Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → REPORT

INTERVIEW/004: Klima, Aerosole - Claudia Timmreck, Max-Planck-Institut für Meteorologie (SB)


Dr. Claudia Timmreck - Foto: © 2011 by Schattenblick

Dr. Claudia Timmreck
Foto: © 2011 by Schattenblick

Interview mit Dr. Claudia Timmreck vom Max-Planck-Institut für Meteorologie am 11. August 2011 in Hamburg

Seit Alexander von Humboldt ausgedehnte Forschungsreisen in alle Welt unternahm und davon umfangreiche handschriftliche Aufzeichnungen mit nach Hause brachte, haben sich die Mittel und Methoden der Naturforschung mehr als nur ein bißchen gewandelt. Heute stellt der Computer ein unverzichtbares Werkzeug des Erkenntnisgewinns dar. Die Ergebnisse unzähliger Rechenoperationen, aufbereitet von Sachverstand, bilden die Grundlage für viele Konzepte, Modelle und Theorien der neuzeitlichen Naturwissenschaft.

Auf der internationalen Konferenz; "Severe Atmospheric Aerosol Events" am 11./12. August in Hamburg stellte die Klimaforscherin Dr. Claudia Timmreck vom Max-Planck-Institut für Meteorologie die Ergebnisse ihrer - nicht zuletzt computergenerierten - Erkenntnisse zum Ausbruch des Vulkans Toba vor rund 74.000 Jahren vor. Im Anschluß an ihren Vortrag "Climate impact of the young Toba tuff eruption" (Klimaeinfluß des jüngeren Toba-Tuff-Ausbruchs) stellte sich die Referentin dem Schattenblick für einige Fragen zur Verfügung.

Zum besseren Verständnis des Sachverhalts empfehlen wir die Lektüre BERICHT/006: Klima, Aerosole - Schadensträger im Fadenkreuz, Teil 3 (SB) unter UMWELT -> REPORT -> BERICHT.


*


SB: Sie schilderten vorhin in Ihrem Vortrag, daß der Toba-Ausbruch vermutlich schon auf eine Klimaveränderung aufgesetzt hat und daß deswegen der Abkühlungseffekt durch den Vulkan nicht so groß gewesen sein muß?

Claudia Timmreck: Ja, wenn man sich die Übergangsphase zwischen den Dansgaard-Oeschger-Events anschaut, dann sieht man einen lang anhaltenden Kältetrend. Nun besteht die Frage, ob der Toba-Ausbruch am Beginn des Kältetrends stattfand und diesen eingeleitet hat, ob er sich zwischendurch ereignete und den Trend verstärkte oder ob er sogar am Ende des Kältetrends auftrat, worauf einer der Datensätze deutet. Natürlich fand damals eine Abkühlung statt, aber da gibt es zum gleichen Zeitpunkt einen länger anhaltenden, tausend Jahre währenden Kältetrend. Deshalb ist es nun mal schwierig zu sagen, wo genau Toba anzusiedeln sei. Man hat eine Spanne von plus minus 2000, 3000 Jahren, aber das reicht in diesem Fall nicht, weil gerade da ein scharfer Übergang zu erkennen ist.

SB: Ist das im Moment die Grenze, das genauer bestimmen zu können? Wird darum gerungen, das noch stärker zu differenzieren?

CT: Es ist schon ein bißchen die Grenze, muß man sagen. Asche vom Toba-Ausbruch wurde bislang noch nicht zweifelsfrei in den Eisbohrkernen nachgewiesen. Wenn das gelänge, würde das vielleicht bei der Datierung von Toba helfen. In anderen Fällen dagegen kommt es schon vor, daß man eine bestimmte Zusammensetzung hat, von der unzweifelhaft gesagt werden kann, daß sie von der Eruption eines bestimmten Vulkans zu einem bestimmten Zeitpunkt stammt. Aber für Toba gilt das noch nicht. Da gibt es jene Schwefel-Peaks, die auf diesen Vulkanausbruch zurückgeführt werden könnten. Die wurden allerdings bis jetzt nur in der Nordhemisphäre nachgewiesen und könnten genausogut von einer großen isländischen Eruption stammen.

