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GEFAHR/114: Kommen die Mikroben aus dem Wasserhahn? (BBU AK Wasser)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 895 vom 12. Juli 2008 27. Jahrgang

Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Kommen die Mikroben aus dem Wasserhahn?


Warum sind die Tage im Sommer länger als im Winter? Ganz einfach: In der Wärme dehnt sich alles aus. Das ist auch der Grund, warum die Sommerferien immer länger sind als die Winterferien. Der alte Witz ist ein Beispiel für eine typische Scheinkorrelation. Tatsächlich hat die sommerliche Wärme nichts mit der Tageslänge bzw. der Feriendauer zu tun. Ob es sich bei den Thesen von WILFRIED SODDEMANN über die temperaturinduzierte Verbreitung von Infektionskrankheiten über den Trinkwasserpfad um eine Korrelation oder um eine Scheinkorrelation handelt, gehen die Meinungen weit auseinander. WILFRIED SODDEMANN, Ltd. Regierungsbaudirektor a.D., Bauassessor, Dipl.-Ing. und ehemaliger Chef des Staatlichen Umweltamtes in Aachen erstellt akribisch Korrelationskurven zwischen der Trinkwassertemperatur und gemeldeten Fällen von saisonal auftretenden Infektionskrankheiten wie Grippe, Rota- und Norovirus-Erkrankungen sowie Salmonellose. Und siehe da: Die Kurven passen wie die Faust aufs Auge. Werden bestimmte Trinkwassertemperaturen im Herbst unterschritten, schnellen viral bedingte Krankheiten nach oben. Umgekehrt nehmen Salmonelleninfektionen sprunghaft zu, wenn im Sommer eine bestimmte Sprungtemperatur im Wasserversorgungsnetz überschritten wird. Genau so abrupt nehmen die gemeldeten Infektionserkrankungen wieder ab, wenn die viren- bzw. bakterien-spezifischen Auslösetemperaturen wieder überschritten (Viren) bzw. unterschritten (Salmonellen) werden.

Die Schulwissenschaft bzw. die Wasserwerkerszene verweist die Thesen von SODDEMANN pauschal ins Reich der Spinnerei - ohne allerdings bislang ein eingängiges Killerargument gegen die augenscheinlich präzis stimmigen Korrelationskurven von SODDEMANN vorbringen zu können (s. RUNDBR. 881/2, 856/2, 841/3, 820/1). SODDEMANN behauptet, dass über den Trinkwasserkonsum "initial" wirkende Krankheitsherde gesetzt werden. Von diesen Herden aus würden sich die Infektionskrankheiten dann über andere Infektionswege weiter ausbreiten. Hier ließe sich am ehesten noch einhaken: Warum brechen beispielsweise in einem Verbreitungsgebiet, in dem überall das gleiche Trinkwasser zu Verbreitung kommt, zu Winterbeginn nicht in allen Kindergärten sowie in allen Krankenhäusern und Altersheimen praktisch gleichzeitig Norovirus-Infektionen aus? Warum kommt es immer nur zu vereinzelten Ausbrüchen, obwohl im gesamten Versorgungsgebiet das gleiche Trinkwasser konsumiert wird? Spannende Fragen, die Herr SODDEMANN gerne beantwortet:

Wilfried Soddemann
Mühlenstraße 5 b
48351 Everswinkel
Tel.: 02582 - 99 13 66; Fax.: 99 12 29
E-Mail: soddemann-aachen@t-online.de


Nanofiltration: Der einzige Schutz?

Nach SODDEMANN treten saisonale Infektionskrankheiten, die über den Trinkwasserpfad "initial" verbreitet werden, vor allem dort auf, wo Uferfiltrat, oberflächennahe Grundwasservorkommen und Talsperrenwasser zu Trinkwasser aufbereitet werden - in der Regel mit Aufbereitungstechniken, die nicht in der Lage sind, die Krankheitskeime aus den schlecht geschützten Rohwasserressourcen vollständig zu eliminieren. SODDEMANN schlägt deshalb vor, dass in Regionen mit problematischen Rohwasserressourcen die Trinkwasseraufbereitung über eine Nanofiltration erfolgen müsse. Denn nur die Nanofiltration sei in der Lage, einzellige Parasiten, Bakterien und selbst Viren sicher zurückzuhalten. Mit fünf Euro zusätzlichen Aufbereitungskosten im Monat für eine vierköpfige Familie sei der Zusatzaufwand selbst für sozial schwache Bevölkerungsschichten verkraftbar - zumal mit der Nanofiltration auch chemisch-synthetische Spurenstoffe weitgehend aus dem Trinkwasser entfernt werden. Die Forderung nach einem praktisch flächendeckenden Einbau der Nanofiltration stößt sich allerdings an der bisherigen "Philosophie" der deutschen Wasserversorgungswirtschaft, nach der Trinkwasser "ein Naturprodukt" zu sein hat. Nach einer Nanofiltration ist das Wasser aber so steril und »inhaltsleer«, dass es zunächst einmal wieder mit Mineralien künstlich aufgehärtet werden muss, um halbwegs genusstauglich zu werden.


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 895/2008
Herausgeber:
Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband
Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)
Rennerstr. 10, D-79106 Freiburg
Tel.: 0761/275693; 45687153
E-Mail: nik@akwasser.de
Internet: http://www.akwasser.de

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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2009