Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → WASSER

POLITIK/408: Landeswassergesetze runderneuert - Highlights aus Baden-Württemberg (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1013, 32. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Landeswassergesetze werden runderneuert - Highlights aus Ba.-Wü.



Wegen der Föderalismusreform und der daraus folgenden Neufassung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) im Jahr 2009 (siehe RUNDBR. 927/4, 912/1-2) werden nach und nach die Landeswassergesetze an das neue WHG angepasst. In Sachsen-Anhalt ist die Novelle des dortigen Landeswassergesetzes im Febr. 2013 erfolgt. Derzeit wird das Landeswassergesetz in Baden-Württemberg runderneuert. Und als nächstes Bundesland will sich Rheinland-Pfalz an die Arbeit machen. Zum Novellenentwurf in Ba.-Wü. hat eine Verbändeanhörung am 21.02.13 stattgefunden. Dabei waren vor allem die unterschiedli-chen Standpunkte der Landwirtschaftslobby und der Umweltverbände aufeinander gestoßen. Der Novellenentwurf war von den Umweltverbänden in vielen Punkten gelobt worden. Gleichwohl haben der Landesnaturschutzverband (LNV), die Landesverbände von BUND und NABU sowie wir in vielen Punkten Nachbesserungsbedarf moniert.

Die 19seitige Stellungnahme der Verbände kann unter
http://www.lnv-bw.de Stellungnahmen zum Gesetz zur Neuordnung des Wasserrechts heruntergeladen werden.
Der Novellenentwurf nebst Begründung (über 200 S.) findet sich zum Download unter
www.um.baden-wuerttemberg.de/ Umwelt


Wasser Rechtsvorschriften

Nachstehend werden einige Besonderheiten des Novellenentwurfes näher vorgestellt.

Ba.-Wü.: Wasserwerker und Wasserbehörden als Bewusstseinsbildner

Im Vergleich zu anderen Landeswassergesetzen weist die geplante Novelle zum baden-württembergischen Wassergesetz einige bemerkenswerte Highlights auf - so u.a. im Hinblick auf die aquatische Umweltdidaktik: Wasserversorger sollen künftig in § 45(6) verpflichtet werden, "die Bevölkerung über die Bedeutung der Wasserschutzgebiete und die wichtigsten Schutzbestimmungen zu informieren". Aber nicht nur die Wasserversorger, sondern auch die Behörden werden in die aufklärerische Pflicht genommen. Erstmalig wird im Wassergesetz eine Förderung der Bewusstseinsbildung für die nachhaltige Bewirtschaftung der Gewässer verankert. Im Grundsatzparagrafen § 12 heißt es hier in Abs. 2: "Die nachhaltige Bewirtschaftung der Gewässer soll auch durch ökonomische Instrumente [s. nächste Notiz] und durch Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung gefördert werden."

Mit dem ökonomischen Hebel den hydraulischen Stress abbauen

Neben der Abwasserabgabe und dem Wasserentnahmenentgelt (vgl. RUNDBR. 944/3) bedient sich das baden-württembergische Landeswassergesetz der ökologischen Instrumente auch in den Fällen, in denen es gilt, Fremdwasser und Niederschlagswasser aus der Kanalisation herauszuhalten.
Nach § 116 (1) des Novellenentwurfs bleibt die Einleitung von Niederschlagswasser nur dann abgabefrei, "soweit die Regenwasserbehandlung den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und die Anforderungen des die Einleitung zulassenden Bescheides eingehalten werden".
Zudem bleibt nach § 116 (2) die Einleitung von Niederschlagswasser aus der öffentlichen Kanalisation "für das gesamte Gemeindegebiet abgabefrei, falls der Ausbaugrad der Regenwasserbehandlung für das Gemeindegebiet ab dem 1. Januar 2012 mindestens 95 Prozent und ab dem 1. Januar 2017 100 Prozent beträgt". Ferner kann nach § 119 bei der Berechnung der Ermäßigungen, die
das Abwasserabgabengesetz nach § 9 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 einräumt, die Verdünnung im Kanal "nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn im Jahresmittel der Verdünnungsanteil 30 Prozent des Abwasserabflusses bei Trockenwetter nicht übersteigt".

