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RESSOURCEN/238: Rumänien - Holzeinschlag und Biomasse ... (SB)



Die profitgetriebene Verwertung von Wäldern, die eine Überlebensvoraussetzung für Mensch und Tier sind, schreitet in vielen Regionen der Welt voran. Nicht nur im brasilianischen Amazonasbecken für die Ausdehnung der landwirtschaftlichen Fläche und in Südostasien für die Palmölproduktion, auch in Europa werden Wälder mit teils uralten, einzigartigen Ökosystemen gerodet. Das Holz wandert entweder in die holzverarbeitende Industrie oder in die Produktion von Biomasse. Beispielsweise Rumänien. Am Holzgeschäft sind nicht nur korrupte Beamte und Partnerfimen vor Ort beteiligt, die die Bäume illegal fällen und das Holz innerhalb des Landes verkaufen, sondern die Europäische Union insgesamt.

Denn die EU hat in ihrer Erneuerbare-Energien-Richtlinie von 2009 [1] und in der überarbeiteten Version aus dem Jahr 2018 [2] festgelegt, daß Holzpellets aus Biomasse nachhaltig sind. Die Richtlinie hebt zwar auf die Verwertung von Abfällen aus Sägewerken und mutmaßlich ungenutzten Baumabfällen (Kronen, Äste, Stümpfe, Wurzeln) ab, doch es hat sich herausgestellt, daß mitunter auch ältere Bäume im Schredder landen - subventioniert von der EU, weil Biomasse angeblich nachhaltig und klimafreundlich ist.

Ein krasses Negativbeispiel dafür ist das Kraftwerk Drax in Großbritannien, das sieben Prozent des elektrischen Stroms des Landes produziert. Inzwischen werden 70 Prozent der Energie mittels der Verbrennung von Holzpellets generiert, wobei ein großer Teil eigens aus den USA über den Atlantik transportiert wird. Ein anderer Teil der Biomasse stammt aus verschiedenen europäischen Ländern. In allen Fällen werden große Flächen gerodet und zuvor artenreiche Habitate durch schnellwachsende Industriewälder ersetzt.

Rumänien zählt zu den am dichtesten bewaldeten Ländern Europas. Auf rund einem Drittel der Fläche steht Wald, davon befindet sich knapp die Hälfte in Privatbesitz. Nach dem Beitritt Rumäniens in die Europäische Union am 1. Januar 2007 war der Wert der Exporte von in Brettern geschnittenen Baumstämmen, das sogenannte Schnittholz, von 550 Mio. auf 837 Mio. Euro emporgeschnellt, wie der Bayerische Rundfunk berichtete. Bis 2017 sank der Wert dann wieder auf 476 Mio. Euro. Selbst in Natura-2000-Gebieten und Naturparks wird fleißig abgeholzt, und eine App [3], mit der Bürgerinnen und Bürger illegalen Holzeinschlag melden konnten, war offenbar so gut angekommen, daß die Behörden sie lieber funktionsunfähig gemacht haben, anstatt den Hinweisen nachzugehen und dem destruktiven Treiben ein Ende zu setzen. [4]

40 Prozent der Wälder Rumäniens beaufsichtigt die Verwaltungsbehörde Romsilva. Laut einem Beitrag von ARD Wien macht der Umweltschützer Gabriel Paun eben diese Behörde dafür verantwortlich, daß inzwischen, da 81 Prozent der Bäume zu jung sind, um geschlagen zu werden, Bäume bis hinauf an die Baumgrenze der Gebirge gefällt werden. [5]

Das ist verboten und insofern besonders problematisch, als daß in diesen Höhen der Eingriff in ein Ökosystem weitreichende Folgen zeitigt. Die massiven Rodungen in Hanglagen machen die Oberfläche anfällig für Erosionen, was die Gefahr von Hangrutschungen und Schlammlawinen erhöht. Dadurch wird das Leben von Mensch und Tier bedroht, und so sind in den letzten Jahren auch schon mehrere Häuser verschüttet worden. Sogar in den Europaschutzgebieten wie Fagaras wurden ganze Bergrücken und Täler komplett entwaldet.

Nach Berechnungen der "Nationalen Waldinventur" (IFN) Rumäniens werden jedes Jahr rund 38 Mio. Kubikmeter Holz geschlagen. Offiziell ausgewiesen werden jedoch nur 18 Mio. Kubikmeter. Der Rest wird auf illegalen Wegen verbracht. Das ist ein so attraktiver Wirtschaftszweig, daß den Versuchen der Behörden, dem Treiben Einhalt zu gebieten, teils mit maximaler Gewalt begegnet wird. Binnen eines Jahres waren zwei Förster umgebracht worden, innerhalb weniger Jahre insgesamt sechs. Wie das Magazin "Spiegel" unter Berufung auf den Dachverband der rumänischen Waldarbeitergewerkschaften (Consilva) meldete, waren in den letzten Jahren in etwa 650 Fällen Forstangestellte während ihrer Berufsausübung bei gewalttätigen Übergriffen auf sie verletzt worden. [6]

Der illegale und der legale Holzhandel gehen insofern Hand in Hand, als daß überhaupt Holz als Rohstoff für die Biomasseverbrennung attraktiv gemacht wurde. Hier wiederholt sich die Geschichte, denn zu Beginn des neuen Jahrtausends hatte die Förderung von Ethanol und Diesel aus biologischen Rohstoffen in der EU zur Monokultivierung und Vermaisung der Landschaft geführt und damit zum massiven Verlust der Artenvielfalt durch die moderne Landwirtschaft beigetragen. Anstatt auf den vorherigen Stand zurückzukehren, bestand die Konsequenz der EU darin, gewisse Grenzen der biologischen Treibstoffgewinnung zu ziehen, so daß nach wie vor auf hohem Niveau biologische Rohstoffe aus der Landwirtschaft zum Antrieb klima- und umweltschädlicher Verkehrsmittel verwendet werden. Jetzt ist die nächste biologische Ressource, der Wald, an der Reihe, als Energieträger definiert, in den auf Wachstum und Verbrauch gegründeten gesellschaftlichen Stoffwechsel eingespeist zu werden.


Fußnoten:

[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009L0028&from=EN

[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018L2001&from=EN

[3] Die App ist Bestandteil des 2014 eingeführten Holz-Tracking-Systems SUMAL.

[4] https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/die-abholzung-europaeischer-urwaelder-vor-den-augen-der-eu,RR0UUVo

[5] https://www.ard-wien.de/2019/09/22/rumaeniens-urwaelder-werden-illegal-abgeholzt/

[6] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/holzmafia-in-rumaenien-zwei-morde-an-foerstern-a-1294047.html

25. November 2019


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