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SCHADSTOFFE/050: Gadolinium - Eine Seltene Erde in deutschen Gewässern (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 967 vom 26. Februar 2011 - 30. Jahrgang

Gadolinium: Eine Seltene Erde in deutschen Gewässern


Es ist noch nicht lange her, da konnten nur Fachleute etwas mit dem Namen "Seltene Erden" anfangen. Inzwischen haben die Chinesen aber die Popularität dieser Gruppe von chemisch eng verwandten Metallen erheblich gesteigert. Denn sie verfügen über die derzeit größten Abbaukapazitäten dieser unentbehrlichen Technologiemetalle und haben eben mal an der Preisschraube gedreht. Eines dieser Metalle ist Gadolinium (Gd). Wie seine chemischen Verwandten kommt es in Gewässern normalerweise nur in sehr geringen Konzentrationen vor. Seit den 80-er Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich dies jedoch geändert. Seither wird es vor allem in Kontrastmitteln für die Magnetresonanztomographie (MRT) eingesetzt. Gd sorgt für wesentlich kontrastreichere Aufnahmen der untersuchten Gewebe. Da freie, dreifach positiv geladene Gd-Atome für den Menschen recht toxisch sind, werden sie für medizinische Anwendungen in bestimmte organische Molekülreste verpackt, die das Gd fest in die Zange nehmen. Solche "Komplexe" von Gd sind als Kontrastmittel in der Regel sehr gut verträglich und führen nur in seltenen Fällen zu Nebenwirkungen. Eine andere Nebenwirkung ist jedoch die Anreicherung von Gd-Verbindungen in der aquatischen Umwelt. Welche Wirkung Gd in der Umwelt entfaltet, hängt wie etwa bei Arsen und Quecksilber stark von seinem Bindungszustand ab (der "Spezies" im Analytiker-Slang). Schon seit einigen Jahren sind Analytiker den verschiedenen Spezies des Gadoliniums in der aquatischen Umwelt auf der Spur. Die nachfolgenden Notizen bieten einen Überblick über neuere Forschungsergebnisse. -rk-


Von der Klinik zur aquatischen Gadolinium-Anomalie

Um eine kontrastreiche Aufnahme zu erzielen, bekommt ein Patient im Schnitt 1,2 Gramm Gd in die Blutbahn gespritzt. Die Komplexe sind polar, mithin sehr gut wasserlöslich und verlassen den Körper rasch unverändert mit dem Urin. Wegen der großen Vielzahl von MRT-Untersuchungen gelangen allein in Deutschland schätzungsweise jährlich rund 1.100 Kilogramm Gd auf diese Weise ins Abwasser und in die Kläranlagen. Weil den Mikroben in den Kläranlagen das Gd-haltige Futter nicht schmeckt, finden sich die Komplexe mit so wohlklingenden Namen wie "Gadovist", "Magnevist" oder "Omniscan" schließlich unverändert in den Oberflächengewässern wieder. Dies hat dazu geführt, dass heute in vielen Gewässern, aber auch im Trinkwasser von Großstädten, eine sogenannte "Gd-Anomalie" zu beobachten ist. Denn Gd liegt natürlicherweise in einem ganz bestimmten Mengenverhältnis gegenüber den anderen "Seltenen Erden" vor. Bestimmt man daher heute die Gd-Konzentration in einer Wasserprobe, stellt man häufig fest, dass der Gd-Gehalt gegenüber seinen chemischen Verwandten deutlich erhöht ist. - rk-


Der Weg des Gadoliniums

Mit ausgefeilter Analysentechnik haben UWE KARST von der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und JENS KÜNNEMEYER von der Novartis Pharma AG in Basel den Weg von verschiedenen Gd-Komplexen im Abwasser vom Klinikum über den Kanal zur Kläranlage verfolgt. Die Ergebnisse ihrer "Speziationsanalytik" sind in zwei Aufsätzen in der Zeitschrift "GIT Spezial Separation" nachzulesen (1/2009, Seite 10-12 und 1/2010, Seite 21-25). Während vom dortigen Klinikum nur ein solcher Komplex ("Gadovist") ins Abwasser gelangte, stießen die Forscher in der Kläranlage schon auf drei Kontrastmittel.

"In der Kläranlage fließen die Abwässer von Klinikum und Innenstadt, in der sich auch zahlreiche radiologische Praxen befinden, zusammen, so dass hier mehrere Kontrastmittel nachzuweisen sind", berichten die Autoren. "Auch im Auslauf des Klärwerkes sind noch signifikante Mengen Gadovist nachzuweisen". Weiter zeigte sich, dass der Gesamt-Gehalt an Gd im Abwasser höher war als der Summe der Komplexe entsprach, was vermutlich auf die Freisetzung von freiem Gd zurückzuführen sein dürfte.

