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RESSOURCEN/096: Weltgrößte Windfarm in Texas nur Tarnung? (SB)


Texanischer Ölbaron steigt in Windenergie ein und zapft das fossile Wasser des Ogallala-Aquifers an


Die USA haben in diesem Sommer Deutschland als Weltmeister in der Produktion von Windenergie abgelöst. Zwar gelang dies zunächst nur wegen der vergleichsweise kräftigeren Winde jenseits des Atlantiks und nicht wegen der reinen Nennleistung der Anlagen, aber der Trend war absehbar. Die flächengroßen Vereinigten Staaten mit ihren viele tausend Kilometer langen Küsten am Atlantik und Pazifik, vor allem aber mit weitläufigen Regionen im Landesinnern, in denen ein stetiger, kräftiger Wind weht, besitzt ein enormes Potential zum Ausbau der Windenergie. Dieser Ansicht ist auch der texanische Milliardär T. Boone Pickens, und er macht Nägel mit Köpfen. Auf seiner Ranch nahe Pampa in Roberts County errichtet seine Firma Mesa Power LP die größte Windfarm der Welt. Sie soll eines Tages eine Leistung von 4000 Megawatt bringen, was der Stromproduktion von vier durchschnittlichen Kernkraftwerken entspricht. Wenn das nicht texanische Größe hat ...

Die wahre Größe dieses Projekts erschließt sich dem beeindruckten Auge jedoch erst auf den zweiten Blick. Möglicherweise sind die Windräder nicht das eigentliche Geschäft, um das es dem grün-gewendeten Ölbaron Pickens geht. Das behauptet zumindest Timothy P. Carney in seiner Kolumne für den "Examiner" [1].

Sollte die enorme Umtriebigkeit des achtzigjährigen T. Boone Pickens', der regelmäßig von Fernseh- und Radiosendern eingeladen wird, sogar selbst in TV-Spots wirbt, vor dem Kongreß gesprochen und großformatige Anzeigen in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften geschaltet hat und sowohl dem Republikaner John McCain als auch seinem demokratischen Gegenspieler Barack Obama seinen "Pickens Plan" zum Umbau der amerikanischen Gesellschaft vorgelegt hat, dies alles nur gemacht haben, weil er eine völlig andere Geschäftsidee verfolgt? Sollte die Windfarm nur Fassade sein?

Carney jedenfalls legt nahe, daß es dem Ölmagnaten in erster Linie nicht um die Windenergie geht, sondern um Wasser. Denn Pickens hat in Texas Land erworben, unter dem ein riesiger, sich über mehrere Bundesstaaten erstreckender fossiler Wasserspeicher befindet, der Ogallala-Aquifer. In T. Boones Pickens Vision werden die USA binnen zehn Jahren 20 Prozent ihres elektrischen Energiebedarfs mit Hilfe von Windrädern abdecken - gegenwärtig sind es um die ein Prozent. Dem gegenüber geht das US-Energieministerium lediglich davon aus, daß Windenergie frühestens im Jahr 2030 ein Fünftel des elektrischen Energiebedarfs des Landes liefern wird.

Mesa Power hat bereits zwei Milliarden Dollar in den Kauf von 667 Windrädern von General Electric investiert, und Pickens "Heuschrecke", der Hedgefonds BP Capital, investiert großmaßstäblich in Erdgas, weil Pickens seit vielen Jahren die Idee verfolgt, daß auch Autos mit Erdgas betrieben werden sollten. Dank einer Gesetzesveränderung in Texas besitzt der Unternehmer das Recht, selber Stromleitungen zu legen, um die elektrische Energie von der windreichen Region in Nordtexas in den Westen des Bundesstaats zu den 500 Kilometer entfernten großen Abnehmern in Dallas, Houston und Fort Worth zu übertragen.

Im Jahr 2006 hat der geschäftstüchtige Pickens eine Stadt gegründet - mit nur zwei Einwohnern, die zudem seine Angestellten sind. Angesichts seiner dicken Brieftasche dürfte es Pickens nicht schwer gefallen sein, die Behörden zur Anerkennung seiner Stadt zu bewegen. Gerüchten zufolge hat ihn das schlappe 1,2 Mio. Dollar gekostet [2]. Die beiden Einwohner haben einstimmig beschlossen, innerhalb der Stadtgrenzen einen "Wasserbezirk" zu schaffen. Der liegt, welch Zufall, über dem Ogallala-Aquifer. Nun erlaubt das texanische Recht Pickens das Anbohren und Heraufpumpen von Wasser und dessen Verkauf.

