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RESSOURCEN/194: Akustische Kontamination der Meere durch die Erdölsuche (SB)


Absehbares Massenstranden von Meeressäugern


Wer von der Verschmutzung der Ozeane spricht, denkt dabei wahrscheinlich an Plastikmüll, Erdöl, landwirtschaftliche und industrielle Abwässer oder radioaktive Partikel aus dem Fukushima-Desaster. Es gibt jedoch noch eine weitere Verschmutzungsart: Lärm. Für Meeressäuger und andere Bewohner der Ozeane, die über ungeheuer empfindliche Hörorgane verfügen, sind die vielfältigen menschlichen Aktivitäten nicht nur eine Belästigung, sondern die Geräusche können regelrecht zu organischen Verletzungen führen.

Ziviler und militärischer Schiffsverkehr, mariner Bergbau, Aufbau und Betrieb von Windrädern zählen zu den typischen Geräuschquellen im Meer. Eine weitere akustische Kontamination zieht die Anordnung von US-Präsident Donald Trump vom vergangenen Monat nach sich, man solle die Erdölförderung in den Schutzgebieten der Arktis und dem Atlantik mit Nachdruck aufnehmen. Wie EcoWatch berichtete, überprüft das Innenministerium zur Zeit sechs Genehmigungsanträge der Öl- und Gasindustrie zur Aufsuchung von marinen Lagerstätten. [1]

Beim Aufsuchen von geologischen Lagerstätten im Meeresboden werden seismische Luftdruckkanonen eingesetzt. Sie beschallen den Meeresboden und anhand der Reflektionswellen kann auf potentielle Lagerstätten geschlossen werden. Die Explosionsgeräusche, die dabei entstehen, zählen zu den lautesten menschengemachten Geräuschen im Ozean, berichtete Dustin Cranor von der Organisation Oceana laut EcoWatch. Cranor zufolge werden bei der Suche ohne Unterbrechung alle zehn Sekunden, 24 Stunden am Tag, über Wochen und Monate hinweg Explosionsgeräusche erzeugt. Die Knalle seien so laut, daß sie noch 4000 Kilometer von der Quelle entfernt gehört werden könnten. Die Regierung selbst, so Cranor, rechnet damit, daß durch die Explosionen von Luftdruckkanonen im Atlantik bis zu 138.000 Meeressäuger wie Delphine und Wale verletzt und darüber hinaus lebenswichtige Aktivitäten von Millionen weiteren Meeresbewohnern gestört werden.

Abgesehen von Meeressäugern werden sich die Explosionen auch auf Meeresschildkröten und Fische, die sich über Laute verständigen, in etwa so auswirken, als starte in unmittelbarer Nähe eines Menschen ein Düsenjet. Von Industrieunternehmen, die Luftdruckkanonen einsetzen, und vom Militär, das ähnliche Knalleffekte mittels offensiver Sonarortung erzeugt, werden regelmäßig Berichte und Untersuchungen, wonach die von ihnen erzeugten Explosionsgeräusche für das Massenstranden von Meeressäugern verantwortlich sind, in Zweifel gezogen. Es ist eben sehr einfach zu behaupten, es sei "unbewiesen", daß sich die Tiere an dem Lärm nicht nur stören, sondern daß sie davon auch verstört werden.

Selbst manche Tierschützerinnen und -schützer räumen ein, daß Tiere nicht sprechen können und deshalb Menschen für sie die Stimme erheben müßten. Doch spricht nicht das Stranden von Walen eine deutliche Sprache? Muß man mehr verstehen, um sagen zu können, daß die Kanonenschläge unter Wasser den Tieren Schaden zufügen?

Das Innenministerium behauptet, daß die seismische Suche erforderlich ist, um die Kenntnisse über den äußeren Kontinentalschelf entlang der US-Ostküste aufzufrischen. Die letzten Untersuchungen lägen schon dreißig Jahre zurück. Damals sei die Technologie noch nicht so weit entwickelt wie heute gewesen. Innenminister Ryan Zinke wird von EcoWatch mit den Worten zitiert, daß die Untersuchungen einer Vielzahl von Bundes- und bundesstaatlichen Partnern helfen werden, "die Offshore-Gebiete unserer Nation genauer kennenzulernen ... und die Ressourcen zu erkunden, die dem amerikanischen Volk gehören".

Nation, Volk, Eigentum - der Mensch kennt zahllose Arten, unter Inanspruchnahme der von ihm erfundenen Begriffe zu Lasten seiner Mit- und Umwelt zu leben, die Lärmbelästigung in den Meeren ist eine davon. Stets werden vermeintlich rationale Argumente vorgebracht, um das eigene Tun zu rechtfertigen. Die Entscheidung Trumps wiegt um so schwerer, als hier ein Rohstoff gefunden und gefördert werden soll, der maßgeblich zur globalen Erwärmung beiträgt. Wenn nicht 80 bis 90 Prozent der bislang bekannten Lagerstätten an fossilen Energieträgern unangetastet bleiben, steuert die Erde auf Klimaverhältnisse zu, durch die das Überleben von Milliarden Lebewesen akut gefährdet wird.


Fußnote:

[1] http://www.ecowatch.com/seismic-tesing-oil-drilling-2402920868.html

14. Mai 2017


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