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SCHADSTOFFE/110: Versalzung der Weser in alle Zukunft? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1035, vom 01. Juni 2014, 33. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Versalzung der Weser in alle Zukunft?



Was sind akzeptable Lösungsvorschläge, um der jahrzehntelangen Versalzung von Werra und Weser durch den Kalibergbau (s. RUNDBR. 870/4, 859/2-3) ein Ende zu bereiten? Durch die Einleitung der Kaliabwässer in die Werra werden seit einem Jahrhundert 450 km Flusslauf einer schwerwiegenden Versalzung ausgesetzt. Das salzhaltige Wasser aus Werra und Weser kontaminiert auch das Grundwasser rechts und links der Flüsse. Aus dem salzbelasteten Uferfiltrat lässt sich dann kein Trinkwasser mehr gewinnen. Die kontrovers geführte Diskussion um mögliche Lösungsvarianten hat breiten Raum bei einer mehrtägigen Klausurtagung des Bundesarbeitskreises Wasser des BUND (vgl. RUNDB. 1021/4) Ende Mai in Angermünde (Ostbrandenburg) eingenommen. Im Hinblick auf den derzeitigen Sachstand wurde zunächst erläutert, dass in die aktuellen wasserrechtlichen Einleitebescheide für den K+S-Konzern zusätzlich zum Chlorid, zur Härte und zur Leitfähigkeit auch Grenzwerte für Kalium und Magnesium aufgenommen worden sind. Allerdings würden die Immissionsgrenzwerte als 24-Stunden-Tagesmischprobe am Pegel Gerstungen in einer Höhe liegen, die keine wesentliche Verbesserung der ökologischen Verarmung in Werra und Weser erwarten lasse. In einer optimistischeren Betrachtungsweise könne man die erstmalige Limitierung von Kalium und Magnesium als Signal an K+S verstehen, dass diese Grenzwerte künftig schrittweise abgesenkt werden könnten.

Verpressung der Salzlaugen auf Dauer?

Nach wie vor verpresst die K+S AG einen Teil der Salzlaugen in den Untergrund. Entgegen früherer Voraussagen des K+S-Konzerns hatte sich aber bald herausgestellt, dass der in 400 Meter Tiefe liegen Plattendolomit kein "in sich geschlossenes System" war. Größere Mengen der verpressten Salzlauge treten ins Grundwasser und in Oberflächengewässer über. Die vorliegenden Genehmigungen erlauben die Verpressung noch bis 2015. Die Befürchtung der Umweltschützer: Es lasse sich jetzt schon absehen, dass die von K+S beabsichtigten Abwasservermeidungsmaßnahmen nicht ausreichen werden, um nach 2015 die Verpressung abzustellen und die Salzeinleitungen signifikant zu reduzieren. Beim Bundesarbeitskreis Wasser des BUND sieht man es als vorrangig an, die weitere Verpressung von Salzlaugen in den undichten Plattendolomit zu blockieren. Nicht viel Vertrauen setzt man beim BUND in den zu erwartenden Antrag des K+S-Konzerns zu einer "Neuen integrierten Salzlaststeuerung". Wenn das vorgesehene Salzmanagement mit einem neuen Planfeststellungsbeschluss sanktioniert werden sollte, müsste das Planfeststellungsverfahren mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verbunden sein. Bei der Festlegung des Untersuchungsrahmens (Scoping) für die UVP müssen die Umweltverbände beteiligt werden. Bei einer zu erwartenden Fortsetzung der Verpressung in den undichten Plattendolomit sei anzunehmen, dass die Verbände gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen werden. Da sowohl K+S als auch die Planfeststellungsbehörde beim Regierungspräsidium Kassel mit einer Klage der Umweltverbände rechnen, könne man annehmen, dass die Verpressung seitens der Behörden "auf dem kleinen Dienstweg" einfach weiterhin geduldet werde.

Salzpipeline oder Kraftwerk zur Salzlaugeneindampfung?

