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MASSNAHMEN/198: Flutpolder an der Donau in der Akzeptanzkrise (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1100, vom 11. Dez. 2016 - 36. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Flutpolder an der Donau in der Akzeptanzkrise


Nachdem in den letzten Jahren mehrmals Hochwasserwellen von extremer Höhe Milliardenschäden entlang des bayerischen Donauabschnitts verursacht hatten, steht die Staatsregierung in München unter Handlungszwang: Um die Extremhochwässer bändigen zu können, soll an der bayerischen Donau gleich eine ganze Serie großer Flutpolder gebaut werden. In den "Retentionsräumen" können dann zum Schutz der jeweiligen Unterlieger die Hochwasserscheitel "geparkt" werden. "Flutpolder sind unsere Festungen gegen Jahrhundertfluten", so die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf.

Sofort nach Bekanntwerden dieser Pläne, hat sich in den Anrainerkommunen bis hinein in die Riege der CSU-Bürgermeister massiver Widerstand formiert. Die Anwohner der geplanten Flutpolder fürchten nasse Keller sowie einen dadurch bedingten Wertverlust ihrer Immobilien. Und die Bauern fürchten, ihre Ländereien nicht mehr wie bislang bewirtschaften zu können. Der von den Wasserwirtschaftsämtern entlang der Donau geführte "Hochwasserdialog" mit den skeptischen Anwohnern, Bürgermeistern und Bauern war in vielen Fällen ein Schlag ins Wasser. Die seit rund zwei Jahren geführten Dialogveranstaltungen konnten an der mangelnden Akzeptanz für die Flutpolder nicht viel ändern. Der dominierende Eindruck vieler BürgerInnen nach den Dialog-Veranstaltungen: "Wir fühlen uns nicht ernst genommen!" Überall entlang der Donau wurden die MitarbeiterInnen der Wasserwirtschaftsämter mit der Frage konfrontiert: "Warum ausgerechnet bei uns? Beginnt erst mal, an den Zuflüssen der Donau und im badenwürttembergischen Donaueinzugsgebiet den notwendigen Hochwasserrückhalt zu praktizieren!"

Bei dem Postulat, dass man beim Hochwasserrückhalt "ganz weit oben" anfangen müsse, wurden die Protestbürger auch vom BUND Naturschutz in Bayern unterstützt. Wie bei den Polderstandorten am Oberrhein fühlen sich auch die potenziellen Standortgemeinden an der Donau als "Opfer" zugunsten der profitierenden Unterlieger. So würde ein bei Leipheim geplanter Polder das donauabwärts gelegene Günzburg vor einem Extremhochwasser schützen. Die Leipheimer Bürgerinitiative (s. auch nächste Notiz) argumentiert:
"Günzburg hat bis heute nichts für den Hochwasserschutz getan, nicht einmal den gesetzlich vorgeschriebenen Grundschutz. Andere Städte versiegeln Flächen und wir sollen für sie das Hochwasser wie Müll entsorgen."


Zu den heftig geführten Auseinandersetzungen um den Bau von Flutpoldern an der bayerischen Donau haben wir ein ausführliches Dossier zusammengestellt. AbonnentInnen des WASSER-RUNDBRIEFS können das pdf-Dossier via nik@akwasser.de kostenlos anfordern - für alle anderen gibt es das Dossier für 5 Euro.


Flutpolder: Zufriedene und Frustrierte

Am Donauabschnitt zwischen der Illermündung und der Lechmündung hat die bayerische Umweltministerin am 9. Dez. 2016 die ersten Standortentscheidungen für die Flutpolder bekannt gegeben. Diejenigen, an denen der Kelch vorbeigegangen ist, freuen sich - diejenigen, die es "getroffen" hat, wollen ihren Protest noch intensivieren. Auch die AUGSBURGER ALLGEMEINE geht in ihrer Flutpolder-Berichterstattung davon aus, dass sich der Widerstand "nun wohl noch verschärfen wird".

In den beiden betroffenen Landkreisen Dillingen und Donauwörth waren zwischen Neu-Ulm und Donauwörth bis zu acht Polderstandorte in der Diskussion gewesen. Vor versammelten Bürgermeistern, Land- und Gemeinderäten hatte Umweltministerin Ulrike Scharf bekannt gegeben, dass drei Rückhalteräume jetzt realisiert werden sollen. Erleichtert zeigte man sich in Dillingen, das nach ursprünglicher Planung gleich von drei Flutpoldern "umzingelt" werden sollte.

