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WALD/165: Hambacher Forst - Appelle an Staat und Politik ... (Bündis Initiative Friedensplan)


Initiative Bündnis Friedensplan - 15. September 2016

Offener Brief der Initiative Bündnis Friedensplan aus dem Rheinischen Revier zur Realisierung der Klimaschutzziele und zum Erhalt des Hambacher Waldes


Seit dem 22.03.2016 laufen die Bemühungen des Bündnis Initiative Friedensplan zu Sondierungsgesprächen unter dem Titel "Voraussetzungen für Sondierungsgespräche für einen Friedensplan für den Hambacher Forst im Rheinischen Braunkohlenrevier". Im Wesentlichen geht es diesem breiten gesellschaftlichen Bündnis um den Erhalt der Reste des Hambacher Waldes und die Befriedung der angespannten Situation vor Ort.

Bedauerlicherweise standen bislang trotz aller Bemühungen seitens der Initiative Bündnis Friedensplan die Verantwortlichen bei der RWE Power AG, der Vorstandsvorsitzende der RWE Power AG Herr Matthias Hartung und der damalige Vorstandsvorsitzende der RWE AG Peter Terium, nicht für Gespräche zur Verfügung. Allerdings ist seit Juni 2016 ein wenig Bewegung auf anderen Ebenen zu beobachten und wir versuchen weiterhin mit RWE ins Gespräch zu kommen.

Aufgrund der Tatsache, dass bereits am 1. Oktober diesen Jahres die nächste Rodungssaison beginnt und der Konzern RWE Power AG mit weiteren Rodungsarbeiten und Eingriffen wie z.B. Untersuchungsbohrungen und der Einrichtung von Grundwassermessstellen dem verbliebenen schützens- und erhaltenswerten Rest des Waldes südlich der A 4 alt den Todesstoß versetzen will, konnten wir nicht auf Gespräche mit vagem Ausgang warten. Deshalb haben wir weitere Konzepte zur Rettung des Waldes entwickelt. Zu diesen Ideen zählen der Rückkauf des Waldes und angrenzender Flächen sowie die Projektskizze A 4alt_Rote Linie: ein Projektszenario mit Ideen einer positiven Gestaltung der geretteten Flächen und ihrer Weiterentwicklung. Dieses Szenario könnte ein Leuchtturmprojekt der beteiligten öffentlichen und privaten Hand darstellen. Es ist landesweit ohne Beispiel und bietet die Möglichkeit durch Verzicht auf weiteren Braunkohleabbau ein begrenztes Gebiet sozial, politisch, kulturell, ökologisch und ökonomisch neu zu entwickeln. Auch der Realisierung der landes- und bundesweiten Klimaziele käme man durch die Nichtinanspruchnahme dieser Flächen durch den Braunkohlentagebau näher.

Daher haben wir als "Initiative Friedensplan" in einem offenen Brief am 9. September 2016 die Ministerpräsidentin des Landes NRW Frau Hannelore Kraft, Frau Ministerin Barbara Hendricks und Herrn Minister Gabriel angeschrieben und um ihre Gesprächsbereitschaft und Unterstützung gebeten.


OFFENER BRIEF

9.9.2016

Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
Frau Ministerin Barbara Hendricks,
Herrn Minister Sigmar Gabriel

Nachrichtlich
Fraktionsvorsitzende im Bundestag und im Landtag NRW
Bundestags- und Landtagsabgeordnete aus den Kreis Rhein-Erft, Euskirchen, Düren

Offener Brief der Initiative Bündnis Friedensplan aus dem Rheinischen Revier zur Realisierung der Klimaschutzziele und zum Erhalt des Hambacher Waldes

Sehr geehrte Frau Kraft,
sehr geehrte Frau Hendricks,
sehr geehrter Herr Gabriel,

im Herbst des vergangenen Jahres wurde beim Klimagipfel in Paris in großer Einmütigkeit ein Klimaabkommen beschlossen. Damit verpflichtet sich Deutschland zu gravierenden CO2 Einsparungen. Wir leben hier im Rheinischen Revier in einer Braunkohleregion, die nach Beschlüssen aus den 70er Jahren heute deutliche Überkapazitäten aufweist. Deren weitere subventionierte Förderung steht diametral den Klimaschutzzielen entgegen.

Der Konzern RWE verhandelt bereits mit Ihnen über weitere Subventionen, weil schon jetzt jede Tonne geförderte Braunkohle und deren Verstromung zu einem Defizit führt.

