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RESSOURCEN/191: Indianerkämpfe im 21. Jahrhundert - gegen Kulturzerstörung, Extraktivismus und Klimawandel (SB)


Dacota Access Pipeline vor dem Weiterbau


Im US-Bundesstaat North Dakota versucht der Stamm der Standing Rock Sioux den Bau einer Erdölpipeline zu verhindern, die unmittelbar an der Nordgrenze ihres Reservats verlegt werden soll. Über die bereits weitgehend fertiggestellte Pipeline soll Fracking-Öl aus dem Bakken-Fördergebiet in North Dakota quer durch vier US-Bundesstaaten bis zu einer Raffinerie nahe Pakota in Indiana geführt werden. [1] Die Indigenen befürchten, daß bei einem Leck ihre wichtigste Trinkwasserversorgung kontaminiert werden könnte, denn die Pipeline soll nur wenige hundert Meter von ihrem Reservat entfernt den Missouri queren. Der wiederum speist den Oahe-See innerhalb des Reservats. Die Pipeline sei für sie existenzgefährdend, die Schäden könnten irreparabel sein, warnen die Indigenen. Außerdem grüben sich die Bagger und Planierraupen durch heiliges Land, in dem ihre Ahnen bestattet seien.

Am 24. Januar 2017 hat US-Präsident Donald Trump in einem Memorandum das zuständige Army Corps of Engineers beauftragt, die Genehmigung für den Weiterbau der Dakota Access Pipeline voranzutreiben. Daraufhin hat das Army Corps eine noch unter der Obama-Administration angeordnete Umweltverträglichkeitsprüfung, bei der insbesondere die Wassergefährdung untersucht werden sollte, abgebrochen. Die Prüfung hätte das Projekt theoretisch um Jahre verzögern können.

Die Betreiberfirma Energy Transfer Partner (ETP) behauptet, daß die Überquerung des Missouri sicher ist. Die Indigenen jedoch fragen, ob denn irgendeine der zahlreichen Pipelines, die in den USA in den letzten Jahren kleinere und größere Leckagen erzeugt haben, bis dahin nicht ebenfalls als sicher galten. Erst im Dezember vergangenen Jahres flossen 176.000 Gallonen Erdöl aus einer Pipeline, die nur rund 250 Kilometer von der Dakota Access Pipeline entfernt liegt. [2]

Das Army Corps hat bereits angekündigt, daß ein Protestcamp, das auf seinem Gelände errichtet wurde, bis zum 22. Februar geräumt werden muß. Daraufhin kündigten die Indigenen an, daß sie ihren Protest auf einem privaten Grundstück fortsetzen werden. Außerdem werden sie gegen den Weiterbau der Pipeline Klage einreichen, wie Phillip Ellis, Sprecher der auf Umweltrecht spezialisierten Anwaltskanzlei Earthjustice, die den Stamm der Standing Rock Sioux vertritt, mitteilte.

Innerhalb von 83 Tagen nach Wiederaufnahme der Bauarbeiten könnte die Pipeline fertiggestellt sein und Öl transportieren. Die Proteste werden jedoch nicht abflauen. Trump, der die Interessen der fossilen Energiewirtschaft noch um einiges rücksichtsloser gegenüber Mensch und Umwelt bedient als George W. Bush jun., hat auch den Weiterbau der umstrittenen Pipeline Keystone XL eingeleitet. Weitere Projekte werden folgen, denn für den neuen Präsidenten bedeutet das Motto "America first!", die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren und auf die Förderung heimischer Ressourcen zu setzen. Was allerdings den Raubzug in anderen Ländern nicht ausschließt.

Die Stimmung in den USA ist gegenwärtig ziemlich angespannt. In der vergangenen Woche hat die Polizei von North Dakota 76 Personen festgenommen, die sich "Wasserschützer" (water protectors) nennen und ein neues Camp in der Nähe des Bauplatzes errichtet hatten. In Washington und Los Angeles wurde diese Woche gegen den Pipelinebau protestiert. Im vergangenen Jahr hatten sich bis zu 10.000 Personen dem Protest vor Ort angeschlossen. Die Sicherheitskräfte haben darauf teils harsch reagiert und zahlreiche Menschen mit Pfefferspray, Tränengas und Gummigeschossen sowie durch beißende Hunde verletzt. Verhaftete berichteten, daß sie im Gefängnis mißhandelt wurden.

Die Staatsregierung von North Dakota, die bereits einmal die Nationalgarde gegen die Protestierenden in Bewegung gesetzt hat, hat nun ein Gesetz auf die Bahn gebracht, nach dem in Zukunft Menschen, die eine Straßensperre errichten, faktisch umgefahren werden dürfen, sofern es "versehentlich" geschieht. Vier weitere Bundesstaaten wollen ähnlich repressive Gesetzesverschärfungen aussprechen. [3]

Diese Maßnahmen erfolgen auf nicht nachlassende Proteste gegen die North Dakota Access Pipeline, der sich zahlreiche weitere Indigenenstämme, Umweltschützer, Veteranen und andere organisierte und unorganisierte Personen angeschlossen haben. Der Eindruck, die Proteste beschränkten sich allein auf den Widerstand gegen den Bau dieser einen Pipeline, könnte falscher nicht sein. Es geht darum, den beim Fracking und dem kanadischen Teersandabbau auf die Spitze der Zerstörung von Umwelt und Lebensperspektiven getriebenen Extraktivismus zu beenden. Bei diesem schaffen sich einige wenige Profiteure, zu denen auch Donald Trump mindestens zu seiner Zeit als Unternehmer gehörte, einen Vorteil zu Lasten der übrigen Gesellschaft, welche all die externalisierten Kosten der gesundheitsschädigenden Verseuchung von Luft, Boden und Wasser zu tragen hat.

Weiterhin geht es den Protestierenden darum, die globale Erwärmung, die wesentlich eine Folge der Verbrennung fossiler Energieträger ist, aufzuhalten. Zwar würde der Klimawandel nicht gestoppt, nur weil die Dakota Access Pipeline nicht weitergebaut wird, aber ohne daß eben solche Einzelprojekte weltweit gestoppt werden, würde er ebenfalls nicht aufgehalten.

Nicht zuletzt geht es bei dem Konflikt auch darum, wie die Administration auf Staats- und Bundesebene mit Minderheiten umgeht. Die verächtliche Haltung gegenüber der Kultur der seit Jahrhunderten unterdrückten und an den Rand gedrängten Indigenen hat bereits zu einem Zusammenschluß mehrerer hundert Stämme beigetragen. Denn sie wissen genau, daß sie die Standing-Rock-Sioux von morgen sein können - so wie schon immer, seit die weißen Eindringlinge ihren Fuß auf nordamerikanischen Boden gesetzt haben.

Donald Trump will Präsident aller Amerikaner sein. Doch wenn der weißhäutige, blonde Herrenmensch an der Spitze des Staates von "America First!" spricht, dann meint er damit nicht die First Nations, wie die Gemeinschaft der Indigenen genannt wird.


Fußnoten:

[1] https://insideclimatenews.org/news/08022017/dakota-access-pipeline-approved-standing-rock-sioux-donald-trump

[2] http://www.cnbc.com/2016/12/12/pipeline-spills-176000-gallons-of-crude-into-creek-about-150-miles-from-dakota-access-protest-camp.html

[3] https://theintercept.com/2017/01/19/republican-lawmakers-in-five-states-propose-bills-to-criminalize-peaceful-protest/

9. Februar 2017


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