Ein Gesamtpaket: Drei Polder und dreißig Maßnahmen

Die Maßnahmen zum Hochwasserrückhalt und zum Hochwasserschutz zwischen Neuulm und Donauwörth bestehen nicht nur aus den drei Poldern. Der Polderbau soll durch ein "Gesamtpaket" von dreißig zusätzlichen Maßnahmen flankiert werden. Dazu soll auch eine Deichrückverlegung und der Einbezug von Auwaldflächen gehören. Die Zusatzmaßnahmen seien ein Ergebnis des Hochwasserdialogs, versicherte die Umweltministerin vor den versammelten Mandatsträgern am 9.12.16 in Schloß Höchstädt. Am 19.12.16 will Ulrike Scharf auch die Bevölkerung über die Details des Gesamtpaketes informieren. Bei früheren Veranstaltungen zum Hochwasserrückhalt an der Donau war die Ministerin von den erzürnten Wutbürgern schon mehrmals ausgepfiffen worden.

"Dieses Damoklesschwert ist mit dem heutigen Tag Geschichte. Für uns alle ist diese Entscheidung ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk und Anlass zu großer Erleichterung und Freude",
wurde Dillingens Oberbürgermeister Frank Kunz in der AUGSBURGER ALLGEMEINEN am 10.12.16 zitiert. Sauer ist man dagegen in Leipheim, kurz oberhalb von Günzburg. Einer der drei in der Region Schwaben geplanten "gigantischen Flutpolder" (AUGSBURGER ALLGEMEINE) wird an den Leipheimer Ortsteil Riedheim angrenzen. Die Riedheimer wollen sich das weiterhin nicht gefallen lassen. Auch der Leipheimer Bürgermeister Christian Konrad bezeichnete die Entscheidung als "äußert unangenehm und unerfreulich". Er wies darauf hin, dass die Ministerin bislang versichert habe, dass Leipheim als möglicher Flutpolderstandort nicht favorisiert sei. "Das wird noch Probleme geben", ist sich Christian Konrad lt. AUGSBURGER ALLGEMEINEN sicher.

Die Interessensgemeinschaft (IG) "Ja zum Hochwasserschutz - Kein Flutpolder Leipheim" formuliert es noch schärfer und erinnert ebenfalls daran, dass die Umweltministerin selbst bei einer Veranstaltung vor zwei Jahren versichert habe, dass der Auwald bei Leipheim als Standort nicht im Fokus stehe. Die IG betont "Die Bevölkerung hat sich auf das Wort von Ulrike Scharf verlassen". Die Mitglieder der Interessengemeinschaft ärgern sich: "Wir fühlen uns hinters Licht geführt." Und: "Wir sind enttäuscht, dass unsere Alternativvorschläge nicht gehört worden sind." Nach der jetzt getroffenen Standortentscheidung zu Ungunsten von Leipheim bewertetet die IG die Dialogveranstaltungen mit dem Wasserwirtschaftsamt im Nachhinein als "reine Zeitverschwendung".

Die Polder-Informationen des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth auf
http://www.hochwasserdialog.bayern.de/dialog_vor_ort/leipheim/index.htm
Die Meinung der Interessengemeinschaft auf
www.leipheim.de (dort im Suchfenster "Flutpolder" eingeben)

Polderwiderstand auch am Oberrhein

Am Oberrhein laufen die Auseinandersetzungen um den Bau von Hochwasserrückhalteräumen schon seit den 80er Jahren (s. RUNDBR. 1067/3-4). In der Regel läuft der Hochwasserstreit am baden-württembergischen Oberrheinabschnitt jedoch deutlich moderater ab als an der bayerischen Donau. Wie die nachfolgende Notiz zeigt, wird aber auch am Oberrhein der Widerstand gegen die Polder - und insbesondere gegen die "Ökologischen Flutungen" in den Retensionsräumen - sehr engagiert ausgetragen.

Die Angst vor Tigermücke ...

... war eines der beherrschenden Themen beim Erörterungstermin zum Rhein-Hochwasserpolder Bellenkopf-Rappenwört vom 8. bis zum 11. Nov. 2016 in der Messehalle Karlsruhe. Der zwischen Karlsruhe und Rheinstetten gelegene Polder soll zum Schutz von Karlsruhe und Mannheim die Hochwasserspitze des Rheins "abspeichern". Statistisch gesehen wird der Polder nur alle zehn bis dreißig Jahre zum Einsatz kommen. Um aber die Lebensräume im Polderareal auf die große Überflutung vorzubereiten, sollen auch schon bei kleineren Rheinhochwassern "Ökologische Flutungen" vorgenommen werden. Die Anwohner des Polderareals fürchten, dass es auf Grund der "Ökologischen Flutungen" zu einer Intensivierung der Schnakenplage und darüber hinaus zu einer Ausbreitung der Tigermücke kommen könnte - deshalb seien Ausbrüche von Dengue-Fieber und Malaria zu erwarten.