Andererseits findet man auf dem indischen Subkontinent mächtige Toba-Ascheschichten. Die wurden sehr gut dokumentiert - natürlich immer nur an bestimmten Stellen -, aber es gibt dazu viele Arbeiten. Außerdem wurden einige marine Sedimentkerne gezogen. Die benutzt man dann zu Bestimmungen wie "vor Toba" oder "nach Toba". Aber wo nun genau Toba stattfand, das ist wieder das schwierige, auch angesichts der Hintergrundbedingungen. Was ich präsentiert habe, ist ja mehr oder weniger eine Sensitivitätsstudie. Da bestehen so viele Unsicherheiten, daß man nur von Abschätzungen sprechen kann.

SB: Es tauchte eben auch die Grundsatzfrage nach der Modellbildung auf. Da klang ein bißchen die Frage nach der Relevanz des Modells hindurch.

CT: Ja, aber unser Modell ist schon sehr gut validiert. Wir haben es in einer besser aufgelösten Form angewendet und damit Klimaläufe für das letzte Jahrtausend gerechnet und haben damit Episoden validiert. Es kam natürlich vor allem die kritische Anmerkung von Stanley Ambrose, der die Bottleneck-Theorie vertritt und unseren Ergebnissen gegenüber eher kritisch eingestellt ist. Ich kann nur sagen: Meine Modellergebnisse zeigen das so. Ich vertraue da auch meinem Modell. Ob es sich nun um eine Abkühlung von 3,5 oder 3,6 Grad handelt, ist eine andere Frage, darüber braucht man sich nicht zu streiten.

Aber vielleicht spielen andere Effekte mit hinein. Wir haben möglicherweise noch nicht alle Aspekte in unsere Berechnungen hineingenommen. Wir sind inzwischen einen Schritt weiter, indem wir die Größenverteilung der Aerosole berechnen, aber wir haben zum Beispiel noch nicht die Effekte der Atmosphärenchemie berücksichtigt. Denkbar wäre es, daß Halogene wie Chlor und Fluor eine verätzende Wirkung entfalten und daß das dann einen Einfluß auf das System ausübt. In unserem Modell wurde noch nicht berücksichtigt, was passiert, wenn die Asche ins Wasser fällt. Das würde dann ungenießbar. Selbstverständlich könnte kein Leben bestehen, wenn in bestimmten Gegenden die Ascheschicht zehn Meter dick ist. Aber es kann natürlich sein, daß in einem Gebiet viel Asche herunterkommt und in einem anderen gar keine.

SB: Wie deuten Sie die Funde von Kulturgegenständen in Indien, die genau unterhalb und oberhalb der Toba-Ascheschicht gefunden wurden und auf eine Kontinuität der Besiedlung schließen lassen?

CT: Das ist eine Theorie von Michael Petraglia, gegen die dann Ambrose wiederum ist. Das wird im Moment groß diskutiert. Ich komme von der Klimaforschung, und meine Ergebnisse würden im Moment die Theorie von Petraglia unterstützen. Aber, wie gesagt, ich habe nicht alle Effekte in meinem Modell. Ich will nicht ausschließen, daß noch andere Effekte eine Rolle spielen. Das ist eine Frage, mit der wir uns wohl noch die nächsten Jahre werden beschäftigen müssen. Das ist wichtig, denn irgendwie darf die Arbeit ja auch nicht ausgehen (lacht). Aber nein, das ist wirklich eine spannende Fragestellung.

SB: Stellt sich nicht auch die Frage, welche Relevanz eine bessere Modellbildung bei der Klärung der Unsicherheit für die heutige Zeit hat? Wenn man nun fragte, was heute bei einem Supervulkanausbruch passieren würde. Dürfte es da nicht sehr schwerfallen, das zu bestimmen in Anbetracht der unsicheren Datenlage aus der Vergangenheit?