Wenn also mehr als 30 Prozent Fremd- oder Regenwasser im Mischwasserkanal der Kläranlage entgegenschwappt, kann man die Ermäßigung vergessen. Mit der ökonomischen Anreizwirkung dieser drei Regelungen will man erreichen, dass in der kommunalen Kanalisation genügend Stauraum für "Starkniederschlagsereignisse" errichtet wird und dass möglichst viel Niederschlagswasser dezentral versickert wird. Die schockartige Einleitung von Schmutz- und Niederschlagswasser aus der Kanalisation bei Wolkenbrüchen und der dadurch verursachte hydraulische Stress in den Fließgewässern soll damit weitgehend unterbunden werden.


Museumsreife Wasserkraftanlagen auf den Stand der Technik bringen!?

Bemerkenswert ist ferner, dass der LWG-Novellenentwurf die Wasserkraftbetreiber in Ba.-Wü. möglicherweise unter Modernisierungszwang setzen wird. Das für eine Wasserkraftanlage zur Verfügung stehende Wasser soll nicht mehr länger in ineffizienten Turbinen verplempert werden. Deshalb sollen Wasserkraftbetreiber in § 24(4) verpflichtet werden, "die unter ökologischen Gesichtspunkten verfügbare Wassermenge effizient entsprechend dem Stand der Technik zu nutzen". In der Begründung zum Novellenentwurf wird noch einmal explizit zur Klarstellung erwähnt, "dass das Gebot zur effizienten Nutzung sich allein auf die unter ökologischen Aspekten nutzbare Wassermenge bezieht, das heißt die nach Berücksichtigung etwa der für Mindestwasserführung, Durchgängigkeit und Fischschutz verbleibende Menge."

Davon unabhängig stellt sich die Frage, durch wen "der Stand der Technik" für die Effizienz der Wasserkraftverstromung festgesetzt wird - und wer das vor Ort in den oft museumsreifen Kleinwasserkraftanlagen überprüft? Jahrzehntealte Turbinen und vorsintflutliche Generatoren in vielen Kleinwasserkraftwerken entsprechen nicht einmal mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Für die Umrüstung auf den Stand der Technik dürfte vielen Kleinwasserkraftbetreibern das Geld fehlen.


Entgelt für die Wasserkraftnutzung

In § 99 des baden-württembergischen LWG-Novellenentwurfes ist vorgesehen, dass die Betreiber von Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von mehr als 1000 Kilowatt ein "angemessenes Entgelt" auferlegt werden kann:
"(2) Die Höhe des Entgelts richtet sich bei der Wasserkraftnutzung nach dem Wert der durchschnittlich zur Verfügung stehenden Leistung der Rohwasserkraft für den Unternehmer; diese berechnet sich aus der benutzbaren Wassermenge und der Rohfallhöhe. (...) Die oberste Wasserbehörde kann im Übrigen durch Rechtsverordnung nähere Vorschriften für die Bemessung des Entgelts erlassen."

Wir sind gespannt, ob diese Regelung mit dazu beitragen kann, den Vorwurf der EU-Kommission zu entkräften, dass Wassernutzungen in Deutschland nicht verursachergerecht mit Umwelt- und Ressourcenkosten belastet werden (s. RUNDBR. 995/2-3).


