Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → TICKER


ATOM/080: Halbwertzeit - pfusch und lau ... (Initiative Brokdorf-akut)


Initiative Brokdorf-akut - Presseerklärung vom 21. Februar 2017

Die Initiative Brokdorf-akut erhebt schwere Vorwürfe


Die Initiative Brokdorf-akut erhebt schwere Vorwürfe gegen

  • Preußen Elektra, die den Reaktor in Brokdorf im nicht genehmigten Bereich gefahren hat
  • den Gutachter TSN, der die Ermittlung der zu erwartenden Oxidschichtdicken nicht korrekt durchgeführt hat bzw. nicht die richtigen Schlüsse daraus gezogen hat
  • die Atomaufsichtsbehörde, die ihren Kontrollpflichten nicht nachgekommen ist

DAS VERTRAUEN IN DIE ZUVERLÄSSIGKEIT DER DEUTSCHEN ATOMKRAFTWERKE HAT EINEN WEITEREN STOSS ERHALTEN

Der Betrieb des AKW Brokdorf ist mit einer umfangsgemittelten Oxidschichtdicke von 0.1 Millimeter ( = 100 µm) und einer maximalen Oxidschicht von 0.13 Millimeter gestattet. Beide Grenzwerte wurden überschritten. Die Wandstärke der Hüllrohre, in denen sich der Brennstoff befindet, sind ca. 0.7 mm dick. Je stärker sie durch die Bildung von Oxiden (Rost bei Eisen vergleichbar) geschwächt werden, umso größer ist die Gefahr, dass die Brennstofftabletten und die erzeugten Spaltprodukte aus dem Hüllrohr fallen und (besonders bei Störfällen) zu einer Strahlengefahr in der Umgebung führen.

Der Betreiber hat die Zusammensetzung des Kühlmittels regelmäßig daraufhin zu prüfen, ob sich Fremdstoffe im Kühlmittel befinden. Preußen Elektra hat die dramatische Zunahme der von den Hüllrohren stammenden Partikel nicht durch das Abfahren des Reaktors gestoppt. Über den (finanziellen) Grund zu Lasten der Gesundheit der Anwohner wollen wir nicht spekulieren.

Schon nach dem Öffnen des Reaktordruckbehälters bei der diesjährigen Revision (ca. 3 bis 4 Tage nach dem Runterfahren des AKW am 4.2. - der Tag der Öffnung wurde den Anwohnern wieder nicht mitgeteilt) musste dem Betreiber die auffällige Färbung des Kühlwassers auffallen. Schon dann wäre eine Eilmeldung an die Atomaufsicht Pflicht gewesen. Die Meldung erfolgte - nach Angaben der Atomaufsicht - erst am 19.2.

Bei der Schadensanalyse muss zunächst ermittelt werden, ob es sich um die gleichen Brennelementtypen handelt wie im schweizerischen AKW Leibstadt, das wegen ähnlicher Befunde ca. 6 Monate vom Netz blieb. Die auffälligen Brennelemente waren nur während 2 Betriebszyklen eingesetzt. Deshalb muss betrachtet werden, ob die Oxidschichtdicke schon im 1. Zyklus schnell anwuchs oder erst im 2. Zyklus. Bei letzterem muss sich der Betreiber fragen lassen, ob die Fahrweise mit erheblich abgesenktem Borsäuregehalt im Kühlwasser zu dem Anstieg der Oxidschichtdicke geführt hat.

Der Gutachter hat Rechnungen durchzuführen, ob im folgenden Zyklus ein Überschreiten der Oxidschichtdicke von 0.07 Millimeter zu erwarten ist. Dann hätten die Brennelemente nicht eingesetzt werden dürfen. Sollten diese Rechnungen und Vergleiche mit der gemessenen Oxidschichtdicke durchgeführt worden sein und für den 1. Zyklus keine Auffälligkeiten ergeben haben, stellt das Anwachsen der Oxidschichtdicke in einem nur sieben Monate dauernden Zyklus die Vorkehrungen, um genau das zu verhindern, in Frage.

Die Atomaufsicht hat die späte Meldung mit keinem Wort gerügt. Wir fordern den Minister auf, die Wiederanfahrgenehmigung erst (wenn überhaupt) zu erteilen, wenn die Ursachen lückenlos aufgeklärt sind. Eine sorgfältige Reinigung des Kühlmittelkreislaufs ist durchzuführen. Sollte der Betreiber mit seinem Handeln gegen die Betriebsgenehmigung verstoßen haben, ist er von der Atomaufsicht dafür zur Verantwortung zu ziehen. Zusätzlich behalten wir uns entsprechende Schritte vor.

Die Initiative Brokdorf-akut fordert, bei der Ursachenklärung und -beseitigung als Berater und Ideengeber beteiligt zu werden. Wir können uns auf die Kontrollorgane nicht mehr verlassen.

Wir fordern den Minister zusätzlich auf, endlich auf die Klagebegründung zum Abschalten des AKW Brokdorf wegen Sicherheitsmängeln zu reagieren und seine Klageerwiderung beim Oberverwaltungsgericht einzureichen.

Eilhard Stelzner
Karsten Hinrichsen

*

Quelle:
Presseerklärung vom 21. Februar 2017
Initiative Brokdorf-akut
c/o Karsten Hinrichsen


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang