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DEBATTE/013: Wie öko ist der Wasserkraftstrom? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSERRUNDBRIEF Nr. 1022, vom 22. Sept. 2013, 32. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Wie öko ist der Wasserkraftstrom?



Die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) wird vom Bundesarbeitskreis (BAK) Wasser des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) seit Jahren mit WRRL-Foren begleitet. Das 15. WRRL-Forum hatte sich am 21. September 2013 dem Thema "Wasserkraft - eine nachhaltige erneuerbare Energie? Wirklichkeit trifft Anspruch" gewidmet. Eingangs des Forums hatte SEBASTIAN SCHÖNAUER, Sprecher des BAK Wasser des BUND, dem Seminar einen "harmonischen Verlauf" gewünscht. Das war kein Problem, weil sich auf dem Forum keine Befürworter der Wasserkraft zu Wort gemeldet hatten. Die 50 Teilnehmenden des Seminars waren sich einig, dass es aus mannigfaltigen Gründen allen Anlass gebe, insbesondere der Kleinwasserkraftnutzung skeptisch gegenüber zustehen. Von den acht Wasserkraft-Referaten, die in Fulda zu hören waren, werden nachfolgend zwei Referate kurz wiedergegeben.

AbonnentInnen des RUNDBRIEFS können kostenlos via nik@akwasser.de einen ausführlichen Tagungsbericht anfordern, in dem alle Vorträge des 15. WRRL-Forums des BUND referiert werden. Die Folien zu den Referaten können in Kürze von der Homepage
http://www.flussbuero.de/bund_flussbuero/home/flusspolitik/wrrl/wrrl_forum/ heruntergeladen werden.

"Klimaschonender" Wasserkraftstrom trotz Methan-Freisetzung?

Seinen Vortrag beim Wasserrahmenrichtlinien-Forum des BUND über "Methanemissionen aus Flussstauhaltungen: Was ist der Klimaschutzbeitrag der Wasserkraft?" startete Prof. Dr. ANDREAS LORKE, Universität Koblenz-Landau, mit einigen Hinweisen auf die Bedeutung der Fließgewässer in globalen Kohlenstoffkreislauf. Demnach habe das IPCC seine bisherigen Annahmen über den C-Eintrag und -Austrag in den Binnengewässern erheblich revidieren müssen. Die Bedeutung der C-Flüsse in den Binnengewässern sei größer als bislang angenommen. Bei der Bewertung der Fließgewässer als Quelle für Treibhausgase komme es stark auf die Emission von Methan aus anaeroben Sedimenten an. Unter Einbezug der Methanfreisetzungen würden die Emission von CO2-Äquivalenten aus den Binnengewässern bei etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe liegen. Schon seit längerem wisse man, dass an Stauseen in tropischen Regionen mehr Treibhausgas-Emissionen erfolgen, als wenn man dort ein Kohlekraftwerk mit gleicher elektrischer Leistung gebaut hätte. Die hohen Methanemissionen seien vor allem auf die anaerobe Zersetzung der in den Stauräumen verbleibenden Biomasse zurückzuführen.

Demgegenüber hätten für kleinere Stauhaltungen an hiesigen Gewässern, wie an der Saar, bislang noch gar keine Emissionsdaten vorgelegen. An den staugeregelten Abschnitten der Saar habe man jetzt festgestellt, dass durch Gasblasen aus dem Sediment sowie durch Entgasung direkt unterhalb der Wehranlagen im Vergleich zu den freifließenden Abschnitten bis zu zwei Zehnerpotenzen mehr Methan ausgasen würde. Damit liege man in den Stauhaltungen der Saar in einer Größenordnung wie bei tropischen Stauseen - bezogen auf einen Quadratmeter und Tag. Die Freisetzung von Methan über Gasblasen in der Saar korreliere mit den Feinsedimentablagerungen in der Saar. Dort könnten die Schlammpakete eine Mächtigkeit bis zu sechs Metern erreichen.

Zur zeitlichen Variabilität der Methanfreisetzung merkte der Referent an, dass schleusenbedingte Fluktuationen des Wasserstandes mit Gasblasenbildung einhergehen. "Die kaum sichtbaren Schleusenwellen bringen uns die Gasblasen-Spitzen." Somit seien die Druckschwankungen im Gefolge der Schleusungsvorgänge für die "hot moments" verantwortlich.