Im Hinblick auf diese Besorgnisse war auf dem viertägigen Erörterungstermin auch der Öffentliche Gesundheitsdienst gefordert. In einem diesbezüglichen Dossier haben wir den Schlagabtausch zwischen Einwendern und Behördenmitarbeitern dokumentiert. Die Gegenüberstellung der Argumente könnte auch für andere geplante Polderstandorte und die dort zuständigen Gesundheitsämter von Interesse sein: Denn egal ob an Rhein, Elbe oder Donau - überall artikulieren die Anwohner von geplanten Poldern die gleichen Besorgnisse im Hinblick auf die Gefährdung durch Stechmücken.

Das "Stechmücken-Dossier" kann von den AbonnentInnen des WASSER-RUNDBRIEFS kostenlos via nik@akwasser.de angefordert werden (Nichtabonnenten: 5 Euro Bezugsgebühr). Nachfolgend eine Kostprobe aus dem Dossier ...

Tabuflächen wichtig für die Resistenzvermeidung

Großen Argwohn hegten die Einwender in der Karlsruher Messehalle gegenüber den "Tabuflächen", auf denen die am Oberrhein tätige Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnaken (KABS) kein BTI versprühen darf. BTI ist ein Bakterieneiweiß, das die Larven der Stechmücken tötet. Die "Tabuflächen" sind von den Naturschutzbehörden ausgewiesen worden, um seltenen Vogelarten ein ungestörtes Brüten zu ermöglichen. Die Tabuflächen dürfen von der KABS weder betreten noch überflogen werden. Die Einwender machten geltend, dass sich von diesen Tabuzonen aus Stechmücken immer wieder breit machen könnten. Zu diesen Befürchtungen nahm der KABS-Mitarbeiter Andreas Arnold Stellung: Die Tabuzonen seien mit 13,5 ha Fläche im Vergleich zur Bekämpfungsfläche von rund 130 ha vergleichsweise klein. Zudem würden diese Vogelschutzgebiete kaum ein Vermehrungspotenzial für Stechfliegen aufweisen. Sebastian Schrempp, OB der AnwohnergemeindeRheinstetten, stellte gleichwohl die Forderung auf, dass die Tabuzonen der laufenden Entwicklung angepasst werden müssten. Falls es durch die "Ökologischen Flutungen" zu einer vermehrten Schnakenvermehrung in den Tabuzonen kommen sollte, müssten die Tabuzonen entsprechend verkleinert werden. Die Vertreter des Regierungspräsidiums Karlsruhe sicherten zu, dass man in dem Fall auf die Naturschutzbehörden zugehen werde, um die Tabuflächen zu modifizieren. KABS-Mitarbeiter Arnold erläuterte, dass die Tabuzonen auch Vorteile für die Schnakenbekämpfung hätten:
"Dort sind die Stechmücken-Populationen, die nie mit BTI in Kontakt kommen. Und aus diesen Flächen wandert immer wieder BTI-sensibles Genmaterial aus."

Somit seien die Tabuzonen wichtig, um eine Resistenzausbildung gegenüber BTI zu vermeiden. Die besorgten BürgerInnen ließen sich gleichwohl nicht beruhigen. Sie warnten vor der Gefahr, dass die Naturschutzverbände eine Vergrößerung der Tabuzonen durchdrücken könnten. Darüber hinaus könnten die Naturschutzverbände gar den BTI-Einsatz völlig stoppen. Angesichts der grotesken Überhöhung der Durchsetzungskraft der Naturschutzverbände konnten sich die auf dem Erörterungstermin anwesenden Naturschützer dann ein Lachen doch nicht verkneifen.


Polder-Informationen des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth:
http://www.hochwasserdialog.bayern.de/dialog_vor_ort/leipheim/index.htm

Interessengemeinschaft;
www.leipheim.de (im Suchfenster "Flutpolder" eingeben)

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1100
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, 79106 Freiburg i. Br.
Tel.: 0761 / 27 56 93, 456 871 53
E-Mail: nik[at]akwasser.de
Internet: www.akwasser.de, www.regioWASSER.de
 
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2017

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