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KLIMA/720: Meereserwärmung - El-Niño-Prognose ... (SB)



Aufgrund einer neuen Studie verdichten sich die Hinweise, daß mit der globalen Erwärmung auch das Klimaphänomen El Niño an Intensität zulegt. Das hatte in der Vergangenheit weltweit zu vielen Todesfällen, hohen Ernteverlusten und ökonomischen Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe geführt. Zugleich gilt El Niño als sogenannter "tipping point". Einmal überschritten, würde eine sich selbst verstärkende Dynamik in Gang gesetzt, die nicht eher endete, als bis ein vollkommen anderes Klimaniveau erreicht ist. Das dürfte dann besonders lebensfeindlich sein, weil die gegenwärtigen menschlichen Lebens- und Produktionsverhältnisse ziemlich genau auf die heutigen klimatischen Bedingungen eingestellt sind.

Ausgelöst durch eine Veränderung der meteorologischen Druckverhältnisse und Windsysteme im äquatorialen Pazifik rückt in typischen El-Niño-Jahren eine warme Meeresströmung nach Osten vor und erstreckt sich anschließend vom Äquator ausgehend weiter nach Süden, wo sie sich über die normalerweise kalte, aufschwellende Meeresströmung schiebt. Die Folgen dieses fachsprachlich ENSO (El Niño - Southern Oscillation) genannten Phänomens sind weltweit zu spüren. Die Fischerei im Südostpazifik kommt zum Erliegen, in Chile, Indien, Australien und anderen Ländern bricht Dürre aus, wohingegen in Kalifornien, Ostafrika und weiteren Regionen der Welt die Niederschlagsmengen kräftig zunehmen.

El Niño (spanisch: das Christkind) tritt alle zwei bis sieben Jahre um die Weihnachtszeit herum auf; etwa alle zwanzig Jahre kommt es zu einem extremen El Niño. Das Gegenstück zu dieser Umkehr der Wetterverhältnisse wird La Niña genannt und löst die entgegengesetzten Wettereffekte aus. Um diese extremen El-Niño-Ereignisse ging es einer internationalen Forschungsgruppe in einer neuen Untersuchung im Journal PNAS. [1]

In der Studie wurden 33 El-Niño-Ereignisse zwischen 1901 und 2017 in drei Gruppen eingeteilt. Demnach waren die besonders starken Ereignisse mit einer Verlagerung des Erwärmungsursprungs vom Ost- in den sowieso schon wärmeren Westpazifik sowie ab den 1970er Jahren zusätzlich mit einer kürzeren Frequenz ihres Auftretens verbunden. Mittels Computersimulationen hat die Forschungsgruppe dargestellt, daß die Zahl und Intensität von El-Niño-Ereignissen mit der globalen Erwärmung "erheblich" zunimmt, wenn die Temperaturen im äquatorialen Zentralpazifik steigen. In der Studie wird von "beträchtlichen sozioökonomischen Konsequenzen" in Folge der globalen Erwärmung gesprochen.

Das besonders starke El-Niño-Ereignis vom Jahreswechsel 1997/98 hat viele tausend Todesopfer in Folge der Stürme, Überschwemmungen, Hitzewellen und Dürren sowie weltweit Kosten zwischen 32 Mrd. und 96 Mrd. Dollar verursacht.

Nach aktuellem Stand der Klimaschutzbeschlüsse der Bundesregierung wird Deutschland seine für 2020 vorgenommenen Ziele weit verfehlen. Dabei steht viel auf dem Spiel, sollten sich andere Staaten ebenfalls vom erforderlichen Klimaschutz verabschieden. Im Sonderbericht 1,5 Grad des Weltklimarats vom Oktober 2018 wird El Niño als eines der Kippelemente von globaler Bedeutung bezeichnet. Bereits bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit wäre alle zehn Jahre mit einem besonders starken El-Niño-Ereignis zu rechnen. Und diese Lage hielte auch dann ein ganzes Jahrhundert an, wenn die globale Erwärmung bei 1,5 Grad gestoppt würde. [2]

Was sie aber nach bisherigem Stand nicht würde. Es steht eine rund vier Grad wärmere Welt bevor. "Politik ist das, was möglich ist", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel im September bei der Vorstellung des Klimapakets. [3] Die aktuelle Studie zum El-Niño-Phänomen ist ein Mosaiksteinchen eines Bildes, das die Botschaft trägt: Politik muß das leisten, was als unmöglich erscheint.


Fußnoten:

[1] https://www.pnas.org/content/pnas/early/2019/10/15/1911130116.full.pdf

[2] https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/sites/2/2019/06/SR15_Full_Report_Low_Res.pdf

[3] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pressekonferenz-nach-sitzung-des-kabinettsausschusses-klimaschutz-1673614

23. Oktober 2019


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