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RESSOURCEN/181: Forscher mahnen umsichtigen Gebrauch von Grundwasser an (SB)


Volumen und Verteilung des globalen Grundwassers kartiert

Die Vorstellung, man könne den Gebrauch von Grundwasser besser organisieren, wirft weitreichende Fragen auf


Grundwasser ist eine knappe Ressource. Es wäre besser, wir würden das "junge Grundwasser", das innerhalb von 50 Jahren wieder aufgefüllt wird, schützen, sagte der kanadische Wissenschaftler Tom Gleeson von der kanadischen Universität von Victoria gegenüber ctv news. [1] Er ist Hauptautor einer am Montag in "Nature Geoscience" veröffentlichten ersten Weltkarte zum modernen Grundwasser. [2]

Unter "jungem" oder "modernem" Grundwasser wird dasjenige Grundwasser verstanden, das innerhalb eines Menschenlebens erneuert wird. Die internationale Forschergruppe, an der auch Dr. Elco Luijendijk vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen beteiligt ist, hat umfangreiche Datensammlungen aus zahlreichen Quellen ausgewertet und ist auf ein globales Grundwasservolumen von fast 23 Millionen Kubikkilometern gekommen. Fast die gesamte Menge entfällt auf älteres, teilweise fossiles Grundwasser; nur 0,35 Millionen Kubikkilometer, knapp sechs Prozent, ist keine 50 Jahre alt. "Auch wenn der Anteil des modernen Grundwassers an der Gesamtmenge auf den ersten Blick gering erscheint, ist er doch immer noch größer als der Anteil aller anderen Elemente des aktiven hydrologischen Kreislaufs, wie etwa des Wassers in Flüssen, Seen und der Atmosphäre", erläuterte Luijendijk in einer Pressemitteilung seiner Universität. [3]

Als Marker zur Unterscheidung des jungen von dem älteren Grundwasser dienten der Forschergruppe an die 4000 Datensätze zur Konzentration des radioaktiven Wasserstoff-Isotops Tritium, das erst im Atomzeitalter respektive mit den oberirdischen Kernwaffenexplosionen (1945 - 1980) ins Grundwasser gelangt ist.

Fast jeder dritte Mensch trinkt täglich Grundwasser. Dieser Gebrauch ist sehr stark von jungem Grundwasser, das bis zu einer Tiefe von 1,5 Kilometern nachgewiesen wurde, abhängig. Wenn durch Landwirtschaft, Industrie und Haushalte mehr Grundwasser verbraucht wird, als aus Niederschlägen, Binnengewässern und anderen Quellen versickert, sinkt der Grundwasserpegel. Er würde aber binnen 50 Jahren wieder ansteigen, wenn der Verbrauch gedrosselt wird. Wohingegen älteres Grundwasser, das hauptsächlich von Landwirtschaft und Industrie genutzt wird und mehrere Kilometer tief liegen kann, sehr viel langsamer nachläuft. Wobei dieses Wasser nicht per se verwendbar ist. Besonders in älterem Grundwasser können Arsen, Uran und andere gesundheitsgefährdende Substanzen gelöst sein, und manche Vorkommen sind noch salzhaltiger als Meerwasser.

Grundwasser sollte als sehr nützlicher Puffer für Klimaextreme angesehen werden, sagte Gleeson gegenüber Reuters. "Wenn es angemessen gehandhabt wird, fließt es in Dürrezeiten in Flüsse, was es zu einer wertvollen und strategischen Ressource zur Abfederung extremer Klimaeinflüsse auf die Wasserverfügbarkeit macht." [4]

Wie nicht anders zu erwarten, zeigt die von ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen erstellte Weltkarte sehr ergiebige Grundwasservorkommen in den Regenwaldgebieten sowie jenen Gebirgsregionen, die hohe Niederschlagsmengen verzeichnen, beispielsweise die Anden in Süd- und die Rocky Mountains in Nordamerika. Mitteleuropa und andere gemäßigten Breiten verfügen über etwas geringere, aber noch relativ hohe Grundwassermengen. Die Wüsten Afrikas und Australien bilden das Schlußlicht.

