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BERICHT/096: Welt ohne Hunger - Placebo ... (SB)


Internationale Abschlußkonferenz der Welthungerhilfe am 4. Februar 2015 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin

Hungerbekämpfung durch die "New Alliance" der G7/G8-Staaten - alter Wein in neuen Schläuchen


Eine Beendigung des Hungers in der Welt wird nur möglich sein, wenn man die Fähigkeit der Kleinbauern zur Selbstversorgung stärker unterstützt, da unter ihnen der Mangel am verbreitetsten ist, sie aber rund 80 Prozent der Nahrungsmittel in den ärmeren Ländern erzeugen. Wohingegen der primäre Blick auf die Steigerung der Produktivität der Bauern und ihre Anbindung an den Weltmarkt wenig hilfreich ist, lautete die verbreitete Einschätzung unter den rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz "Setting the Course for a World without Hunger - North-South Dialogue on the Role of the G7", die die Welthungerhilfe mit ihrem Projekt POWA [1] am 4. Februar in Berlin veranstaltet hat.


Stehend im Gespräch - Foto: © 2015 by Schattenblick

Begrüßung vor Beginn der Konferenz (von links nach rechts): Bärbel Dieckmann (Präsidentin der Welthungerhilfe), Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestags, CDU), Dr. Gerd Müller (Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, CSU) und Gerda Verburg (Vorsitzende des Committee on World Food Security in Rom)
Foto: © 2015 by Schattenblick

Dort wurde das "Berlin Memorandum" mit Vorschlägen an die Bundesregierung, die derzeit den G7-Vorsitz innehat, zur Beseitigung des Hungers bis zum Jahr 2030 präsentiert und diskutiert. In den Redebeiträgen wurde deutliche Kritik an der bisherigen Politik der G7-Staaten geäußert. Hatten die führenden Wirtschaftsnationen bei ihrem Gipfeltreffen 2009 im italienischen l'Aquila durch die Zusage, in den nächsten drei Jahren mindestens 20 Mrd. Dollar in die Bekämpfung von Hunger und Armut zu stecken, noch die Hoffnung geweckt, daß sie einen Kurswechsel vollziehen und endlich ein viel zu lange vernachlässigtes Problem aufgreifen, zeichnete sich bei der auf dem G8-Gipfel im Juli 2012 von US-Präsident Barack Obama initiierten "New Alliance for Food Security and Nutrition in Africa" (kurz: New Alliance) sehr klar ab, daß die Regierungen weiter an ihrer Politik der Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung festhalten, also eine Art Subventionierung der eigenen Wirtschaft betreiben.

Aus diesem Anlaß werfen wir im folgenden einen näheren Blick auf die l'Aquila-Initiative und die daraus abgeleitete New Alliance, um vor diesem Hintergrund das Berlin Memorandum einer abschließenden Bewertung zu unterziehen.

Bei verschiedenen Gelegenheiten war auf der Konferenz der Welthungerhilfe zu hören, daß die Beschlüsse von l'Aquila zumindest ein guter Anfang gewesen seien, aber daß die New Alliance ganz und gar abzulehnen sei. Bei genauerem Blick auf die l'Aquila-Initiative indes zeigt sich, daß sich die Absichten schon damals in den Zielen niederschlugen und es vor allem die hohe Summe von über 20 Mrd. US-Dollar, die in die Hand genommen werden sollten, war, die Eindruck hinterließ - zumindest verglichen mit den Jahren zuvor. Allerdings hat sich drei Jahre nach dem Start der l'Aquila-Initiative herausgestellt, daß rund ein Drittel der zugesagten Summe kein "frisches" Geld, sondern schlicht von anderen Projekten umgewidmet worden war. Ein weiterer Teil war gar nicht erst eingesetzt worden.

So wohlfeil sich die Erklärungen der Staats- und Regierungschefs in der l'Aquila-Initiative auch ausnahmen, sie enthielten bereits die Ansätze dafür, was später dabei herauskommen sollte, nämlich ein Förderprogramm der eigenen Wirtschaft und der damit verbundenen Handelspartner. So richtet sich der Aufruf der Unterzeichner nicht nur an andere Staaten, sondern auch "an den Privatsektor", um eine "kohärente Herangehensweise" zu gewährleisten. Ausdrücklich werden PPPs, public-private partnerships, als Mittel der Wahl begrüßt. Nicht die Subsistenzfähigkeit der Kleinbauern sollte gestärkt werden, sondern ihre Produktivität, damit sie Zugang zu "Krediten und Märkten" erhalten. [2]

