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RECHT/043: Ungenutzte Chance - Ökonomische Instrumente der Wasserrahmenrichtlinie (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010


Ungenutzte Chance für den Gewässerschutz
Ökonomische Instrumente der Wasserrahmenrichtlinie

Von Michael Bender, Tobias Schäfer und Alexandra Gaulke


Die in der europäischen Wasserrahmenrichtlinie gesetzlich verankerten ökonomischen Bestimmungen könnten zu verbesserter Ressourceneffizienz und stärkerer Berücksichtigung des Verursacherprinzips führen. Die darin liegende Möglichkeiten bleiben bislang ungenutzt

Mit der am 22. Dezember 2000 in Kraft getretenen EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) begann eine neue Ära im europäischen Gewässerschutz. Erstmals wurden Ziele für den ökologischen Zustand der Oberflächengewässer mit verbindlichen Fristen festgelegt, ein Verschlechterungsverbot für den Gewässerzustand postuliert und die flussgebietsweite Bewirtschaftungsplanung mit umfassender Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben.

Das zentrale Umweltziel der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist der gute Zustand der Gewässer - Oberflächengewässer und Grundwasser -, der bis zum Jahr 2015 erreicht werden soll. Mit ihren ambitionierten Umweltzielen und den Vorgaben zur umfassenden Betrachtung biologischer Parameter führte die WRRL den Ökosystem-Ansatz in die europäische Wasserwirtschaft ein: Die Bewirtschaftung der Gewässer muss sich an den Zielen für die Qualität der Gewässer als Lebensraum der aquatischen Flora und Fauna ausrichten, wobei der gute Zustand von einem natürlichen, sehr guten Referenzzustand abgeleitet wird.

Den Rahmen für Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässersituation bilden die Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme. Die Vorgaben der WRRL beziehen sich weniger auf Inhalte, Format und Ausgestaltung der Planung, als vielmehr auf das Ziel des guten Zustands. Es ist offensichtlich, dass dieses Ziel nur mit einer breiten Palette von Instrumenten erreicht werden kann, die von einzelnen wasserbaulichen Maßnahmen bis hin zur Umgestaltung der Agrarumweltpolitik reicht.


Ökonomische Elemente in der Wasserrahmenrichtlinie

Die Wasserrahmenrichtlinie führte die Anwendung ökonomischer Instrumente in die europäische Wassergesetzgebung ein.

Die ökonomischen Elemente der Wasserrahmenrichtlinie sind kein Selbstzweck. Sie dienen der Unterstützung der Umweltziele, flankieren und ergänzen ordnungsrechtliche und planerische Vorgaben und sind wichtige Instrumente zur Integration des Gewässerschutzes in andere Politikbereiche. Jedoch wurden - wie diese GRÜNE LIGA-Zwischenbilanz zehn Jahre nach Verabschiedung der WRRL deutlich zeigt - die ökonomischen Elemente der WRRL in die nationale Wasserpolitik der Mitgliedsstaaten und die Bewirtschaftung der Flussgebiete bislang nur unzureichend implementiert. Die wirtschaftliche Analyse der Wassernutzungen war ein integraler Bestandteil der Bestandsaufnahme; der 2005 abgeschlossenen ersten Analyse der Flussgebiete. Die Bewirtschaftungspläne für die Flussgebiete - der über viele Jahre vorbereitete wichtigste Meilenstein für die künftige Gestaltung Gestaltung der Wasserwirtschaft in der Europäischen Union - waren Ende 2009 abzuschließen und bis März 2010 zu veröffentlichen. Diese Frist konnte - trotz der föderalen Zuständigkeit -für das gesamte Bundesgebiet eingehalten werden. Der Festlegung von Ausnahmen sowie der Auswahl von Maßnahmen sollten auch Kosten- und Effizienzaspekte zugrunde liegen. Die Einführung grundsätzlich kostendeckender Wasserpreise als Kernelement einer nachhaltigen Wassernutzung war EU-weit für das Jahr 2010 vorgesehen. Beispielhaft seien einige Instrumente genannt: a) Betriebswirtschaftliche Kostendeckung von Trinkwasserversortung und Abwasserentsortung, b) Abwasserabgabe: Die Erhebung der bundesweit einheitlichen Abwasserabgabe dient in den Ländern durchgehend zur Internalisierung von Umweltkosten, gleichermaßen bei den Ländern mit und ohne Wasserentnahmeentgelt. Durch die Erhebung werden bereits Ressourcenkosten vermieden; c) Wasserentnahmeentgelte: In allen elf Bundesländern, in denen Abgaben auf die Entnahme von Grund- und/oder Oberflächenwasser erhoben werden, gelten sie immer auch als Internalisierungsinstrument für Umwelt- und Ressourcenkosten.

