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EUROPA/176: EG-Trinkwasserrichtlinie auf dem Prüfstand (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1111, vom 18. Juni 2017 - 36. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

EG-Trinkwasserrichtlinie auf dem Prüfstand


Die EU-Kommission beabsichtigt, im vierten Quartal 2017 einen ersten Entwurf für die Überarbeitung der EG-Trinkwasserrichtlinie aus dem Jahr 1998 vorzulegen. Derzeit befindet sich die bestehende Fassung auf dem Prüfstand. In dem Kurzaufsatz "Kommission bewertet den Evaluierungsbericht zur EG-Trinkwasserrichtlinie" informiert CLAUDIA CASTELL-EXNER in der ENERGIE-WASSER-PRAXIS (EWP) 4/2017 über die Ergebnisse der Evaluierung. Unter anderem sei die Kohärenz der Trinkwasserrichtlinie mit der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) untersucht worden. Während die WRRL durchaus einen Bezug auf die Belange der Trinkwasserversorgung nehmen würde, fehle umgekehrt in der Trinkwasserrichtlinie der Link auf den Schutz der Gewässer, die zur Entnahme von Trinkwasser genutzt werden. "Ein Faktum, das der Verwirklichung der Ziele der Trinkwasserrichtlinie nicht gerecht wird. Diese fehlende Verbindung erschwert ferner die Anwendung des Verursacherprinzips und des Vorsorgeprinzips, d.h., dass der Verursacher die Kosten für Umweltbeeinträchtigungen tragen sollte und Präventivmaßnahmen getroffen werden", kommentiert CASTELL-EXNER dieses Defizit der Trinkwasserrichtlinie.

Trinkwasserrichtlinie: Die Risikobetrachtung kommt zu kurz

Als weitere "Schwachstelle" der Trinkwasserrichtlinie habe sich das Fehlen eines "risikobasierten Ansatzes" herausgestellt. Gemeint ist damit eine fehlende Bezugnahme auf den Water Safety Plan, den die Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2004 eingeführt hat (s. RUNDBR. 1076/1). Insbesondere wenn man gewährleisten wolle, dass das Trinkwasser eine einwandfreie mikrobiologische Güte aufweise, spiele der Water Safety Plan eine immer größere Rolle. [Nach dem Konzept des Water Safety Plans sind die Wasserversorger u.a. dazu angehalten, alle Risikoaspekte schon im Einzugsgebiet der Grundwasserbrunnen oder bei den sonstigen Rohwasserquellen zu analysieren; Anm.: BBU] Das Konzept ermögliche es, "Zeit und Ressourcen auf Risiken von Bedeutung zu fokussieren und Analysen nicht auftretender Parameter zu vermeiden", heißt es in der EWP.

Trinkwasserrichtlinie: Freier Warenverkehr schlägt Verbraucherschutz

Die deutschen Wasserversorger ärgern sich besonders über ein weiteres Defizit in der EG-Trinkwasserrichtlinie. In der Richtlinie gibt es keine Reglementierungen über die Qualität von Rohrleitungsmaterialien und Armaturen (vgl. RUNDBR. 1108/3) Das habe zur Folge, dass in den EU-Mitgliedsstaaten sehr unterschiedliche Anforderungen gelten würden - "bis dahingehend, dass es in einigen Mitgliedsstaaten überhaupt keine verbindlichen Vorgaben dazu gibt". Die böse Ahnung von CASTELL-EXNER:
"Durch die Warenverkehrsfreiheit in der EU Können somit Materialien und Produkte im Kontakt mit Trinkwasser auch ohne jegliche Anforderungen für den vorsorgenden Verbraucherschutz bei dem Lebensmittel Nr. 1 in Verkehr gebracht werden. Das funktionale Element der gegenseitigen Anerkennung von Produkten und Materialien im Kontakt mit Trinkwasser führt letztendlich dazu, dass die hygienischen Anforderungen auf das geringste EU-weite Niveau nach Maßgabe der Warenverkehrsfreiheit gesenkt werden."

Vor diesem Hintergrund sei die Warenverkehrsfreiheit ohne einheitliche Hygienestandards für Materialien und Produkte im Kontakt mit Trinkwasser "kritisch zu hinterfragen". Denn im Gegensatz zu Waren aus anderen Bereichen habe der Verbraucher beim leitungsgebundenen Trinkwasser keine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Versorgung. Das Fehlen EU-einheitlicher Hygienestandards für Rohrmaterialien und Armaturen sei eine "Schwäche", die nunmehr auch von der EU-Kommission erkannt worden sei, so der Eindruck von CASTELL-EXNER.

In der EWP berichtet Frau Dr. CLAUDIA CASTELL-EXNER regelmäßig über den Fortgang der Bemühungen zur Novellierung der EG-Trinkwasserrichtlinie (siehe 1076/1). CASTELL-EXNER ist führende Mitarbeiterin des DVGW und Vizepräsidentin von EurEau, der europäischen Vereinigung der nationalen Verbände in der Wasserver- und Abwasserentsorgung.

Weitere Auskunft zum Vorangehen bei der Novelle
der seit 19 Jahren nicht mehr aktualisierten
EG-Trinkwasserrichtlinie:
castell-exner[at]dvgw.de

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1111
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2017

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