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GESCHÄFTE/049: Berliner Volksentscheid - Gegenschlag der Privatisierungslobby (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 163 - August/September 2011
Die Berliner Umweltzeitung

Gegenschlag der Privatisierungslobby

Als ob es den Wasser-Volksentscheid nicht gegeben hätte

von Thomas Rudek


Die Freude nach dem ersten erfolgreichen Volksentscheid zur Offenlegung der Geheimverträge sollte nicht lange andauern. Denn die Privatisierungslobby holte schnell zum Gegenschlag aus. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) gab ein Gutachten der besonderen Art in Auftrag (1). Zusammengefasst lautet die Botschaft: Rückkauf der Anteile von RWE und Veolia ist zu teuer und die Spielräume für Preissenkungen sind nur minimal vorhanden. In der Bilanz einer Rekommunalisierung würde die Schuldenlast bei weitem den geringen Preissenkungseffekt überwiegen. In absoluten Zahlen, würden die Berliner im Jahr lediglich 1,19 bis 5,87 Euro weniger für ihr Wasser bezahlen, während die Rekommunalisierungskosten angeblich eine Pro-Kopf-Neuverschuldung von 557 beziehungsweise 652 Euro zur Folge hätte (2).

Es ist sowohl aufschlussreich wie bezeichnend, dass nahezu alle großen Berliner Medien ausführlich über das IHK-Gutachten berichteten. Die Zielsetzung war klar und unmissverständlich: 1. Die Rekommunalisierung ist zu teuer und 2. eine Rekommunalisierung zahlt sich für die Verbraucher nicht aus. Der Volksentscheid und seine Zielsetzung, zentrale Passagen, die für die Höhe der Wasserpreise und damit der Gewinnausschüttung durch die Offenlegung juristisch angreifbar zu machen, fielen unter den Tisch - und zwar nicht nur in dem Gefälligkeitsgutachten, sondern auch in der Medien-Berichterstattung. Statt Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen und unabhängigen juristischen Sachverstand zu mobilisieren, um die Vertragsdokumente auf den Prüfstand zu stellen und kritisch durchleuchten zu lassen, inszeniert die IHK einen riesengroßen Paukenschlag und verkündet die Botschaft: An der Teilprivatisierung darf nicht gerüttelt werden, vergesst den Volksentscheid, wir stehen zu den Konzernen, wir stehen zum Vertrag!


Für eine kostengünstige Rekommunalisierung

Dabei hätte die Rechnung auch anders ausfallen können: Allein im Jahr 2009 wurden 270 Millionen Euro an Gewinnen bei den Berliner Wasserbetrieben ausgewiesen. Wenn die Rekommunalisierung als betriebswirtschaftliches Modell definiert wird, in dem die Wassertarife nach dem Prinzip der reinen Kostendeckung berechnet werden und auf eine Gewinnerzielung und Gewinnausschüttung verzichtet wird, dann hätte dieses Modell allein für das letzte Jahr eine Entlastung von - grob gerechnet - etwa 320 Euro für einen 4-Personen- Haushalt (80 Euro pro Kopf) zur Folge haben können. Eine Summe, die in vielen Betriebskostennachzahlungen einen positiven Effekt für die betroffenen Verbraucher, Mieter und Hauseigentümer hätte aufweisen können. Dass die Entlastungseffekte für Gewerbetreibende noch wesentlich höher ausfallen könnten, versteht sich von selbst und es ist ein Armutszeugnis für die IHK, dass sie keine seriösen Anstrengungen erkennen lässt, um die Gewerbetreibenden zu entlasten und sich für eine kostengünstige Rekommunalisierung einzusetzen.

Statt das Modell der Gewinnmaximierung bei einem natürlichen Monopol auf den Prüfstand zu stellen, konzentrieren sich IHK und einige Parteien der Opposition auf das Grundwasserentnahmeentgelt (GWE). Es ist richtig, dass das GWE im Vergleich mit anderen Bundesländern in Berlin sehr hoch ausfällt. Aber zum einen handelt es sich nicht um einen Gewinn, sondern um zweckgebundene Einnahmen. Und zum anderen fließen diese Gelder nicht in private Taschen renditeorientierter Konzerne, sondern in den Berliner Haushalt. Gerade vor dem Hintergrund bereits jetzt bestehender Probleme beim so genannten "Grundwassermanagement" - vielen Hausbesitzern laufen infolge des hohen Grundwasserpegels in Berlin die Keller voll, was Eigentümer und Mieter gleichermaßen belastet (3) - aber auch die durch den Klimawandel zu erwartenden zukünftigen ökologischen Herausforderungen beispielsweise an den Gewässerschutz in Berlin, hat das GWE seine Bedeutung und Berechtigung. Das sollte jedoch nicht als Freifahrschein für die Verwendung dieser sprudelnden Einnahmequelle missverstanden werden. Denn die zweck- und sachgebundene Verwendung dieser Einnahmen ist transparent darzustellen und gegebenenfalls "nachzubessern". Wer die Streichung des GWE fordert, der lenkt vom eigentlichen "Grundübel" ab: Und das ist die Gewinnerwirtschaftung.