Dr. Claudia Timmreck - Foto: © 2011 by Schattenblick

Klare Worte für komplizierte
Berechnungen
Foto: © 2011 by Schattenblick
CT: Ja, aber wir versuchen, die Modelle mit den Ausbrüchen des Vulkans Pinatubo und Tambora zu validieren, und stellen fest, daß das schon relativ gut paßt. Je weiter man in die Vergangenheit zurückgeht, desto schwieriger wird es. Pinatubo ist in diesem Sinne ein super Naturexperiment, weil wir da schon eine relativ gute Datenmenge zur Verfügung haben. Aber man findet zum Beispiel in den Gesteinsproben relativ wenig Schwefel vom Pinatubo, so daß man meinen könnte, er hätte kaum Schwefel ausgeworfen. In den Satellitenbildern kann man ihn jedoch erkennen.

Man greift also am besten auf verschiedene Messungen zurück. Bei Vulkanausbrüchen in der Erdgeschichte ist man natürlich auf Proxidaten und somit Rekonstruktionen angewiesen. Da stellt sich immer die Frage, ob die nur lokal relevant sind. Wie gesagt, je weiter man in der Zeit zurückgeht, desto schlechter wird die Auflösung. Da kann es regelrechte Verschiebungen in den Eisbohrkernen geben und die Daten verändern. Wenn man nun eine Zeitauflösung von 2000 oder 3000 Jahren hat, dann sieht man natürlich Effekte von 20, 30 Jahren nicht besonders gut.

SB: Kann man eigentlich irgend etwas gegen Vulkanausbrüche machen?

CT: Eigentlich kann man gar nichts gegen Vulkanausbrüche machen. Man kann versuchen, sie zu verstehen, und Katastrophenszenarien entwickeln. Nehmen Sie beispielsweise ein sehr realistisches Szenario: Der Vesuv bricht mal wieder aus. Dann hat Neapel ein echtes Problem. Oder Seattle, das in der Nähe des Mount Rainier liegt. Solche Vulkane schlafen manchmal, plötzlich wachen sie auf. Der Mount St. Helens ist so ein Beispiel. Die großen Städte haben ein Evakuierungsproblem und müssen ein gut durchstrukturiertes Szenario entwerfen, um sich auf den Ernstfall vorzubereiten.

Vulkanologen stehen allerdings vor der Entscheidung, ob sie aufgrund von Anzeichen eines Ausbruchs zur Evakuierung aufrufen oder nicht. Das ist natürlich eine riesengroße Verantwortung. Wenn sie sagen, jetzt passiert was, und es passiert nichts, stehen sie dumm da, und wenn sie zu spät warnen, ebenfalls. Das ist ein Job, den ich absolut nicht machen möchte! Mit einer gewissen Unsicherheit kann man auch Vorhersagen über die Richtung und Höhe einer Aschewolke treffen und die Luftfahrt warnen, so daß die Flugzeuge die gefährlichen Bereiche umkreisen können.

SB: Im Zusammenhang mit dem Flugverbot aufgrund des Ausbruchs des Eyjafjallajökull auf Island im vergangenen Jahr wurde kritisiert, daß die Daten, auf deren Grundlage das Verbot ausgesprochen wurde, nur von einer einzigen Forschungstelle in Großbritannien kamen.

CT: Ja, da tut sich einiges zur Zeit, unter anderem bei der Europäischen Kommission. Wichtig scheint mir, daß die Forschung finanziert wird, um das Verfahren zu optimieren, so daß zukünftig nicht der ganze Flugverkehr lahmgelegt wird, sondern vielleicht nur bestimmte Routen. Daß man beispielsweise sagen kann, okay, die Asche kommt jetzt nicht über Norwegen, dann können die Flüge über Norwegen gehen. Aber mehr machen kann man natürlich nicht.

SB: Frau Timmreck, vielen Dank für die Erläuterungen.


*


Hinweis:
Neben den Interviews mit Referentinnen und Referenten des Aerosolkonferenz in Hamburg finden Sie unsere fortgesetzte Berichterstattung unter UMWELT -> REPORT -> BERICHT.

25. August 2011