Weitere Auskünfte gibt:
Prof. Dr. Uwe Karst
Institut für Anorganische und Analytische Chemie
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Tel.: 0251/8333141; Fax: 0251/8336013
E-Mail: uk@uni-muenster.de
Internet: www.uni-muenster.de/Chemie.ac/karst/welcome.html -rk-


Gadolinium-Spezies in der Trinkwasseraufbereitung

Wie DR. CHRISTIAN ZWIENER von der Universität Karlsruhe in einem Beitrag in der GIT Labor-Fachzeitschrift über das "Verhalten von Gadolinium-Spezies bei der Trinkwasseraufbereitung" bemerkt hat (10/2007, Seite 816), treten in Oberflächengewässern oft erhöhte Gd-Werte auf, die "meist in direktem Zusammenhang mit Kläranlagenabläufen" stehen.

"Aufgrund ihrer hohen Stabilität und Mobilität eignen sich Gd-Komplexe daher gut als Tracer für die indirekte Wiederverwendung von Wasser im Kreislauf Abwasser - Oberflächenwasser - Trinkwasser."

Grund zur Sorge bestehe in dem Moment, wo das gebundene Gd durch die Flockung mit Eisen- oder Aluminiumsalzen bei der Trinkwasseraufbereitung aus den Komplexen verdrängt wird. Dann liegt es nämlich in freier, toxischer Form im Wasser vor. Bei Laborversuchen mit Rheinwasser, das mit einem Gd-Komplex versetzt worden war, wurde ein gewisser Teil des gebundenen Gadoliniums bei der Flockung freigesetzt. Ein weiterer Anteil wurde an die Flocken adsorbiert und konnte damit entfernt werden.

"Für die Praxis der Wasseraufbereitung bedeuten diese Ergebnisse, dass während der Flockung mit einer - wenn auch geringen - Freisetzung von Gd-Ionen zu rechnen ist (...)."

Weitere Auskünfte gibt:
Dr. Christian Zwiener
Universität Karlsruhe
E-Mail: christian.zwiener@ciw.uni-karlsruhe.de -rk-


Geteiltes Berlin dank Gadolinium im Trinkwasser

Die Belastung des Berliner Trinkwassers mit Gd haben jüngst MICHAEL BAU und SERKAN KULAKSIZ von der Jacobs University in Bremen Gd unter die Lupe genommen. Das Ergebnis der Analysen haben sie in einer Karte zusammengefasst, die im Internet abrufbar ist.

"Aufgeteilt nach Stadtteil zeigt die Karte die Verbreitung des Medikaments, das wie viele andere während der Trinkwasseraufbereitung nicht beseitigt wird. Gadolinium kann daher als Indikator für die Höhe der Medikamentenbelastung des Trinkwassers verwendet werden", so die Forscher. Dass die Karte eine klare Zweiteilung Berlins zeigt, ist nach ihrer Ansicht damit zu erklären, dass das Gd von den Kläranlagen in die Spree, vor allem aber in die Havel und den Teltow Kanal eingetragen wird.

"Von dort gelangt es besonders im Westteil Berlins ins Grundwasser und in die Trinkwasserbrunnen. Auch bei der Trinkwasseraufbereitung in den Wasserwerken kann das anthropogene Gadolinium nicht aus dem Wasser entfernt werden und erreicht deshalb mit dem Leitungswasser vor allem im Westteil Berlins schließlich alle Haushalte."

Die höchste Belastung zeigte eine Trinkwasserprobe vom Platz der Republik. Dort betrug der Gehalt an Kontrastmittel-Gd 17,62 ng/kg, während das natürliche Gd nur mit 0,54 ng/kg enthalten war. In dieser Probe stammten somit rund 97% des vorhandenen Gadoliniums aus Kontrastmitteln.

Auskünfte erteilt:
Michael Bau - Professor of Geoscience
Jacobs University Bremen
Tel.: 0421/2003564
E-Mail: m.bau@jacobs-university.de -rk-


Die Karte und weitere Informationen zu Gd kann heruntergeladen werden unter der Adresse:
www.jacobs-university.de/print/ess_geochemistry/Gadolinium_im_Berliner_Trinkwasser


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 967/2011
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, D-79106 Freiburg i. Br.
Tel.: 0761/275693; 45687153
E-Mail: nik@akwasser.de
Internet: http://www.akwasser.de

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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2011