Ebenfalls in den letzten Jahren wurden weitere Entwicklungsprojekte und Initiativen angeschoben oder stärker finanziell unterfüttert als bisher. Neben der l'Aquila-Initiative und der New Alliance sind dies beispielsweise AGRA (The Alliance for a Green Revolution in Africa unter Federführung des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan), das vom Weltwirtschaftsforum angeschobene Projekt GROW Afrika, GAFSP (Global Agriculture and Food Security Programme, das 2009 von den G20 gründet wurde) und die "Wachstumskorridore" in mehreren afrikanischen Ländern. Dabei werden Agrounternehmen in großen, fruchtbaren Landflächen mit einer relativ guten Infrastrukturanbindung - Straßen, Schienen, Häfen - zum Abtransport der Produkte angesiedelt. All diese genannten und weitere hier nicht namentlich aufgeführte Initiativen und Programme sind untereinander verbunden und beziehen abgesehen von kommerziellen Unternehmen auch Stiftungen wie die Bill and Melinda Gates Foundation und die Rockefeller Foundation mit ein.

Wie um zu verdecken, daß bei der l'Aquila-Initiative viel heiße Luft produziert wurde, hat US-Präsident Barack Obama auf dem G8-Gipfel 2012 in Camp David einen noch größeren Ballon aufgeblasen, eben jene "New Alliance for Food Security and Nutrition in Africa". Durch sie sollen bis zum Jahr 2022 durch private Investitionen in die Landwirtschaft 50 Millionen Menschen aus der Armut geholt werden. Das ist in doppelter Hinsicht ein höchst problematisches Ziel. Zum einen leiden weltweit 805 Millionen Menschen regelmäßig an Hunger, weitere zwei Milliarden leben in Armut. Die entsprechenden Zahlen für Afrika fallen zwar geringer aus, doch ist klar, daß die aufgelegten Programme von vornherein nur einem Bruchteil der notleidenden Menschen zugutekommen sollen. Der größere "Rest" fällt somit aus der gezielten Förderung durch die wirtschaftliche Zusammenarbeit - so man überhaupt davon sprechen kann - heraus.

Zum anderen sagt die Absichtserklärung noch nichts darüber aus, nach welchen Kriterien und für welchen Zweck die zugesagten Finanzmittel investiert werden. Wie problematisch das ist, läßt sich durch eine starke Überzeichnung des Vergleichs vor Augen führen: Theoretisch hätten die 22 Mrd. Dollar auch für die Bewaffnung und Entsendung von Truppen zur Eroberung und Unterwerfung afrikanischer Staaten dienen und dennoch als Armutsbekämpfung ausgewiesen werden können, da man ja den zuvor als gegenüber der eigenen Kultur angeblich rückständigen Nationen Zivilisation und Fortschritt "schenkt".

Das hat die Neue Allianz zwar nicht behauptet, aber es sollte deutlich geworden sein, daß ein hoher Betrag allein noch nicht viel besagt und immer geschaut werden muß, wofür die Gelder letztendlich eingesetzt werden. So ist es kein Geheimnis, daß in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nach dem Ende der Kolonialzeit viele afrikanische Staaten in die Verschuldung getrieben wurden - selbstverständlich unter Beteiligung örtlicher Eliten, von denen manche davon nicht zu knapp profitiert haben -, so daß die Bevölkerungen bitter dafür bezahlen mußten und weiterhin müssen, um auch nur die Zinsen für die ursprünglichen Kredite begleichen zu können. Das hat sich negativ auf staatliche Programme zur Förderung der Gesundheits- und Bildungssysteme, der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln und der Landwirtschaft ausgewirkt.

Was auch beabsichtigt war, wie an den auf der gleichen Linie des Kontrollzuwachses liegenden Forderungen der internationalen Geldgeber an die afrikanischen Länder, sie hätten als Voraussetzung für Entschuldungsmaßnahmen, die Vergabe "günstiger" Kredite oder die Entgegennahme von Entwicklungs"hilfe" Strukturanpassungsmaßnahmen durchzuführen, abzulesen ist. Auf diese Weise wurde dafür gesorgt, daß das postkoloniale Afrika den alten und neu dazugekommenen Kolonialmächten weiterhin als Ressourcen- sowie Produktions- und Absatzraum dient.