Berichtet wurde in Angermünde bei der BUND-Klausurtagung auch über den Streit zur Sinnhaftigkeit der Salzpipeline in die Nordsee (siehe RUNDBR. 958/3) auf der einen Seite bzw. zu dem alternativ genannten Verdampfungsverfahren auf der anderen Seite. Ein Verdampfungskraftwerk zur Eindampfung der Salzlaugen müsste die gigantische Kapazität von einem Gigawatt (GW) aufweisen (zum Vergleich: Moderne Kohlekraftwerke mit zwei Blöcken - wie "Moorburg" in Hamburg - liegen bei 1,6 GW Leistung). Auch bei einem Gigawatt wäre fraglich, ob die Kapazität des Eindampfungs-Kraftwerkes ausreichen würde, um zusätzlich zu den Produktionsabwässern auch die Haldenabflüsse eindampfen zu können. Der Rückstand aus der Eindampfung könnte als "Versatz" wieder in die ausgebeuteten Salzabbaustollen zurückgeführt werden. Der teure Versatz werde von K+S bisher allerdings nicht angeboten. Auf der thüringischen Seite werde bei einem der Kalibergwerke der Versatz vom Land finanziert. Man könne davon ausgehen, dass K+S die "Thüringer Lösung" auf Kosten der Steuerzahler anstreben werde. Bisher konzentriere sich die Variantendebatte auf den Bau einer Pipeline, mit der man die Salzlaugen aus Osthessen und Thüringen in die Nordsee ableiten könne. Wenn es gelingen würde, nicht nur die K+S-Produktionsabwässer - sondern auch die Haldenabwässer - via Salzpipeline in die Nordsee abzuleiten, könnte die Weser weitestgehend von der Salzlast befreit werden. K+S will eine Pipeline bauen, die allerdings nur bis in die Oberweser reichen soll. Die "Oberweser-Pipeline" werde von K+S als Bestandteil des "Neuen integrierten Salzsteuerungsmanagements" angeboten. Mit der "Oberweser-Pipeline" stellt K+S eine genauere Steuerung der Salzlast in der Weser in Aussicht.

Wie akzeptabel ist eine Salzpipeline in die Nordsee?

Die Trasse für die Nordsee-Pipeline könne parallel zu einer ohnehin entlang der Weser verlaufenden Erdgaspipeline verlegt werden. Eine völlige Neutrassierung sei also nicht erforderlich. Gleichwohl bestehen Bedenken wegen der Flächen- und Landschaftsinanspruchnahme durch die Pipelinetrasse. Die Nordseepipeline würde im Jadebusen enden. Durch Ebbe und Flut erfolge im Jadebusen eine tägliche Umwälzung von Wassermengen, die in der Größenordnung des jährlichen Abflusses der Werra liegen würde. Wegen der hohen und sehr schnell erfolgenden Vermischung seien am Einleitepunkt der Pipeline keine wesentliche Schädigungen der Ökologie im Jadebusen durch die konzentrierte Salzlauge zu erwarten - zumindest seien die zu erwartenden Schädigungen ungleich geringer und kleinräumiger als die Versalzung eines ganzen Flusslaufes.