Eine Lenkungswirkung zum schonenden Umgang mit der Ressource soll dabei bereits durch die Erhebung der Abgabe erzielt werden. Hinzu kommt die Finanzierungsfunktion für gewässerschützende Maßnahmen.


Defizite in der Umsetzung

Das Fazit der GRÜNEN LIGA zur WRRL-Umsetzung im Jahr 2010 lautet jedoch: Die Chancen, die das ökonomische Instrumentarium der WRRL bietet, werden im so genannten ersten Bewirtschaftungszeitraum, also dem Zeitraum bis zur ersten Bestandsaufnahme nicht genutzt.

Auch die EU-Kommission kam bei der Beurteilung der Bestandsaufnahme zu ähnlichen Erkenntnissen: "The economic analysis of most Member States are incomplete and is therefore one of the biggest shortcomings in the WFD1 implementation so far" (Europäische Kommission 2007).

Ohne solide ökonomische Analysen und Bewertungen der vielfältigen Wassernutzungen und der Bewirtschaftungsmaßnahmen läuft die Gesellschaft Gefahr, weiterhin immense Fehlallokationen von Geldern und öf öffentlichen Gütern in Kauf nehmen zu müssen, die Wasserressourcen ineffizient und nicht nachhaltig zu nutzen und die Gewässerökosysteme signifikant zu schädigen.


Dringender Handlungsbedarf

Es besteht daher dringender Handlungsbedarf. Das ökonomische Instrumentarium muss zügig zur Anwendung kommen und darf nicht auf den zweiten Bewirtschaftungszeitraum verschoben werden: Direkte und verdeckte Subventionen für Landwirtschaft, Energiewirtschaft, Wasserkraft, Bergbau, Binnenschifffahrt, Hochwasserschutz und weitere Wassernutzungen gehören hinsichtlich ihrer gewässerökologischen Schadwirkung auf den Prüfstand. Vorhandene Instrumente zur Internalisierung von Umwelt- und Ressourcenkosten, wie Wasserentnahmeentgelte können durch Streichen von Ausnahmetatbeständen in ihrem Wirkungsbereich deutlich ausgeweitet werden und sollten im gesamten Bundesgebiet Anwendung finden. Die Einführung neuer Instrumente zur Senkung des Ressourcenverbrauchs wie einer Stickstoffüberschussabgabe, ist geboten, eine schadstoffabhängige Steuer auf die Verwendung von Pestiziden und mineralischem Dünger dringend zu prüfen.

Eine gute Gelegenheit, die Erfahrungen aus der Erarbeitung der ersten Bewirtschaftungspläne für gezielte Fortschritte bei der Anwendung ökonomischer Instrumente zu nutzen, bietet die bis zum Jahr 2013 anstehende Überarbeitung der wirtschaftlichen Analyse der Flusseinzugsgebiete.

Michael Bender leitet die Bundeskontaktstelle Wasser der GRÜNEN LIGA und ist Koordinator der AG Wasser des Forums Umwelt und Entwicklung. Tobias Schäfer und Alexandra Gaulke arbeiten bei der GRÜNEN LIGA zum Thema Wasser.

Dieser Artikel fußt auf einer Betrachtung der Flussgebietsmanagementpläne mit Flächenanteilen in der Bundesrepublik Deutschland und basiert auf einem Positionspapier der GRÜNEN LIGA zu den Ökonomischen Instrumenten der Wasserrahmenrichtlinie.

Das GRÜNE LIGA-Positionspapier wird auf www.wrrl-info.de veröffentlicht.

(1) WFD = Water Framework Directive, also Wasserrahmenrichtlinie


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010, S. 25 und 27
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2011