Versorgungssicherheit und Wassergüte können eingepreist werden

Um die Wasserversorger vor den Nachtstellungen der Kartellämter zu schützen, soll in § 44(2) ein Gebot zur ökologisch ausgerichteten Substanzerhaltung, zur Versorgungssicherheit und zum vorsorgenden Gewässerschutz in das LWG Ba.-Wü. aufgenommen werden:
"Die öffentliche Wasserversorgung hat insbesondere eine hohe Versorgungssicherheit und Güte des Wassers anzustreben. Vorsorgende Maßnahmen in Bezug auf die Versorgungssicherheit und Güte sowie Maßnahmen zum Schutz der Gewässer sollen im Rahmen des Aufgabenbereichs durchgeführt und unterstützt werden."

Die Kosten für diese Maßnahmen können somit von engstirnigen Kartellämtern nicht mehr in Abrede gestellt werden. Hierzu heißt es in der Begründung zum Novellenentwurf, dass die finanziellen Aufwendungen für entsprechende Vorsorgemaßnahmen "im Rahmen der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Preisgestaltung zu Lasten der Verbraucher eingepreist werden" können. "Aufgrund der gesetzlichen Aufgabenzuweisung vermag die Einpreisung als solche keinen kartellrechtlichen Missbrauchsvorwurf zu begründen".


Sanierung privater Kanäle: "Man darf die Gesellschaft nicht überfordern!"

Angesichts der jahrelangen Auseinandersetzungen in NRW über die Inspektion und Sanierung von privaten Hausanschluss- und Grundstücksentwässerungsanlagen (s. RUNDBR. 944/4) war es für uns von besonderem Interesse, zu erfahren, welcher Lösungsansatz in Ba.-Wü. verfolgt wird. Im Novellenentwurf zum LWG wurden hierzu Fristfestsetzungen gewählt, die als sehr hausbesitzerfreundlich zu werten sind. Zu Inspektionen bis 2015 sind nur die Hausbesitzer verpflichtet, deren Grundstück in den Wasserschutzzonen I und II liegt (siehe Kasten auf S. 4). Die gestaffelten Inspektionspflichten für Häuser in der Wasserschutzzone III richten sich nach dem Errichtungsjahr des Gebäudes. Bestenfalls kann man sich bis 2023 Zeit lassen. Und für Gebäude außerhalb von Wasserschutzzonen besteht überhaupt keine Verpflichtung zur Überprüfung der Dichtheit von Grundstücksentwässerungsanlagen und Hausanschlussleitungen. In der mündlichen Verbändeanhörung hatten wir darauf gepocht, dass der Vorsorge- und Besorgnisgrundsatz nicht nur in Wasserschutzgebieten gilt. Insofern wäre es im Hinblick auf den Grundwasserschutz wünschenswert, wenn schrittweise Inspektions- und Sanierungspflichten auch außerhalb von Wasserschutzgebieten eingeführt würden. Die Antwort der Ministeriumsmitarbeiter: "Man darf die Gesellschaft nicht überfordern!"


§ 51 Private Abwasseranlagen (zu §§ 60 und 61
WHG)

3) Abwasseranlagen zum Sammeln und Fortleiten von häuslichem Abwasser in Grundstücken in den Zonen I und II eines Wasserschutzgebietes oder den vergleichbaren Schutzzonen eines Heilquellenschutzgebietes sind erstmals bis zum 31. Dezember 2015 zu überwachen. Abwasseranlagen in Grundstücken anderer Zonen [gemeint ist Wasserschutzgebietszone III] sind erstmals
1. bis zum 31. Dezember 2017, wenn sie vor 1950,
2. bis zum 31. Dezember 2019, wenn sie von 1950 bis 1970,
3. bis zum 31. Dezember 2021, wenn sie von 1971 bis 1990
4. bis zum 31. Dezember 2023, wenn sie im Jahre 1991 und danach errichtet worden sind,
zu überwachen (...).