Minister Müller spricht mit dem Botschafter Ecuadors, S. E. Jorge Jurado, mehrere Kameras erfassen die Szene - Foto: © 2015 by Schattenblick

Minister Müller (mit dem Rücken zur Kamera) begrüßt die
Vertreterinnen und Vertreter der Diplomatie
Foto: © 2015 by Schattenblick


Afrika als Expansionsraum der G7/G8 - die Landfrage

In einem Oxfam-Report vom 1. September 2014 wird in wenigen Sätzen die Entwicklung der Agrarpolitik bis in die Gegenwart hinein beschrieben:

"Nach Jahrzehnten unzureichender Investitionen in die Landwirtschaft suchen afrikanische Regierungen berechtigterweise nach Wegen, um mehr Mittel für den Sektor zu mobilisieren. Trotz der Bedeutung des Sektors haben internationale Geber die Landwirtschaft drei Jahrzehnte lang kaum gefördert. Der Agraranteil der Entwicklungshilfe für die Länder in Subsahara-Afrika fiel von rund 25 Prozent Ende der 1970er über 13 Prozent Mitte der 1990er bis auf weniger als fünf Prozent 2005-2006. Erst seit der globalen Nahrungsmittelpreiskrise 2007-2008 gibt es wieder einen leichten Aufwärtstrend." [3]

Von jenem "Aufwärtstrend" profitieren jedoch nicht die Kleinbauern. [4]

Inzwischen fördern die G7/G8-Staaten im Rahmen der New Alliance und anderen Initiativen verstärkt besonders große öffentlich-private Partnerschaften (engl. public-private partnerships, kurz PPPs) auf dem afrikanischen Kontinent zur Erschließung potentiellen Ackerlands. Darauf soll aber nicht Nahrung für die Hungernden produziert werden, sondern mehrheitlich "cash crops", für den Export bestimmte Agrarerzeugnisse. Marion Aberle, Entwicklungsexpertin der Welthungerhilfe, schrieb im Juni vergangenen Jahres: "Das von der New Alliance geförderte Agrarmodell der großflächigen Landwirtschaft trägt insbesondere in Staaten mit schwachen Strukturen häufig dazu bei, dass Kleinbauern ihr Land verlieren." [5]

Mehr als 100 kleinere und größere inner- und außerafrikanische Unternehmen, von denen die meisten entweder im Agrar- oder Finanzsektor beheimatet sind, haben sich der New Alliance angeschlossen. Da Privatunternehmen aus Existenzgründen immer darauf bedacht sein müssen, ihre Umsätze zu steigern und Profite zu erwirtschaften oder dies zumindest glaubhaft in Aussicht zu stellen, weckt ihre rege Beteiligung an der G7/G8-Initiative den Verdacht, daß hier einiges für sie zu holen ist, beispielsweise in Form von Subventionen oder der Öffnung von Absatzmärkten; auch gilt die potentielle Agrarfläche des afrikanischen Kontinents dem Finanzkapital als attraktive Wertanlage.

Die Liste der Unternehmen, die sich an der New Alliance beteiligen, spricht für sich, das heißt, sie spricht für die Absicht der Staats- und Regierungschefs der G7/G8-Staaten, mit der Entwicklungszusammenarbeit vornehmlich ihre eigene Wirtschaft zu subventionieren, anstatt wie behauptet mit der aufgewendeten Summe die Armut der Kleinbauern zu beheben. Zu den bekannteren Namen gehören Coca Cola, Syngenta, Bayer CropScience, Vodafone, der Düngemittelkonzern Yara International, PepsiCo, Cargill, DuPont, Monsanto, Unilever, Kraft Foods, Mars und Hershey's. Darüber hinaus ist auch eine Vielzahl von kleineren und größeren Firmen aus Afrika beteiligt, die wiederum Geschäftspartner von westlichen Unternehmen sind.

Zu den ersten Ländern, die für würdig befunden wurden, von der New Alliance unterstützt zu werden, zählten Äthiopien, Ghana und Tansania, zu den weiteren Mosambik, Elfenbeinküste und Burkina Faso. Hierbei handelt es sich um Länder, die sich einem "größeren Politikwandel" unterzogen haben, der "dem Privatsektor von Handel und Investitionen die Türen geöffnet hat, Eigentumsrechte gestärkt, Saatgutinvestitionen unterstützt und Handelsmöglichkeiten eröffnet hat", heißt es auf der von der US-Regierung geführten Website "Feed the Future", die quasi als offizielle Plattform für die New Alliance fungiert. [6]

Aus der Sicht der Kleinbauern dagegen liest sich die obige Passage so: Aus der Öffnung für den Privatsektor entstand das Phänomen des Landgrabbings, bei dem zahllose Kleinbauern ihr angestammtes, informelles Recht auf Landnutzung verloren haben und zugunsten eines Investors von ihrem Land vertrieben wurden. Mit der Stärkung der Eigentumsrechte wird der Landraub rechtlich noch stärker befestigt. Hinsichtlich der Handelsfrage läuft die Öffnung für den Privatsektor darauf hinaus, daß ausländische Agrokonzerne aus den Industriestaaten ihre subventionierten landwirtschaftlichen Produkte auf den lokalen Märkten in Afrika anbieten und somit Kleinbauern in den Ruin treiben können.