Die übergreifende Sicht auf Grundwasservorkommen hat ihre Nützlichkeit, um daran globale Trends ablesen zu können. Vielleicht sogar noch nützlicher für den konkreten Gebrauch ist die Weltgrundwasserkarte, die die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Zusammenarbeit mit der UNESCO erstellt hat. Denn diese Karte weist die von Dürren, Hochwasser und Tsunami-Katastrophen gefährdeten Regionen aus, was schon auf das eigentliche Problem, die Wasserverfügbarkeit, abhebt. [5]

Insbesondere durch die Bewässerungslandwirtschaft in Teilen der USA, Australiens, des Nahen und Mittleren Ostens sowie Indiens und Chinas werden ältere Grundwasserspeicher entleert, was unter anderem zur Folge hat, daß die Brunnen immer tiefer gebaut werden müssen. Das verwendete Wasser gerät nur teilweise in den aktiven Wasserkreislauf zurück, ein Teil fließt ins Meer und ist damit zunächst einmal für den weiteren Gebrauch verloren.

Gleeson erläutert nicht im Detail, was aus seiner Sicht eine bessere Organisation des Grundwasserverbrauchs bedeuten würde. Ein Wirtschaftsunternehmer würde vielleicht vorschlagen, die Wasserversorgung zu privatisieren, um sie effizienter zu gestalten, und außerdem Wasser zu verteuern, damit die Menschen zum Sparen angehalten werden.

Das erweist sich allzu häufig als sozial unverträglich. Durch die Privatisierung wird der Wassermangel nicht behoben, sondern regelrecht produziert. Die Wasserverfügbarkeit richtet sich nicht nach dem Bedarf, sondern der finanziellen Lage: Wer arm ist, muß sich einschränken. Wer dagegen wohlhabend ist, wird es sich weiterhin leisten können, mit dem wertvollen Trinkwasser seinen Swimmingpool aufzufüllen oder sein Anwesen von seinen Angestellten bewässern zu lassen.

Allgemein könnte Wasser - und damit auch Grundwasser - gespart werden, wenn die Produktionsverhältnisse anders organisiert wären. Beispielsweise ist das westliche Konsummuster extrem wasserintensiv, nämlich in Form von virtuellem Wasser. Das bedeutet beispielsweise, daß in jeder Tasse Kaffee 140 Liter Wasser stecken, die für ihre Bereitstellung (Produktion, Transport, Verarbeitung etc.) gebraucht wurden. Für die Herstellung eines durchschnittlichen Autos werden 400.000 Liter Wasser eingesetzt.

Solche Angaben bedeuten jedoch nicht in jedem Fall, daß das Wasser für alle Zeiten verbraucht wird. Denn wenn in Westafrika Regen auf die Kaffeeplantagen fällt, dann wird die Niederschlagsmenge in das virtuelle Wasser für eine Tasse Kaffee, die in Deutschland konsumiert wird, eingerechnet. Das Wasser ist aber natürlich nicht verschwunden, sondern fließt ab, sickert ins Grundwasser oder verdunstet und kommt irgendwo als Regen herunter. Andererseits muß in diesem Beispiel bedacht werden, daß das Regenwasser in das Exportprodukt Kaffee "einfließt" und nicht in andere landwirtschaftliche Erzeugnisse, die hätten angebaut werden können, um unmittelbar vor Ort beispielsweise den Hunger zu stillen oder die Tätigkeit von Plantagenarbeitern, die zur Zeit den geringsten Nutzen von der Wertschöpfungskette haben, aufzuwerten. Beides setzte jedoch andere Produktionsverhältnisse voraus.

Bei der Frage, wie denn der Grundwasserverbrauch gesellschaftlich besser zu organisieren wäre, tauchen Probleme auf, gegenüber denen die Meßmethoden und Auswertungen zahlreicher Datenquellen zwecks Präsentation einer Karte des globalen Grundwasservorkommens geradezu überschaubar und die damit einhergehenden Probleme lösbar erscheinen.


Fußnoten:

[1] http://www.ctvnews.ca/sci-tech/b-c-researcher-maps-earth-s-hidden-groundwater-1.2660536

[2] Tom Gleeson et al.: The global volume and distribution of modern groundwater. Nature Geoscience 2015. Doi: 10.1038/ngeo2590.
http://www.nature.com/ngeo/journal/vaop/ncurrent/full/ngeo2590.html

[3] http://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?cid=5339

[4] http://www.trust.org/item/20151116184935-ua6v3/?source=fiOtherNews3

[5] http://www.bgr.bund.de/whymap/EN/Downloads/Global_maps/globalmaps_node_en.html

17. November 2015


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