Sollte der bisher gültige Braunkohleplan für den Tagebau Hambach bis zum bitteren Ende umgesetzt werden, würde das auch für den letzten verbliebenen Rest des Hambacher Forstes das AUS bedeuten. Es handelt sich dabei um die letzten knapp 20% eines seit der Steinzeit bestehenden Waldgebietes (FFH-Lebensraum 9160 Stieleichen-Hainbuchenwald) von einzigartiger ökologischer Bedeutung. Verschiedene gesellschaftliche Gruppen setzen sich seit Jahren für den Erhalt dieses Waldgebietes ein, welches vom Land NRW bzw. der Bundesrepublik unter Verstoß gegen die Vorgaben der FFH-Richtlinien nicht zur Aufnahme in das Schutzgebiet Natura 2000 an die EU-Kommission gemeldet wurde.

Energiepolitisch kann auf den Abbau dieses letzten Teils der Hambacher Kohle verzichtet werden. Mit den angrenzenden Tagebauen Inden und Garzweiler II ist die Versorgung für die nächsten 20 Jahre gesichert. Wenn das Land NRW und die Bundesrepublik die Klimaziele noch realisieren wollen, so dürfen nach einer Studie [1] aus dem Frühjahr 2015 zwischen 1,4 bis 2,5 Mrd. Tonnen Braunkohle im Rheinischen Revier nicht mehr gefördert werden. Beim 95%-Ziel THG-Reduktion bis 2050 dürften, bezogen auf den Tagebau Hambach, nur noch 200 Mio. t Braunkohle gefördert werden, was bei einer Fördermenge von 40 Mio. t/Jahr bedeutet, dass die Förderung 2020 eingestellt werden müsste. Der Think Tank Agora stellte in einer Studie [2] fest, dass die Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier im Vergleich zu den Anlagen in anderen Revieren bereits verhältnismäßig alt sind. Ein mögliches Szenario wäre, dass bis 2025 von den insgesamt 20 Braunkohle-Kraftwerksblöcken im Rheinischen Revier 17 stillgelegt (weil durchschnittlich im Jahr 2015 41,5 Jahre alt) werden. Fünf werden bereits 2017 bzw. 2018 in die Sicherheitsbereitschaft überführt. In der Diskussion um Arbeitsplätze muss berücksichtigt werden, dass aufgrund der Altersstruktur der Belegschaft sozialverträgliche Lösungen möglich sind.

Wir möchten mit Ihnen ins Gespräch kommen über eine politische Lösung für diese Situation, die beinhalten kann, das Waldgebiet und die angrenzenden Flächen von RWE zurück zu kaufen. Es handelt sich um eine Fläche, die kleiner ist als die, um die der Tagebau Garzweiler verkleinert wurde. Dadurch würde ein fairer Interessensausgleich zwischen den betroffenen Revieren geschaffen, und die mit der Leitentscheidung geschaffene offenkundige Ungleichbehandlung betroffener Bürgerinnen relativiert.

RWE würde dies die wirtschaftliche Gestaltung des Rückzugs aus der Braunkohle erleichtern, den betroffenen Kommunen neue Entwicklungsräume schaffen und insgesamt ein bisher nie dagewesenes Leuchtturmprojekt für die Landesentwicklung darstellen. In der Region existieren bereits konkrete Projektideen, mit denen das gerettete Land und der Wald im Sinne einer positiven Gestaltung auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll entwickelt werden könnte.

Aus unserer Sicht wäre ein erster wichtiger Schritt ein einjähriges Moratorium, eine Denkpause, während der alle Baumfällarbeiten und weitere Eingriffe zum Schutze des letzten Restes des Hambacher Waldes unterbleiben.

Wir bitten Sie inständig, uns bei unseren Bemühungen um eine Lösung des Konflikts zwischen Natur- bzw. Menschenschutz und Wirtschaftsinteressen und zum Schutz des sozialen Friedens in der Region zu unterstützen.

In Erwartung Ihrer Antwort und mit freundlichen Grüßen,

Gerhard Kern
für das Bündnis "Initiative Friedensplan"


Anmerkungen:
[1] Öko-Institut (2015): Braunkohleausstieg NRW, Welche Abbaumengen sind energiewirtschaftlich notwendig und klimapolitisch möglich?
[2] Agora Energiewende (2016): Was bedeuten Deutschlands Klimaschutzziele für die Braunkohleregionen?

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Quelle:
Initiative Bündnis Friedensplan
c/o Initiative Buirer für Buir, Kerpen-Buir
E-Mail: info@buirerfuerbuir.de
Internet: www.buirerfuerbuir.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2016

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