32 MW installierte Kraftwerksleistung an den Saarstauhaltungen und eine Methanfreisetzung von schätzungsweise 300 kg pro Tag würde eine Last an CO2-Äquivalenten von einigen Gramm pro kWh ergeben. Kohlekraftwerke würden demgegenüber bei einigen 100 g an CO2-Äquivalenten pro kWh liegen. Die Hoffnung, dass es sich bei den Messungen an der Saar um untypische Einzelfälle (siehe RUNDBR. 1008/2) handele, könne man zwar haben - letztlich lasse sich dies Annahme aber nur verifizieren, wenn man in den Stauhaltungen anderer Flüsse ähnliche Untersuchungen wie an der Saar durchführen würde.

Die Wasserkraft und die "Kultfische"

Prof. Dr. MICHAEL REINHARDT, Universität Trier, nahm in seinem Vortrag zu den "Wasserrechtliche(n) Anforderungen der Wasserkraftnutzung" Stellung. Mit dem Hinweis "Wenn Sie im Hinblick auf Mindestwasserführung, Fischschutz und Wasserkraftnutzung ins WHG - also in die §§ 33 bis 35 - reinschauen, sind sie genau so schlau, wie wenn Sie nicht reingeschaut hätten", sorgte der Referent für Erstaunen und Amüsement im Publikum. REINHARDT fügte hinzu, dass es auf das untergesetzliche Regelwerk ankomme - insbesondere auf die Oberflächengewässerverordnung von 2011. Aber auch diese Verordnung würde im Einzelfall zu Rätselraten führen. Der im strittigen Gesetzgebungsverfahren gefundene Kompromiss des § 35 WHG sei "symbolische Gesetzgebung", die allenfalls der Sensibilisierung der Behörden dienen könne: "Ihr sollt bei der Genehmigung von Wasserkraftnutzungen auch auf den Fischschutz achten!" Bemerkenswert sei, dass die EU-Kommission in ihren Verlautbarungen zur Umsetzung der WRRL neuerdings nicht mehr auf die Gesamtheit der Fischarten abhebe, sondern nur noch auf die "Kultfische" - wie Lachs und Stör.

Wasserrecht: Stuttgart will Wasserkraft aktiv fördern

Gefragt wurde der Wasserjurist, ob man zum Schutz der Fische in turbinengestützen Wasserkraftanlagen auch Art. 20 a GG heranziehen könne - also die Verankerung des "Tierschutzes" als Staatsziel. REINHARDT würde eher das Tierschutzgesetz bemühen, denn im Tierschutzgesetz gehe es um das einzelne Tier - im § 35 WHG geht es demgegenüber "nur" um den Erhalt des Bestands. Einen absoluten Tierschutz wolle § 35 WHG gerade nicht gewährleisten. Im Übrigen habe der Bundesgesetzgeber die Details zur Zulassung von Wasserkraftanlagen an die Bundesländer delegiert. REINHARDT sprach in diesem Zusammenhang § 24 neu der geplanten Novelle des baden-württembergischen Landeswassergesetzes an. In der geplanten Neufassung heißt es:

"(1) Die Wasserkraft soll im Interesse des Klimaschutzes und der Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien genutzt werden. Eine Wasserkraftnutzung soll im Rahmen des Bewirtschaftungsermessens nach § 12 Absatz 2 WHG zugelassen werden, wenn kein Versagungsgrund nach § 12 Absatz 1 WHG vorliegt."

Mit dem Aufruf "soll" bekenne sich die grün-rote Landesregierung zu einer aktiven Förderung der Wasserkraftnutzung. Den Genehmigungsbehörden in Baden-Württemberg stehe damit nach Einschätzung von REINHARDT kaum noch ein Ermessensspielraum zu Verfügung.

Im Hinblick auf § 35 (2) des Wasserhaushaltsgesetze (WHG) führte REINHARDT weiter aus, dass Bestandsanlagen in angemessener Frist auf die neuen Standards gebracht werden müssten - aber: "Was angemessen ist, weiß keiner." Das müsse jeweils im Einzelfall ergründet werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Anlagenbetreiber Vertrauensschutz genieße - übrigens auch im Hinblick auf die EEG-Vergütung.

Wasserkraftabgabe: Linke Tasche, rechte Tasche?