Gemeinden können Kanalinspektion in eigener Regie durchführen

Wird bei der Inspektion von Hausanschlussleitungen und Grundstücksentwässerungsanlagen festgestellt, dass die Substanz völlig marode ist, gibt es erneut Kulanz für den Hausbesitzer: § 51 (3) sieht vor, dass nach der Feststellung von Schäden "die Wasserbehörde den Eigentümern eine angemessene Frist zur Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung" einräumt. Was eine "angemessene Frist" ist, dürfte auch vom Verhandlungsgeschick des Hausbesitzers abhängen. Damit die Hausbesitzer nicht Kanalhaien ausgeliefert bleiben, ist in § 51 (7) vorgesehen, dass die Gemeinde die Inspektion der Hausanschlussleitungen selbst in die Hand nehmen kann:

"(7) Die Gemeinde kann durch Satzung bestimmen, dass die erstmalige oder wiederholende Überwachung von privaten Abwasseranlagen zum Sammeln und Fortleiten von häuslichem Abwasser für das gesamte Gemeindegebiet oder Teile davon von der Gemeinde vorgenommen wird."


Zweigeteilte Gewässerrandstreifen: Von virtuellen zu realen Randstreifen

Einer der Hauptstreitpunkte in der Verbändeanhörung waren die Regelungen zum Gewässerrandstreifen. Ba.-Wü. war diesbezüglich immer schon etwas fortschrittlicher als viele andere Bundesländer. So gilt in Ba.-Wü. von Gesetzes wegen ein zehn Meter breiter Streifen beiderseits der Gewässer als Gewässerrandstreifen. Leider waren diese Gewässerrandstreifen vielfach nur virtuell vorhanden, da die normale Bewirtschaftung der Randstreifen durch die Bauern fast uneingeschränkt weiterhin zulässig war. Der Novellenentwurf sieht in § 29 vor, dass künftig die Gewässerrandstreifen zweigeteilt werden: Für der gewässernäheren Streifen soll in einer Breite von fünf Metern ein Dünge- und Pestizideinsatzverbot gelten. Außerdem ist bestehendes Ackerland "bis zum 22. Dezember 2018 in Grünland umzuwandeln". Wenn dies gegenüber den Landwirten als "unzumutbar" bzw. als "unverhältnismäßig" erscheint, dann haben die Landwirte Anspruch auf Entschädigung. Gleichwohl artikulierte die Landwirtschaftslobby "verfassungsrechtliche Bauchschmerzen": Die geplanten Einschränkungen für die Landwirte im inneren Gewässerrandstreifen seien durch die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nicht mehr gedeckt.
Die Umweltverbände wiesen darauf hin, dass eine Differenzierung in fünf und zehn Meter die Kontrolle der Auflagen schwierig machen würde. Auch insofern seien die für den Fünf-Meter-Streifen geplanten Auflagen auf die gesamte Breite von zehn Metern auszuweiten. Dies wurde von den Ministeriumsvertretern mit Verweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgelehnt.

Tatsächlich sind die in Ba.-Wü. geplanten Einschränkungen deutlich weitergehender als die Gewässerrandstreifenregelungen in den anderen Landeswassergesetzen. Eine Synopse der bestehenden und geplanten Gewässerrandstreifen in den Landeswassergesetzen hat das Flussbüro Erfurt zusammengestellt. Die sehr nützliche Fleißarbeit gibt es beim

Flussbüro Erfurt
- z.Hd. Herrn Stephan Gunkel -
Fischersand 43
99084 Erfurt
Tel.: 0361-7640207; Fax: 0361-76402100
E-Mail: info@flussbuero-erfurt.de
Internet: www.flussbuero-erfurt.de

*

Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1013
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, 79106 Freiburg i. Br.
Tel.: 0761 / 27 56 93, 456 871 53
E-Mail: nik[at]akwasser.de
Internet: www.akwasser.de, www.regioWASSER.de
 
Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
von 30 Euro für 30 Ausgaben auf das Postbankkonto Arbeitsgruppe
Wasser, Kto-Nr. 41952 757, Postbank Klrh., BLZ 660 100 75.
 
Meinungsbeiträge geben nicht in jedem Fall die Position des BBU
wieder!
Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF ist bei
Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2013