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SCHADSTOFFE/061: Nanoröhrchen "stehlen" Grünalgen Platz und Licht (idw)


Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt - 04.11.2011

Nanoröhrchen "stehlen" Grünalgen Platz und Licht


Nanopartikel wie Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT), die in immer mehr Produkten enthalten sind, gelangen auch vermehrt in die Umwelt. Ob und wie sie aquatische Ökosysteme beeinträchtigen, ist weitgehend noch unklar. Eine Empa-Studie zeigte, dass CNT auf Grünalgen nicht toxisch wirken, deren Wachstum aber hemmen, indem sie ihnen Licht und Platz nehmen.

Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT von engl. carbon nanotubes) sind bis zu 100?000-mal dünner als ein menschliches Haar und so leicht wie Plastik. Dennoch können sie zugfester sein als Stahl, härter als Diamant und leitfähiger als Kupfer. Diese Eigenschaften machen sie zu einem Werkstoff mit Zukunft. Ihr Einsatz wird daher vielfältig erforscht, etwa für Solarzellen, Kunststoffe, Batterien, in der Medizin sowie zur Reinigung von Trinkwasser.

Mit zunehmender industrieller Produktion in der Grössenordnung von Hunderten von Tonnen jährlich steigt auch die Menge an solchen Teilchen, die in die Umwelt gelangen kann. Einige Studien legen den Verdacht nahe, dass bestimmte CNT in der Lunge ähnliche Schäden wie Asbestfasern auslösen können. Wie sich CNT verhalten, wenn sie in Gewässer gelangen, hat ein interdisziplinäres Team der Forschungsinstitute Empa und Agroscope ART nun in einer vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanzierten Studie an Grünalgen untersucht.


Algen bleiben munter - aber mit langsamerem Wachstum

Dabei entwickelten die ForscherInnen ein Standardverfahren für Chemikalien weiter, um Wachstum und Photosynthese-Aktivität der Algen unter CNT-Belastung zu messen. Es zeigte sich, dass die Algen selbst bei hohen CNT-Konzentrationen ihre normale Photosynthese-Aktivität beibehielten; jedoch verlangsamte sich ihr Wachstum. Auffällig war auch, dass sich die Algensuspension durch Zugabe der CNT verdunkelte und dass die Algen mit den Nanoröhrchen verklumpten - obwohl nichts darauf hinwies, dass die Nanoröhrchen von den Algen aufgenommen werden.

Die ForscherInnen vermuteten deshalb, dass die Algen langsamer wachsen, weil sie durch die CNT «zusammenkleben» und dadurch weniger Licht erhalten. Um dies zu beweisen, entwickelten sie zwei weitere Tests, mit denen die Beschattung und das Zusammenkleben der Algen durch Nanopartikel quantitativ gemessen werden können. Die Ergebnisse zeigen, dass das verlangsamte Algenwachstum in der Tat hauptsächlich auf diese zwei Faktoren zurückzuführen ist. Fazit: CNT wirken nicht direkt toxisch auf Grünalgen, wie frühere Studien vermuten liessen. Die Algen haben in Gegenwart von CNT lediglich nicht die optimalen Wachstumsbedingungen, weil sie wie Landpflanzen genügend Platz und Licht zum Wachsen benötigen. Allerdings tritt die beobachtete Verklumpung und Beschattung erst bei höheren CNT-Konzentrationen auf (über einem Milligramm pro Liter), wie sie in der Umwelt wahrscheinlich noch nicht vorkommen.

«Unsere Studie zeigt, wie schwierig es ist, die Wirkungen von Nanomaterialien auf Organismen detailliert zu verstehen», sagt Empa- und ART-Forscherin Fabienne Schwab. Die Ergebnisse helfen, andere Nanopartikel zu testen, um deren Sicherheit für Mensch und Umwelt zu gewährleisten. Bis umfassende Erkenntnisse auch für komplexere Organismen als Grünalgen sowie Langzeitstudien vorliegen, rät Empa-Forscher Bernd Nowack, besonders ungebundene Nanopartikel nicht in die Umwelt freizusetzen.


Literaturhinweis

Are Carbon Nanotube Effects on Green Algae Caused by Shading and Agglomeration? F. Schwab, T.D. Bucheli, L.P. Lukhele, A. Magrez, B. Nowack, L. Sigg, K. Knauer, Environmental Science & Technology, DOI: 10.1021/es200506b; online unter: http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/es200506b

Weitere Informationen
Dr. Bernd Nowack, Empa,
Technologie und Gesellschaft,
Tel. +41 58 765 76 92,
bernd.nowack@empa.ch
Fabienne Schwab,
Agroscope ART,
Tel. +41 44 377 7197,
fabienne.schwab@empa.ch


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Photosynthese-Aktivität der Grünalgen, mit Fluoreszenz sichtbar gemacht.

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Quelle:
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Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Sabine Voser, 04.11.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2011