Bei den derzeitigen Überlegungen zu einer Neufassung der bundesdeutschen Wasserabgaben werde die Wasserkraftnutzung nach Meinung von REINHARD seitens der Ökonomen widersprüchlich eingestuft: Einerseits positiv wegen der regenerativen CO2-freien Stromgewinnung - andererseits negativ wegen der Schädigung der Gewässerbiozönosen und -habitate. Es sei somit in der Diskussion, der bisherigen EEG-Förderung eine Wasserkraftnutzungsabgabe gegenüber zu stellen. Dies habe den zweifelhaften "Vorteil" dass die EEG-Förderung von den Netzbetreibern an die Stromkunden weitergegeben wird - während die Wasserkraftabgabe vom Staat vereinnahmt würde - "für den Staat eine prima Einnahmequelle", so die ironische Schlussfolgerung des Wasserrechtlers.

Wasserkraft als "grüngewaschener Schwindel"

Gar nicht gut weg kommt die weiter oben genannte Wasserkraftgewinnung auch in der druckfrischen Broschüre "Fließgewässer, Staustufen und das Märchen vom Ökostrom aus Wasserkraft". Die Vereinigung "Altlantischer Lachs" betont in ihrer neuen Broschüre:

"Die Verwendung des Begriffs ,grüner` Strom und die Zertifizierung als ,Ökostrom` sind irreführend, da hier mit angeblich vorteilhaften Eigenschaften hinsichtlich der Umweltverträglichkeit geworben wird und der Verbraucher getäuscht wird" (siehe zum Inhalt der Brosch. nachfolgenden Kasten). Als Konsequenz ihrer Einschätzung fordern die Autoren der Broschüre den "Abbau aller Kleinwasserkraftanlagen (kleiner 1MW) und das Ausweisen von Projektgewässern", die völlig frei von Wasserkraftanlagen bleiben sollten. Bei der minimalen Bedeutung der Kleinwasserkraftnutzung an der Strombereitstellung in Deutschland einerseits und der schwerwiegenden Schädigungen der Gewässerökologie erscheint den Autoren ein Verzicht auf die Kleinwasserkraftnutzung als geboten. Wenn - erwartungsgemäß - ein Abriss der Kleinwasserkraftanlagen politisch nicht durchsetzbar sei, "sollte für derartige Anlagen wenigstens eine Nachrüstung mit Fischaufstiegs- und Fischabstiegsanlagen nach dem aktuellen Stand der Technik gefordert werden".

"Strom aus Wasserkraft kann kein grüner Strom sein,

  • weil Fließgewässer zerstört werden und ein starker Artenverlust die Folge ist,
  • weil Flussauen und Altarme trocken fallen und die Lebensräume veröden,
  • weil Wasserkraftwerke unüberwindbare Hindernisse für Fische darstellen,
  • weil abwandernde Fische durch Turbinen geschreddert werden,
  • weil in Staubereichen klimaschädliche Gase entstehen, die erheblich zur Erderwärmung beitragen,
  • weil der Gewässergrund verschlammt und die Fähigkeit zur Selbstreinigung des Gewässers schwindet,
  • weil in der Stauhaltung Überdüngung und Sauerstoffmangel drohen,
  • weil die Erzeugung von Energie aus Wasserkraft gegen das Umweltrecht der EG verstößt".

In der Broschüre wird vorgeschlagen, die durch den Abbau der Anlagen fehlende Energiemenge "durch Energieeinsparung, aus Sonnenlicht, Wind oder Biogas, kompensiert werden" - eine Forderung die wiederum bei Gegnern der Windkraft und des Energiepflanzenanbaus keine Begeisterung auslösen dürfte. Die 32seitige, schick gestylte und reich bebilderte A4-Broschüre (mit einem Anhang zu den einschlägigen Paragraphen aus der Wasser- und Naturschutzgesetzgebung) besticht u.a. mit ihren akkuraten Schemazeichnungen. Die Vereinigung ist unterhalb einer Talsperre im Sauerland auch praktisch tätig. Dort werden nämlich Tausende von kleinen Lachsen hochgepäppelt, um sie anschließend in den nordrhein-westfälischen Lachsprogrammgewässern auszusetzen.

Der Atlantische Lachs - Vereinigung zur Förderung des Lachses, seiner Lebensräume, seiner ökologischen und sozioökonomischen Bedeutung e.V.
Dr. Rainer Hagemeyer, Vorsitzender
Stauseebogen 23
45259 Essen
E-Mail: info[at]lachsverein.de
Internet: www.lachsverein.de

Download-Adresse für die Broschüre:
www.lachsverein.de/lachsrueckkehr_broschuere/index.html

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1022
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2013