Die Unterstützung von Saatgutinvestitionen hat oftmals zur Folge, daß traditionelles Saatgut verschwindet und sich streng lizenziertes Saatgut transnationaler Unternehmen ausbreitet, das die Landwirte nicht, wie sie es mit ihren eigenen Saaten seit Jahrtausenden praktiziert haben, nachbauen dürfen, sondern jedes Jahr von neuem kaufen müssen. Zudem handelt es sich nicht selten sich um gentechnisch verändertes Saatgut aus den USA, so daß die eher auf den europäischen Absatzraum ausgerichteten Erzeuger Afrikas sich gänzlich neu orientieren müssen, da Kontaminationen gentechnikfreier Saat nahezu unvermeidlich sind.

"Als Ergebnis ihrer New-Alliance-Abkommen haben Tansania und Mosambik bereits neue Gesetze entworfen, nach denen Bauern, die untereinander Saatgut tauschen, kriminalisiert werden", berichtete Miriam Ross vom World Development Movement im Oktober vergangenen Jahres in "The Ecologist". Weit davon entfernt, die Fähigkeit der Bewohner Afrikas, sich selbst ernähren zu können, zu stärken, werde die New Alliance vermutlich Armut und Ungleichheit verschlimmern, indem den Kleinbauern der Zugriff auf Land, Saatgut und andere Ressourcen weggenommen und Unternehmen wie Monsanto, Unilever und Syngenta übergeben wird, vermutet Ross. [7]

Die Welthungerhilfe ist nicht die einzige Organisation aus dem Umfeld der Entwicklungszusammenarbeit, die den Ansatz der G7-Staaten zur Hungerbekämpfung, wie er sich in der New Alliance darstellt, ablehnt. In den letzten Jahren hat sich eine Reihe von Organisationen kritisch dazu geäußert. Das "Forum Umwelt und Entwicklung" forderte in einem Positionspapier von Oktober 2013, die Neue Allianz entweder "radikal zu reformieren oder zu beenden". [8]

Auch FIAN (FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk) kritisiert die mangelnde Ausrichtung der Initiative auf Kleinbauern, um nur einige Beispiele zu nennen.

Der Blick auf die bisherigen Initiativen der führenden Wirtschaftsnationen zeigt, daß die Welthungerhilfe mit ihrem POWA-Projekt offenbar nicht "nur" die G7-Staaten zu einem moderaten Kurswechsel bewegen, sondern regelrecht ausbremsen und in eine extrem abweichende Richtung bewegen will. Der Schwerpunkt soll nicht auf die Einbindung der Privatwirtschaft dank Öffnung des Zugangs der lokalen Märkte für ausländische Investoren, Investitionen der Privatwirtschaft, Steigerung der Produktivität, Anbindung an den Weltmarkt liegen, sondern auf die Förderung des Kleinbauerntums, Stärkung seiner Fähigkeit zur Subsistenz, Förderung insbesondere der Frauen in der Landwirtschaft und rechtliche Unterstützung der Kleinbauern bei der Frage der Landverteilung. Doch wie bereits erwähnt, kollidiert dies allzu oft mit der von den Wirtschaftsmächten angestrebten Marktöffnung in Afrika, durch die viele Menschen ihren Grund und Boden verlieren oder vormalige Gemeingüter nun privatisiert werden.