Tatsächlich hat Pickens geplant, eine Wasser-Pipeline nach Dallas zu legen, darüber fast 250 Milliarden Liter jährlich zu befördern und parallel zu der Leitung Strommasten aufzustellen, über die die elektrische Energie von seinen Windrädern geleitet wird. Die Erlaubnis dazu wurde ihm von dem ehemaligen Senator und Lobbyisten im State House von Texas, J.E. Buster Brown, auf offenbar rechtlich zulässige, wenngleich dubiose Weise ermöglicht. In einem von mehr als 100 Zusätzen, die im Januar 2007 erst dann in ein neues Wassergesetz einflossen, als die Volksvertreter bereits darüber debattiert hatten, wird es Wasserversorgungsbezirken gestattet, alternative Energie und Wasser auf einem einzigen Korridor zu befördern. Zudem wurde es Pickens dank einem kleineren Gesetz erleichtert, den Bau seiner Pipeline und der Stromleitungen über das Land von Privatpersonen gegen deren Willen durchzusetzen.

Bei einigen sorgt Pickens Plan für Unmut, bei anderen wird er mit Begeisterung aufgenommen. Manche bezeichnen ihn sogar als "brilliant" [2]. Das ganze Projekt hat den Segen von Lokalpolitikern wie auch von Washington, und es wird vom Sierra Club, der größten Naturschutzorganisation der USA, gutgeheißen (was allerdings nicht wundert, denn der Sierra Club handelt nach marktwirtschaftlichen Kriterien, was sozialfeindliche Folgen nach sich ziehen kann).

Der "Examiner"-Kolumnist Carney irrt jedoch, wenn er glaubt, daß das Windenergieprojekt nur ein Vorwand Pickens' war, um an das Wasser heranzukommen. Denn es war nie ein Geheimnis, daß der Milliardär schon seit Jahren Wasserrechte in Roberts County erwirbt (Der Kauf von Wasserrechten ist in Texas nicht zwangsläufig mit dem Kauf von Land verbunden) und daß er sich in einer scharfer Konkurrenz zu der Stadt Amarillo und dem lokalen Versorger Canadian River Municipal Water Authority (CRMWA) befindet. Das Verhältnis der drei wird als eine Art Wasserkrieg beschrieben, getreu dem texanischen Sprichwort: Whiskey ist zum Trinken, um Wasser wird gekämpft [3].

Pickens setzt zwar auf erneuerbare Energien, doch der Ogallala-Aquifer zählt nicht dazu, er ist nicht erneuerbar. Wird das fossile Grundwasser, das sich über Millionen Jahre aufgebaut hat und sich von Texas bis South Dakota erstreckt, abgepumpt, füllt es sich nur sehr, sehr langsam wieder auf. Schon heute werden riesige landwirtschaftliche Flächen in den wichtigsten Getreideanbaugebieten der USA mit Wasser aus dem Ogallala-Aquifer am Leben erhalten. Teilweise sind die Brunnen bereits trockengefallen. Ohne die permanente Bewässerung würde in zentralen Bereichen Nordamerikas eine semiaride Steppe vorherrschen.

Es könnte sein, daß sich Pickens, der in seinem langen Leben häufig den richtigen Riecher für Geschäfte besaß, in diesem Fall getäuscht hat. Möglicherweise ist das Wasser des Ogallala-Aquifers kein zukunftsträchtiges Geschäft, weil das Wasser eines Tages ausbleibt. Wenn ein fossiler Grundwasserspeicher versiegt, geschieht dies erfahrungsgemäß sehr plötzlich. Tiefer zu bohren würde dann nichts nutzen. Die Folgen für die Wasser- und Nahrungsversorgung nicht nur Nordamerikas wären verheerend.


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Anmerkungen:

[1] http://www.dcexaminer.com/opinion/columns/TimothyCarney/T_Boone_Pickens_wants_your_water.html

[2] http://www.foxnews.com/story/0,2933,387961,00.html

[3] http://www.businessweek.com/magazine/content/08_25/b4089040017753.htm

2. September 2008