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FINANZEN/026: Rechnungshof - Mehr Geld für die Wasserrahmenrichtlinie! (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 943 vom 17. April 2010 - 29. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Rechnungshof Ba.-Wü.: Mehr Geld für die Wasserrahmenrichtlinie!


Der Landesrechnungshof in Baden-Württemberg hat die langfristige Finanzmittelbereitstellung für den Hochwasserrückhalt am Oberrhein einerseits und für die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie andererseits untersucht. Das Ergebnis der Rechnungsprüfer: Das Geld reicht weder für den dringend notwendigen Hochwasserrückhalt noch für die Umsetzung der Richtlinie - selbst wenn man alle Möglichkeiten des Zeitschindens ausnutzt und die Umsetzung der Richtlinie erst auf den letzten Drücker - also für 2027 - anstrebt. Der Rechnungshof schlägt deshalb vor, zusätzliche Finanzquellen anzuzapfen. Nach Meinung des Rechnungshofes würde sich hierfür zwei Geldtöpfe anbieten: Das wäre erstens das baden-württembergische Wasserentnahmeentgelt, das man teilweise in die Verbesserung der Strukturgüte der baden-württembergischen Fließgewässer umlenken könnte. Und zweitens könnte man die Wasserkraftbetreiber "per Anordnung" dazu verdonnern, ihre Wehranlagen schneller als bislang vorgesehen mit Fischwanderhilfen zu versehen. Da die Kritik des baden-württembergischen Landesrechnungshofes an einer zu geringen Mittelbereitstellung für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie auch für andere Bundesländer von Interesse sein dürfte, werden einige Aspekte aus dem Rechnungshof-Report "Finanzierung des Integrierten Rheinprogramms und der EG-Wasserrahmenrichtlinie" vom April 2010 nachstehend ausführlicher dargestellt. (AbonnentInnen des BBU-WASSER-RUNDBRIEFS stellen wir den Rechnungshofbericht kostenlos zur Verfügung.)


Rechnungshof zur WRRL-Umsetzung: "Zwangsgeldverfahren drohen!"

Der Rechnungshof geht davon aus, dass für die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie in Baden-Württemberg 250 Millionen Euro in die Strukturverbesserung und in die Durchgängigmachung der Fließgewässer zu investieren sind. Bei der derzeitigen Finanzmittelbereitstellung durch das Land würde sich beim derzeitigen Baupreisniveau aber jährlich eine Finanzlücke von 7,5 Millionen Euro auftun. Bei prognostizierten weiteren Baupreissteigerungen würde sich die Finanzlücke späterhin auf 12 Millionen Euro im Jahr vergrößern. Die Rechnungsprüfer weisen darauf hin, dass das Land alle erforderlichen Maßnahmen zur Strukturverbesserung bis spätestens 2024 umgesetzt haben müsse. Hinsichtlich einer Zeitüberschreitung warnt der Rechnungshof: "Eine verzögerte Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie kann Vertragsverletzungs- und Zwangsgeldverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof nach sich ziehen."

1000 Euro für einen Meter Fließgewässerrenaturierung Im Detail geht der Rechnungshof davon aus, dass für Gewässer erster Ordnung, für die das Land unterhaltungspflichtig ist, für die Strukturverbesserung spezifische Kosten bis 1.100 Euro/m Gewässerstrecke anfallen werden. Für Gewässer zweiter Ordnung, für die die Kommunen verantwortlich sind, prognostizieren die Rechnungsprüfer Kosten von 400 bis 800 Euro/m. Diese Kostenermittlungen beziehen sich nur auf Maßnahmen außerhalb von Ortslagen. "Um innerhalb von Siedlungen die Strukturmängel der Fließgewässer zu beseitigen, wären höhere Kosten anzusetzen", schreibt der Rechnungshof. Ausgehend von den zuvor genannten Zahlen wurden die Baukosten, um die Fließgewässer durchgängiger zu machen und in ihrer Struktur zu verbessern, wie folgt ermittelt:

- Gewässer erster Ordnung: 110.000 bis 140.000 Euro pro Kilometer (Mittelwert: 125.000 Euro/km),

- Gewässer zweiter Ordnung: 80.000 bis 120.000 Euro pro Kilometer (Mittelwert: 100.000 Euro/km).

