können, wurden geklärtes Abwasser, Klärschlamm und abgeschiedene Leichtstoffe in 12 Kläranlagen des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbandes in Niedersachsen (OOWV) beprobt und untersucht [2].

Die Vorkommnisse von Mikroplastik waren sehr unterschiedlich. Laut OOWV-Studie ergab sich eine hochgerechnete Gesamtmenge von 1,04 - 24,129 Mikroplastikpartikeln pro Kilogramm Trockenmasse Klärschlamm und 1,2 - 5,7 Milliarden Mikroplastikpartikel, die pro Jahr und Kläranlage anfallen. Diese und auch andere Studien zeigen, dass Mikroplastik in den Abwässern enthalten ist und nicht komplett von den Klärwerken gefiltert werden kann. So konnte Leslie in ihrer Studie [3] im Jahr 2013 zwischen 9 und 91 Mikroplastikpartikel in holländischen Klärwerksabläufen nachweisen. In Nürnberg wird dieses Ergebnis ebenfalls bestätigt. [4]


Problem erkannt - Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie

Mikroplastikformen werden in fast allen marinen und binnen Habitaten nachgewiesen und sind sehr wahrscheinlich mit hohen Gefahren für die Ökosysteme verbunden. Aus diesem Grund ist Mikroplastik explizit als Indikator in die europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) aufgenommen worden. Mit der MSRL hat die EU einen rechtsverbindlichen Rahmen geschaffen, um Schutz und Nutzung der europäischen Meere in Einklang zu bringen. Ziel der MSRL ist das Erreichen des guten Umweltzustands der europäischen Meere bis zum Jahr 2020 und dessen Erhalt darüber hinaus. Durch das Bewerten einzelner Indikatoren soll der Zustand der Meere eingestuft und Verbesserungsmaßnahmen zum Erreichen des guten Umweltzustandes erarbeitet werden. Im Zeitplan der MSRL mussten die Mitgliedstaaten bis 2012 eine Anfangsbewertung zur Erfassung des aktuellen Umweltzustands der Meeresgewässer erstellen sowie einen solchen guten Umweltzustand beschreiben und die Umweltziele festlegen. Leider hat die Anfangsbewertung der Bundesregierung und der Nordbundesländer 2012 ergeben, dass die deutschen Meeresgebiete der Nord- und Ostsee in keinem guten Umweltzustand sind und darüber hinaus zunehmenden Belastungen ausgesetzt sein werden. Für die deutschen Ostseegebiete erreicht keines der nach der MSRL zu berücksichtigenden Merkmale eine Bewertung im guten oder sehr guten Bereich. Für die deutschen Nordseegebiete konnte lediglich die Situation der Robben nahe eines guten Umweltzustandes eingestuft werden. Diese Ergebnisse sind sehr besorgniserregend.

Als Kernstück der MSRL müssen bis Ende 2015 Maßnahmenprogramme erstellt werden, die das Erreichen oder die Aufrechterhaltung des guten Umweltzustands der Meeresgewässer sicherstellen. Die Programme der Regierung liegen zurzeit im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Kommentierung vor. [5] Aus Sicht der Umweltverbände gibt es viele Kritikpunkte an dem Programm, allerdings werden zumindest Maßnahmen zur Reduzierung des Mikroplastikeintrages angestrebt. Es ist nur zu hoffen, dass sie auch wirklich umgesetzt werden.


Marijana Toben ist Mikroplastikexpertin und Nadja Ziebarth Meeresschutzexpertin beim BUND.

Mehr Informationen unter:
http://www.bund.net/msrl



[1] http://www.yves-rocher.de/control/main.

[2] Abschlussbericht "Mikroplastik in ausgewählten Kläranlagen des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbandes (OOWV) in Niedersachsen Probenanalyse mittels Mikro-FTIR Spektroskopie", Oktober 2014.

[3] Review of Microplastics in Cosmetics; H.A. Leslie, PhD, 2014.

[4] Mikroplastik aus Kunststoff - Plastik in Abwasser und Gewässer, Burkard Hagspiel, 2014.

[5] www.meeresschutz.info.


Anmerkung der SB-Redaktion: s.a.
http://www.bund.net/themen_und_projekte/meeresschutz/muellkampagne/mikroplastik/
http://www.bund.net/themen_und_projekte/meeresschutz/muellkampagne/mikroplastik/yves_rocher/

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2015, S. 13-14
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2015

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