Werra-/Weser-Versalzung: Streit über die Variantenauswahl

Seit letztem Jahr sei die ungute Situation eingetreten, dass man sich in und zwischen den diversen Bündnissen gegen die Versalzung von Werra und Weser über die zu favorisierende Lösungsstrategie nicht einig sei. Die LINKS-Partei, die Naturfreunde und andere würden das Verdampfungskraftwerk bevorzugen. Demgegenüber sprechen sich der BUND und andere Naturschutzverbände weiterhin für die Ableitung der Salzlauge über eine Pipeline in die Nordsee aus. Die Grünen an der niedersächsischen Nordseeküste opponieren gegen die Einleitung der Salzlauge in die Nordsee - obwohl die gleiche Salzmenge schon jetzt über die Weser in die Nordsee läuft. Der Runde Tisch zur Lösung der Salzproblematik hat sich ebenfalls für die Salzpipeline in die Nordsee ausgesprochen. Zur Nordsee-Pipeline liege auch eine Ökobilanz vor, die vom "Runden Tisch Gewässerschutz Werra/Weser und Kaliproduktion" in Auftrag gegeben worden war. Das technisch völlig unerprobte Kraftwerk, das es in der erforderlichen Größenordnung für eine Salzlaugeneindampfung bisher noch gibt, wurde noch keiner Ökobilanzierung unterworfen. Solange sich die Gegner über die bessere Lösung streiten würden, könne sich K+S entspannt zurücklehnen, so die Befürchtung der Gewässerschützer vom BUND. Besser wäre die Vorgabe von ökologisch akzeptablen Grenzwerten, um dann dem Verursacher der Werraversalzung zu überlassen, welche angepasste Lösung der Salzemittent wählen wird.

Das Haldenabwasser als Ewigkeitsproblem

Die Abdichtung der Aufstandsflächen der Halden ("Kalimandscharos") sei nach Darstellung von K+S weitgehend dicht. Das von den Haldenflanken abfließende Haldenabwasser werde gefasst und soll dem Einleitungsmanagement unterworfen werden. Das Haldenabflusswasser mache mit durchschnittlich zwei Millionen Kubikmetern pro Jahr etwa ein Viertel der gesamten Salzabwässer aus. Solange die Halden noch in Betrieb sind, können sie nicht abgedeckt werden. Danach könne eine kapillarbrechende Abdeckung aufgebracht werden. Da die Haldenabdeckung nicht völlig dicht sei, würde sich die Auflösung der "Kalimandscharos" von vielleicht 1000 Jahren auf 10.000 Jahren strecken.

Braucht man Kalidünger?

In einer Langfristperspektive wird auf Seiten des BAK Wasser des BUND die Sinnhaftigkeit des Kaliabbaus generell in Frage gestellt: Die Produktion von Kalidüngern sei kein Wirtschaften in Kreisläufen, sondern die Ausbeutung von mineralischen Ressourcen zu Lasten der Umwelt. Der umweltschädliche Abbau von Kali führe zu keinem nachhaltigen Produkt. Darüber hinaus demonstriere die Biolandwirtschaft, dass sich im ökologischen Landbau akzeptable Erträge auch ohne mineralische Kalidünger erwirtschaften lassen. Da im strukturschwachen osthessischen und thüringischen Raum der bergmännische Kalibergbau für Tausende an Arbeitsplätzen verantwortlich zeichne, müsse in eine umfassende Nachhaltigkeitsbetrachtung auch die soziale Komponente mit einbezogen werden. Zu berücksichtigen sei ferner, dass ohnehin niemanden genutzt sei, wenn der K+S-Konzern unter Zurücklassung seiner Altlasten aus Osthessen abwandern würde. Es wäre gut, "den Verursacher am Leben zu lassen", damit er auch künftig zu Finanzierung seiner Umweltlasten herangezogen werden könne. Kontrovers wurde in Angermünde diskutiert, ob man mit dem Bau einer Salzpipeline in die Nordsee "als kleinstem Übel" den umweltschädlichen Kaliabbau in alle Zukunft legitimieren würde - "anstatt dem Wahnsinn ein Ende zu betreiben".

Die Nordsee-Pipeline als "Kompromiss"

In der Pressemitteilung der Landesverbände des BUND im Wesereinzugsgebiet vom 26.05.14 heißt es u.a.: "Die ca. 400 Kilometer lange Pipeline aus dem hessisch-thüringischen Kaligebiet an die Nordsee ist für den BUND eine Kompromisslösung, deren ökologische Vorteile die notwendigen Eingriffe rechtfertigen und die zugleich die Arbeitsplätze im Kalibergbau sichern würde."

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1035
Herausgeber:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2014