Für die weiteren Berechnungen wurde angenommen, dass ein Drittel bis maximal die Hälfte einer Maßnahmenstrecke strukturell umgestaltet werden muss. An den anderen Gewässerabschnitten reiche eine eigendynamische Entwicklung aus. Der sich daraus ergebende Investitionsbedarf wurde auf 230 Mio. Euro veranschlagt. Anschließend hat der Rechnungshof die jährlich anfallenden Raten berechnet - abhängig davon über welchen Zeitraum die Investitionen gestreckt werden:

- Wenn man davon ausgeht, dass die Richtlinie bis 2015 umgesetzt würde, dass also alle hierfür erforderlichen Maßnahmen bis 2012 getätigt würden, dann müssten 62,5 Mio. Euro im Jahr investiert werden.

- Bei einer Umsetzung bis 2021 (Maßnahmenfinanzierung bis 2018) würde sich ein jährliches Investitionsbudget von 25 Mio. Euro ergeben.

- Und bei einer spätest möglichen Umsetzung der Richtlinie erst im Jahr 2027 (Maßnamenfinanzierung bis 2024) müssten jährlich 15,5 Mio. Euro investiert werden.


Das Fazit des Rechnungshofes:

"Damit besteht eine Finanzierungslücke von 7,5 Mio. Euro jährlich. Werden Baupreissteigerungen von 1,5 % berücksichtigt, steigt der Finanzierungsbedarf bis 2024 (Ende der Umsetzungsfrist) auf 20 Mio. Euro. Bleibt der Anteil der sonstigen Finanzierungsinstrumente (siehe Kasten) konstant, nimmt die Finanzierungslücke kontinuierlich zu und liegt 2024 bei 12 Mio. Euro."

Als zusätzlichen Unsicherheitsfaktor benennt der Rechnungshof die Frage, ob die Gemeinden in der Lage sein werden, ihren "erforderlichen Eigenanteil für Maßnahmen an Gewässern zweiter Ordnung entsprechend den Förderrichtlinien Wasserwirtschaft zu erbringen". Außerdem müssten noch die Kosten für die Durchgängigmachung und Strukturverbesserung an Rhein und Neckar berücksichtigt werden. Da es sich bei Rhein und Neckar um Bundeswasserstraßen handelt, ist dort der Bund für die Finanzierung der Durchgängigmachung an den Staustufen zuständig. Das Land geht von einem Investitionsbedarf von 60 Mio. Euro für die gewässerökologischen Verbesserungen an den Bundeswasserstraßen (Neckar, Oberrhein) aus. Der Rechnungshof weist darauf hin, dass hinsichtlich der Gewässerstrukturmaßnahmen die finanzielle Zuständigkeit "noch nicht abschließend zwischen Land und Bund geklärt" worden sei.


WRRL: Wie kann die Finanzierungslücke geschlossen werden?

Der Rechnungshof stellt fest, dass die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie unabdingbar als Landesaufgabe geschultert werden muss. Deshalb hält er es für vertretbar, für einen Anteil aus dem Aufkommen des baden-württembergischen Wasserentnahmeentgelts "eine Zweckbestimmung für Maßnahmen der naturnahen Gewässerentwicklung" ein zuführen. Bislang unterliegen die Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt (WEE) keiner Zweckbindung. Für 2009 waren 60 Mio. Euro Einnahmen aus dem WEE im Staatshaushaltsplan veranschlagt, für 2010 sind 79 Mio. Euro einkalkuliert. Neben einem Anzapfen des Wasserentnahmeentgelts schlägt der Rechnungshof vor, entsprechend dem Verursacherprinzip die Betreiber von Wasserkraftanlagen stärker zur Finanzierung der Durchgängigmachung der Fließgewässer heranzuziehen:

"Dem Grunde nach haben die Anlagenbetreiber die Kosten für Maßnahmen zur Herstellung der Durchgängigkeit zu tragen. Dies wären 120 Mio. Euro des gesamten Investitionsbedarfs von 310 Mio. Euro. In dem Betrag sind die notwendigen Investitionen an Großwasserkraftanlagen berücksichtigt. Die Anlagenbetreiber sind durch Anordnungen und Auflagen zu verpflichten, die Durchgängigkeit zu verbessern bzw. herzustellen. Anordnungen und Auflagen müssen konsequent durchgesetzt werden."

Der Rechnungshof räumt allerdings ein, dass auch bei einem robusteren Vorgehen gegenüber den Wasserkraftbetreibern, "der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten" sei (vgl. RUNDBR. 866/-2-3):

"Es handelt sich immer um Einzelfallentscheidungen, in denen die unterschiedlichen Interessen gegeneinander abgewogen werden müssen. Es muss damit gerechnet werden, dass vor allem gegen nachträgliche Anordnungen Rechtsmittel eingelegt werden. Aus diesem Grund ist schwer abzuschätzen, in welchem Umfang durch Investitionen Privater die ökologische Durchgängigkeit verbessert werden kann."


