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KLIMA/718: Energiepreis - versteckte Handelsgewinne ... (SB)



Obschon immer mehr Wind- und Sonnenenergie produziert und diese dadurch sehr viel preiswerter wird, steigen die Strompreise. Das geht zum Teil auf die sogenannte EEG-Umlage zurück, wie sie im Erneuerbare-Energien-Gesetz formuliert wird. Mit Hilfe dieser Umlage werden die Kosten der staatlichen Subventionierung (Einspeisegarantie) der Erneuerbaren Energien (z. B. Wind, Sonne, Biomasse) auf die Stromkundinnen und -kunden umgelegt, wohingegen die vier großen Netzbetreiber in Deutschland unverdrossen kräftige Gewinne abschöpfen. Im nächsten Jahr wird der Strompreis erneut steigen, und wenngleich zu erwarten ist, daß das mit der EEG-Umlage begründet wird, liegt das keineswegs in dessen "Natur".

Am 15. Oktober gab die Bundesnetzagentur eine Erhöhung der EEG-Umlage um 5,5 Prozent von 6,405 ct/kWh in diesem Jahr auf 6,756 ct/kWh im nächsten Jahr bekannt. [1] Wenn von den Netzbetreibern und in den Medien der Eindruck erzeugt wird, daß eine solche Erhöhung automatisch zu einer Strompreiserhöhung führt, dann ist das eine Täuschung, kritisiert der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen Hans-Josef Fell diese Darstellung. Es werde bewußt immer wieder der falsche Eindruck erzeugt, daß mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien die Strompreise steigen würden. Seit mehr als zehn Jahren leiteten daraus die Atom- und Kohlekonzerne in Verbindung mit der Politik von Union, SPD und FDP die politische Forderung ab, "den Ökostromausbau zum Schutze der Geldbeutel der Stromkund*innen auszubremsen". [2]

Wie kommt Fell zu der Einschätzung? Der Strompreis wird nicht deshalb teurer, weil sich die Produktion von Ökostrom verteuert, sondern weil Ökostrom billiger wird. Denn genau dadurch steigt die EEG-Umlage, da mit ihr die Differenz zwischen dem vom Staat festgelegten Vergütungssatz, den die Stromproduzenten von den Netzbetreibern erhalten, und dem Preis, den die Netzbetreiber beim Verkauf des Stroms an der Leipziger Strombörse erzielen, ausgeglichen wird.

Die Energieversorger wiederum kaufen den Strom an der Leipziger Strombörse, wo er an manchen Tagen kostenlos abgegeben wird. Die Gewinne, die die Unternehmen an der Strombörse erzielen, werden nicht an den Endverbraucher abgegeben, wohl aber werden die Preise erhöht, sobald die EEG-Umlage steigt. Die stets unternehmensfreundliche Bundesregierung unterstützt dieses Treiben und bittet die Bürgerinnen und Bürger kräftig zur Kasse. Aus der gleichen wirtschaftsfreundlichen Interessenlage heraus verabschiedet sie Klimaschutzmaßnahmen, durch die alles beim alten bleibt und Deutschland seine Klimaschutzziele verfehlt.

Jedes Jahr zum 15. Oktober wird die Höhe der EEG-Umlage von der Wirtschaft ausgerechnet und von der Bundesnetzagentur abgesegnet. In diesem Jahr teilte die Behörde mit: "Insgesamt prognostizieren die Übertragungsnetzbetreiber für das Jahr 2020 einen Gesamtzahlungsanspruch von Betreibern von Erneuerbare-Energien-Anlagen in Höhe von 33,6 Mrd. Euro. Dem stehen prognostizierte Vermarktungserlöse an der Strombörse in Höhe von rund 9,0 Mrd. Euro für den erneuerbaren Strom gegenüber. Die EEG-Umlage deckt damit Förderkosten in Höhe von 24,6 Mrd. Euro."

