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RESSOURCEN/113: US-Navy will Erdöl durch Biosprit ersetzen (SB)


Der größte Militärapparat der Welt schwenkt allmählich auf Biosprit um

Fortgesetzte Ignoranz gegenüber dem Hunger in der Welt


Da die leicht verfügbaren weltweiten Erdölreserven möglicherweise schon in den nächsten Jahren rapide zuneigegehen, so daß sich die Schere zwischen Bedarf und verfügbarem Angebot weit öffnet, will auch die U.S. Navy unter Wahrung der Schlagkraft ihre Abhängigkeit von Erdöl, das größtenteils importiert werden muß, drastisch verringern. Vertreter der Erdölbranche behaupten zwar, daß ein Ende der Erdölförderung nicht in Sicht sei und daß die Ölsande und -schiefer in Kanada sogar noch Jahrhunderte reichen, um den Weltbedarf zu decken, aber das US-Militär ist möglicherweise anderer Ansicht. Das könnte man zumindest aus einem Memorandum of Understanding zur Förderung der Entwicklung und des Gebrauchs von Erneuerbaren Energien herauslesen, das das Landwirtschaftsministerium (USDA - United States Department of Agriculture) und die Abteilung für die Navy (DoN - Department of the Navy) im Verteidigungsministerium am 21. Januar 2010 vereinbart haben. [1]

Der für die Navy zuständige Staatssekretär Ray Mabus erklärte hinsichtlich der Verwendung von Erneuerbaren Energien: "Ich habe das Navy- und Marine-Korps zur Erfüllung aggressiver Energieziele, die weit über frühere Maßnahmen hinausreichen, verpflichtet, um die strategische Energiesicherheit der Vereinigten Staaten zu gewährleisten, eine wendigere und wirksamerer Kampfkraft bereitzustellen und unseren Planeten vor dem destabilisierenden Klimawandel zu schützen."

Das strategische Ziel der US-Navy lautet, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus unsicheren Regionen der Welt zu verringern. Taktisch gesehen sollen die Transportkosten für Treibstoffe, die für das Militär bis zu 106 Dollar pro Liter betragen können, gesenkt werden. Darüber hinaus machte Mabus darauf aufmerksam, daß abgesehen von solchen Kosten auch das Leben der Soldaten, die Treibstofftransporte begleiten, gefährdet ist, da sie immer häufiger Ziel von Angriffen würden. Mabus hat sein Ziel in fünf Punkten zusammengefaßt:

- Bei künftigen Entscheidungen zur Akquise sollen auch Energieeffizienz und der energetische Fußabdruck als zusätzliche Faktoren auf angemessene Weise in Betracht gezogen werden.

- Im Jahre 2012 soll eine Green Strike Group (Grüne Schlachtschiffgruppe), die aus nuklear- und biospritbetriebenen Schiffen besteht, aufgestellt sein. Im Jahr 2016 soll diese Strike Group als Great Green Fleet, die aus Schiffen mit Nuklearantrieb, Marineeinheiten, welche mit elektrischen Hybridsystemen, die von Biosprit betrieben werden, arbeiten, und Fluggeräten, die mit Biosprit laufen, auf Fahrt gehen.

- 2015 soll der Spritverbrauch der 50.000 Einheiten der nicht-taktischen, kommerziellen Flotte der Navy durch die Einführung von Hybrid-, Flex-fuel- und Elektrofahrzeugen halbiert werden.

- Bis 2020 soll der Energiebedarf aller küstennahen Einrichtungen mindestens zur Hälfte aus alternativen Quellen stammen. Darüber hinaus sollen 50 Prozent aller Küsteneinrichtungen netto keine Energie verbrauchen.

- Bis 2020 soll die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs der DoN für Schiffe, Flugzeuge, Panzer, Fahrzeuge und Küsteneinrichtungen durch alternative Quellen gedeckt werden.