Eine nachhaltige Finanzierungsstrategie für die WRRL-Umsetzung!

Die erheblichen Investitionen und die vorgegebenen Fristen zur Umsetzung der Richtlinie würden nach Auffassung des Rechnungshofes "eine nachhaltige Finanzierungsstrategie" erfordern. Der Rechnungshof empfiehlt hierzu, für die Umsetzung der WRRL "Ablauf- und Finanzierungspläne zu erstellen bzw. vorhandene Ablauf- und Finanzierungspläne ständig zu aktualisieren". Diese Pläne seien entsprechend dem Stand der Umsetzung jährlich projektscharf fortzuschreiben.

"Sie sind die Grundlage, die jährlichen Finanzierungsraten und Verpflichtungsermächtigungen im Staatshaushaltsplan und in der mittelfristigen Finanzplanung, zu veranschlagen. Erst dann können die politischen Entscheidungsträger über die Finanzierung der Maßnahmen und etwaige Konsequenzen entscheiden",

schreiben die Rechnungsprüfer zur politischen Bedeutung der Ablauf- und Finanzierungspläne. Interessant ist, dass sich die baden-württembergischen Rechnungsprüfer damit in Übereinstimmung mit der EU-Kommission befinden. Die Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission hatte bereits im letzen Jahr postuliert, dass die Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie "von klaren finanziellen Verpflichtungen" und einer "Festlegung der Verantwortlichkeiten" gekennzeichnet sein müssten (s. RUNDBR. 937/1).


Wie lässt sich die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie finanziell stemmen?

Als derzeit bestehende Finanzierungswege listet der Rechnungshof folgende Geldtöpfe auf:

Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER): Für die naturnahe Gewässerentwicklung stehen in der Förderperiode 2007 bis 2013 je Jahr durchschnittlich 3,5 Mio. Euro ELER-Mittel zur Verfügung.

Kommunaler Investitionsfonds (KIF): Für gewässerökologische Verbesserungen werden aus dem KIF 3,5 Mio. Euro jährlich zur Kofinanzierung von ELER-Maßnahmen an Gewässern zweiter Ordnung eingesetzt.

Glücksspirale: Das Land erhält seit 01.01.2000 für den Bereich Umwelt und Naturschutz Mittel aus der Privatlotterie Glücksspirale. Davon entfielen zwischen 2006 und 2009 im Schnitt 0,5 Mio. Euro auf gewässerökologische Maßnahmen.

Europäischer Fischereifonds (EFF): Mit Mitteln des EFF sollen an den Lachsprogrammgewässern Murg, Rench, Kinzig, Dreisam und Wiese (Gewässer erster Ordnung) Fischauf- und - abstiege verbessert sowie Laich- und Aufwuchszonen geschaffen werden. Für die Förderperiode von 2007 bis 2013 stehen insgesamt 5,6 Mio. Euro zur Verfügung.

Originäre Haushaltsmittel: Seit 2007 werden wieder verstärkt originäre Haushaltsmittel zur Kofinanzierung von ELER Maßnahmen an Gewässern erster Ordnung eingesetzt. Dies gehe allerdings "zulasten der Investitionen für Hochwasserschutzmaßnahmen", schreibt der Rechnungshof.

Der Rechnungshof weist darauf hin, dass er bereits in einer Denkschrift im Jahr 2007 empfohlen habe, das naturschutzrechtliche Ökokonto als Finanzierungsbeitrag zur Umsetzung gewässerökologischer Maßnahmen zu nutzen. Die Ausgestaltung des Ökokontos (Bewertung, Zuordnung von Maßnahmen, Verzinsung von Ökopunkten, Handel) soll in Ba.-Wü. mit einer Rechtsverordnung erfolgen, die derzeit allerdings noch nicht erlassen ist. Der Rechnungshof schreibt, dass sich der finanzielle Umfang, in dem das Ökokonto zur Aufwertung von Gewässerlebensräumen genutzt werden wird, noch nicht prognostizieren lasse. Dies würde auch davon abhängen, wie sich der Markt und der Handel mit Ökopunkten nach Erlass der Ökokontoverordnung entwickeln werden.


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 943/2010
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2010