Während die Welthungerhilfe eine Unterstützung der Kleinbauern fordert, haben die G7/G8-Staaten in den letzten Jahren das Landgrabbing und die Abschaffung staatlicher Ernährungsprogramme betrieben sowie den traditionellen Austausch von Saatgut durch die Kleinbauern torpediert. Eingedenk dessen sollte auch den Organisatoren der Konferenz klar sein, daß mit den wohlfeilen Worten des Entwicklungsministers Müller, der tiefes Verständnis für die Hungerproblematik gezeigt hat, sicherlich Entgegenkommen in der Sache signalisiert werden soll, nur um den eingeschlagenen Kurs beizubehalten. Beispielsweise haben sein Ministerium und die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) die "German Food Partnership" ins Leben gerufen. Partner sind unter anderem Bayer CropScience und BASF. Die Tatsache an sich, daß große Konzerne an dieser Initiative, bei der die Ernährungssicherheit in den Entwicklungs- und Schwellenländern mittels der Integration von Kleinbäuerinnen und -bauern in Wertschöpfungsketten gestärkt werden soll, beteiligt sind, muß nicht von vornherein Negatives bedeuten. Doch jene Konzerne wären gar nicht erst so groß geworden, wenn sie es nicht verstanden hätten, das Wirtschaftsgeschehen zu ihren Gunsten zu lenken. Von Akteuren, die den Regeln der marktwirtschaftlichen Ordnung unterworfen sind, ist also kaum etwas anderes zu erwarten, als daß sie expandieren und versuchen, Profite zu generieren. Sollten dabei auch einzelne Kleinbauern Vorteile erlangen, dann nur, weil diese zu Lasten aller übrigen gehen. Und es wäre allemal der mit großem Abstand kleinere Teil an Vorteilen verglichen mit dem, was die Unternehmen in der Regel aus einem Deal im Rahmen der New Alliance für sich herausschlagen.

Die G7/G8-Staaten verkaufen mit der New Alliance alten Wein in neuen Schläuchen. Zu welchen vollmundigen Versprechungen sich die führenden Wirtschaftsnationen auf ihrem Gipfel Anfang Juni auf Schloss Elmau aufgrund des Appells der Welthungerhilfe auch immer verleiten lassen, die Erfahrungen zeigen, daß es besser ist, davon auszugehen, daß es sich auch bei der nächsten Zusage zur Hungerbekämpfung um ein bloßes Lippenbekenntnis handeln wird, mit dem unverdrossen die stets gleichgebliebenen eigenen Absichten verfolgt werden. Falls das zutrifft, wäre zu fragen, ob dann nicht ausgerechnet Organisationen wie die Welthungerhilfe tragischerweise eher die Funktion eines Stichwortgebers der G7-Staaten für die Verfolgung ganz anderer Interessen innehaben und dies ein Grund wäre, weshalb sie weiterhin auf staatliche Zuwendungen hoffen dürfen.

Das große Engagement einzelner und nicht zuletzt der Partnerinnen und Partner in den Ländern des Südens würde auf diese Weise kanalisiert und zweckentfremdet. Es wäre den am POWA-Projekt Beteiligten zu wünschen, daß sie den G7-Staaten so kräftig auf die Füße treten, daß diese auf ihrem seit langem eingeschlagenen Kurs diesmal ernsthaft ins Straucheln geraten.


Der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt - Foto: © 2015 by Schattenblick

Das Hungerthema sorgt für ein volles Haus
Foto: © 2015 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] POWA steht für "Building Public and Political Will for Agriculture ODA in Germany" - Öffentliche und politische Willensbildung in Deutschland für ODA im landwirtschaftlichen Sektor. ODA (Official Development Assistance) bezeichnet das Bereitstellen finanzieller Mittel des öffentlichen Sektors für die Entwicklungszusammenarbeit.

[2] http://www.g8.utoronto.ca/summit/2009laquila/2009-food.pdf

[3] http://www.oxfam.de/sites/www.oxfam.de/files/bp188-hohes_risiko_deutsche_kurzfassung.pdf

[4] Der englische Begriff "Smallholders" wäre zwar treffender, da dies auch Hirten, Fischer, kleine Handwerker, etc. einschließt, ist aber im Deutschen noch nicht sehr gebräuchlich, so daß wir bei "Kleinbauern" geblieben sind.

[5] http://www.welthungerhilfe.de/pm-g7gipfel-bruessel2014.html

[6] http://feedthefuture.gov/article/five-questions-about-new-alliance-food-security-and-nutrition

[7] tinyurl.com/mm9bfqd

[8] tinyurl.com/ptty49v


Einen Bericht und drei Interviews zur POWA-Konferenz der Welthungerhilfe in Berlin finden Sie im Schattenblick unter:
INFOPOOL → UMWELT → REPORT
BERICHT/095: Welt ohne Hunger - Keine Gewinne ohne Verluste (SB)
INTERVIEW/171: Welt ohne Hunger - Endlich zur Sache kommen ... Christine von Weizsäcker im Gespräch (SB)
INTERVIEW/172: Welt ohne Hunger - Mangel, Krieg und Unterdrückung ... Bärbel Dieckmann im Gespräch (SB)
INTERVIEW/173: Welt ohne Hunger - hoffen auf die Politik ... Jean Julien Somé im Gespräch (SB)

20. Februar 2015


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