Billiger Ökostrom verteuert den Strom am Ende aber nur deshalb, weil der Staat die Subventionierung der Erneuerbaren Energien über die EEG-Umlage auf alle Stromkundinnen und -kunden abwälzt. Nein, nicht auf alle. Rund 2000 ausgerechnet besonders energieintensive Unternehmen aus Industrie, Gewerbe und Schienenverkehr sind von der EEG-Umlage befreit, obschon auf sie die Hälfte des industriell verbrauchten Stroms entfällt und sie teils erheblich zu den CO2-Emissionen Deutschlands beitragen. Begründet wird die Freistellung von der EEG-Umlage damit, daß die Unternehmen im internationalen Wettbewerb stehen, durch die nationale Regelung keine Nachteile erleiden sollen und es zu vermeiden gelte, daß sie ins Ausland abwandern.

Eine fundamentale Vorbedingung, die zum hohen Strompreis führt, wird in der Regel nicht hinterfragt: Befänden sich die Energiekonzerne, die eine staatliche Grundversorgung leisten, konsequenterweise auch in staatlicher Hand könnte sich der Strompreis an den Stromgestehungskosten orientieren und es würden nicht noch zusätzlich die Profitinteressen der privaten Konzerne bedient. Auch bei genossenschaftlichen Modellen würde der preiswerte Ökostrom stärker den Strompreis bestimmen, die Leipziger Strombörse wäre überflüssig - und als Zusatzeffekt die Einhaltung der Klimaschutzziele aus dem Übereinkommen von Paris vermutlich bald kein Thema mehr, weil die Produktion von Erneuerbaren Energien nicht mehr wie bisher ausgebremst, sondern beschleunigt würde.

Die Verstaatlichung der Energiekonzerne dürfte natürlich nicht in einen so flauen Vorschlag münden, wie er 2009 vom damaligen Umweltminister Sigmar Gabriel mit seiner Idee einer Deutschen Netz AG mit staatlichen Anteilen von nur 25,1 Prozent vorgeschlagen worden war. [3] Der Rest und damit die Mehrheit an der Aktiengesellschaft wäre dann ein leckerer Happen für BlackRock und andere Finanzakteure, die ein Vermögen in Billionenhöhe verwalten und gerne auch vormals staatliche Funktionen übernehmen, da sie sich damit unverzichtbar machen. Sie sind dann nicht einfach nur systemrelevant, sondern sie sind das System.

Auf die Frage "direkt an die Kanzlerin", warum die Energiekonzerne nicht verstaatlicht werden, ließ Angela Merkel antworten: "Eine Verstaatlichung der Energieunternehmen ist nicht geplant und wäre auch gegen unsere Wirtschaftsordnung. Die Bundesregierung ist vielmehr der Ansicht, dass eine effiziente, preisgünstige und gleichzeitig sichere Energieversorgung am besten im Wettbewerb zu erreichen ist." [4]

Die Wirtschaftsordnung steht also einem Umbau der Wirtschaftsordnung im Wege. Ein zirkelschlüssiges Argument in Verbindung mit einer "Ansicht" - die Antwort hätte schon etwas konkreter ausfallen können, dann hätte sich die Regierung auch das Verschleiern durch allerlei Verweise auf ihre Initiativen, auf die wir hier nicht eingehen wollen und die mit der Eingangsfrage nichts zu tun haben, ersparen können.

Die Stromkosten steigen, weil immer mehr Strom immer billiger hergestellt wird. Das ist Ergebnis einer Politik, die erst etwas aufbaut, um es im nächsten Schritt wieder umzustoßen; einer Politik, die aus Klimaschutzgründen ein Gesetz verabschiedet, aber zugleich die größten Energieverbraucher entlastet; einer Politik, die den Ökostrom fördert, aber ihn dann wieder unattraktiv macht.


Fußnoten:

[1] https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/20191015_EEG.html

[2] https://hans-josef-fell.de/eeg-umlage-2020-steigt-aber-damit-nicht-zwingend-der-strompreis

[3] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/netz-ag-umweltministerium-will-stromnetze-verstaatlichen-a-645411.html

[4] https://www.direktzu.de/kanzlerin/messages/warum-werden-energiekonzerne-nicht-verstaatlicht-32811

18. Oktober 2019


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