Komplette Ausblendung zukünftiger Belastungen

Was jedoch am IHK-Gutachten am meisten verwundert, ist die komplette Ausblendung der zukünftigen Belastungen, die in Form von weiteren Preissteigerungen durch die vertraglichen Rahmenbedingungen der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe bis zum Jahr 2028 aller Wahrscheinlichkeit nach zu erwarten sind. Bereits bei der Vorstellung des Wasserversorgungskonzepts 2040 war bei all den schönen Hochglanzfolien, Tabellen und Zukunftsszenarien dann doch auffällig, dass die Frage der zukünftigen Preisentwicklung ausgeblendet wurde. An der "Preispolitik" soll offensichtlich weder gerüttelt werden noch über das Geschäftsmodell einer auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Wasserbewirtschaftung diskutiert werden - das ist die Maulkorbpolitik der Privatisierungslobby.

Dabei hat Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die LINKE) selbst, gewiss auch unter dem Druck des Volksbegehrens, das Thema eröffnet, indem er das Bundeskartellamt eingeschaltet hat. So begrüßenswert dieser Tabubruch auch ist, so darf nicht vergessen werden, dass das Bundeskartellamt sich ganz auf die Trinkwasserpreise konzentriert! Die hohen Abwasserkosten bleiben unberücksichtigt (4). Diesen Sachverhalt sollten sich alle ins Gedächtnis rufen, wenn - im Fall einer Preissenkungsverfügung durch das Bundeskartellamt (!) - die Berliner Tagespresse lauthals verkündet, dass jetzt auch endlich in der Hauptstadt die Wasserpreise sinken. Da die Abwasserpreise nicht abgesenkt werden, ist zu befürchten, dass es auf eine symbolische Preissenkung hinauslaufen könnte, die uns dann von den Medien als ein riesengroßer Erfolg verkauft wird.

Entscheidend ist die Frage, wer darüber zu entscheiden hat, wie viel beziehungsweise wie wenig die Konzerne für ihre Anteile an den Wasserbetrieben erhalten sollen und es ist allerhöchste Zeit, für diese "Schlüsselfrage" den Schlüssel zu finden. Politik und Wirtschaft haben nur den Schlüssel zu unseren Geldbeuteln. Wer eine kostengünstige Rekommunalisierung fordert, der benötigt einen passenden Schlüssel zu den Tresoren der Konzerne.

Thomas Rudek
Sprecher des ersten erfolgreichen Volksentscheids in Berlin für die GRÜNE LIGA.
Der Mitbegründer des "Berliner Wassertischs" hat kürzlich die "Berliner Wasserbürger" gegründet.

(1) Das Gefälligkeitsgutachten im Internet:
www.ihk-berlin.de/linkableblob/1350084/data/Gutachten-Wasserpreise-data.pdf

(2) Siehe die gute Zusammenfassung von Jörn Boewe: "Wirtschaft warnt vor Rekommunalisierung. IHK-Gutachten: Keine Preissenkung durch Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe zu erwarten", in: "junge welt" vom 1.4.2011

(3) Siehe die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift vom Berliner Mieterverein "MieterMagazin" (Juli/August 2011) "Mit nassen Füßen auf den Rechtsweg"

(4) So steht Berlin mit 364,80 Euro im bundesweiten Vergleich an der Spitze. (Quelle: Statistisches Bundesamt - Kosten für die Entsorgung von Abwasser aus privaten Haushalten 2005 bis 2010)

Weitere Infos:
Tel.: 030/ 2613389 (AB)
ThRudek[at]gmx.de
info@wasserbuerger.de
www.wasserbuerger.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Rekommunalisierung Berliner Wasserbetriebe - wie viel wird das kosten?


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Quelle:
DER RABE RALF - 22. Jahrgang, Nr. 163 - August/September 2011, S. 6
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2011