Kürzlich hat die Navy-Abteilung ein eigenes Naval Energy Office zur Senkung des Energieverbrauchs und Steigerung der Energieeffizienz gegründet. Damit folgt das Militär der Vorgabe von US-Präsident Barack Obama, der die Vereinigten Staaten zur weltweiten Führungsmacht auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energien aufbauen will. Der Ethanolgewinnung aus Mais kommt dabei eine herausragende Bedeutung zu. Dazu paßt die Ernennung von Tim Vilsack als Landwirtschaftsminister. Vilsack, ehemaliger Gouverneur des Agrarstaats Iowa, ist ein Lobbyist der Biotechindustrie. 2001 wurde er von der Biotechnology Industry Organization, einem Industrieverband, dem mehr als 1000 Unternehmen und Forschungsinstitute angeschlossen sind, zum "Governor of the Year" ernannt. Jetzt setzt sich Vilsack, ganz auf der Linie Obamas, für den vermehrten Einsatz von Biosprit bei Regierungseinrichtungen, einschließlich dem Militärapparat, ein.

Wenn in Zukunft Biosprit Ersatz für Erdöl werden soll, stellt sich die Frage, ob das nicht Einfluß auf die militärischen Aktivitäten der USA im Rahmen des "Kriegs gegen den Terror" haben wird. Die offizielle Version, wonach die Vereinigten Staaten 2003 den irakischen Präsidenten Saddam Hussein gestürzt haben, um das Land von einem Diktator zu befreien oder um eine von ihm ausgehende Gefahr für den Westen zu bändigen, hat sich als unhaltbar erwiesen. Kritiker behaupten dagegen, daß die Sicherung der Erdölquellen Hauptmotiv für die Eroberung Iraks war. Wenn das zuträfe, wären die Amerikaner allerdings schlechte Geschäftsleute, denn das hätten sie um vieles billiger haben können als durch eine jahrelange Besatzung. Erst im geostrategischen Rahmen ergibt es Sinn, daß sich die USA in Irak und Afghanistan militärisch dauerhaft festsetzen. Der Preis, um langfristig China, Rußland und andere Konkurrenten um die alleinige Weltführerschaft klein zu halten, und darum geht es nicht zuletzt bei den US-Kriegen, kann gar nicht hoch genug sein. Dennoch stellt die Sicherung des strategischen Rohstoffs Erdöl durchaus ein Motiv dar, weswegen die US-Regierung mit allen Mitteln, also auch militärischen, Druck auf andere Staaten ausübt.

Wenn das Erdöl global abnimmt, wäre auf diesem Gebiet mit vermehrten Aktivitäten zu rechnen. Gilt das auch für Biosprit, dessen Bedeutung global wächst? Mit welchen Mitteln werden die Vereinigten Staaten versuchen, den Anteil an Biosprit für ihre Streitkräfte, die immerhin pro Jahr etwa so viel Treibstoff verbrauchen wie ganz Schweden, zu erhöhen? Bislang setzt die US-Regierung vor allem auf die eigene Produktion von biologischen Rohstoffen sowie auf Brasilien, dem weltweit größten Ethanolexporteur. Vorstellbar ist jedoch, daß die USA künftig vermehrt auch in Afrika, wo bereits China, Indien, Südkorea, die arabischen Staaten, die Europäische Union und andere um landwirtschaftliche Flächen für die Produktion von Nahrung und Treibstoff miteinander konkurrieren, als weiterer Mitstreiter in Erscheinung treten.

In der Postkarbon-Ära dürfte auch Biosprit zu einem strategischen Rohstoff werden. Die Folgen dieser Entwicklung wären für die wachsende Weltbevölkerung verheerend. Denn allen Beteuerungen der Biospritlobby zum Trotz besteht eine fundamentale Flächenkonkurrenz zwischen dem Anbau für Nahrung und dem für Treibstoff. In einer Welt, in der mehr als eine Milliarde Menschen nicht genügend zu essen hat, Mais und andere Nahrungsmittel zu Treibstoff zu verarbeiten oder ertragreiche Flächen mit anderen Biospritpflanzen zu belegen, stellt eine klare Stellungnahme zum Nahrungsmangel für einen erheblichen Teil der Menschheit dar: Der Hunger wird in Kauf genommen.


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Anmerkungen:

[1] "USDA, Navy Sign Agreement to Encourage the Development and Use of Renewable Energy", Release No. 0029.10, Washington, 21. Januar 2010
http://www.usda.gov/wps/portal/!ut/p/_s.7_0_A/7_0_1OB?contentidonly=true&contentid=2010/01/0029.xml

26. Januar 2010