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KLIMA/644: CO2 - Emissionsschäden bereits zu groß ... (SB)



In zwei aktuellen Studien wird davor gewarnt, daß das von der internationalen Gemeinschaft vereinbarte 2-Grad-Ziel völlig ungenügend ist, um umfangreiche Schäden für zukünftige Generationen zu vermeiden. Bis zum Jahr 2030 müßten mindestens 20 Prozent mehr CO2-Emissionen eingespart werden, als die Nationalstaaten im Klimaschutzabkommen von Paris zugesagt haben. Das spare Kosten dafür, das CO2 mit technischen Mitteln aus der Atmosphäre zu holen, berichtete das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) [1].

Passend dazu heißt es in einem AFP-Bericht über eine Studiensammlung der Philosophical Transactions A der British Royal Society, daß die Ozeane sehr träge auf die Erwärmung reagieren. Sie würden sich noch in Jahrhunderten weiter aufheizen, wovon Hunderte Millionen Menschen in küstennahen Gebieten sowie in empfindlichen Klimazonen unmittelbar betroffen wären [2].

Jessica Strefler, PIK-Forscherin und Hauptautorin einer in den Environmental Research Letters veröffentlichten Studie, und ihre Kolleginnen und Kollegen sprechen sich für eine rasche CO2-Emissionsreduzierung aus. In einer Pressemitteilung des Potsdamer Instituts sagt sie: "Um das Klima zu stabilisieren, bevor die Erwärmung die in Paris gesetzte Grenze überschreitet, müssen wir entweder enorme Anstrengungen unternehmen und die Emissionen bis 2030 halbieren sowie bis 2050 Emissionsneutralität erreichen - oder die Emissionsreduktionen müssten durch CO2-Abscheidungstechnologien ergänzt werden. In unserer Studie versuchen wir zum ersten Mal, die Mindestanforderungen an das nachträgliche Herausholen von CO2 aus der Atmosphäre zu ermitteln - und was ein verstärktes kurzfristiges Handeln hier bewirken kann."

Um auch nur die als Mindestmenge angenommenen fünf Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre herauszuholen, müßte eine so umfangreiche Industrie aufgebaut werden, wie sie heute global zur Förderung von Erdöl existiert. Fünf Milliarden Tonnen sind jedoch wenig verglichen mit den gegenwärtig weltweit 35 Milliarden Tonnen CO2, die aus anthropogenen Quellen in die Atmosphäre entlassen werden. Deshalb wird in den bisher üblichen Szenarien auch davon ausgegangen, daß nicht fünf, sondern zehn bis 20 Milliarden Tonnen CO2 jährlich der Atmosphäre entzogen werden müssen. Der Aufwand wäre somit gigantisch.

Zugleich eröffnete sich genau dadurch ein attraktives Geschäftsmodell, von dem ausgerechnet die Industrie profitieren würde. Es stellt sich die Frage, ob da nicht ein eklatanter Interessenkonflikt existiert. Warum sollte sie heute für viel Geld ihre CO2-Emissionen reduzieren, wenn sie doch morgen mit der Katastrophenbewältigung in Form der technischen CO2-Entfernung aus der Atmosphäre, der Verflüssigung und Lagerung des Gases reichlich verdienen kann? Zugleich könnte sich die Industrie als unverzichtbarer Retter der Menschheit aufspielen - ungeachtet dessen, daß sie es war, die sich gegen eine rasche CO2-Emissionsminderung gesperrt hat.

Die zweite Studie bzw. Studiensammlung hat nicht die Diskrepanz zwischen den nationalen Klimaschutzzusagen und dem 2-Grad-Ziel zum Thema, sondern sie fragt, welche Folgen auch dann aufträten, würde dieses Ziel eingehalten. Das Ergebnis sieht für die Menschheit nicht gut aus: Bis Ende des Jahrhundert würde der Meeresspiegel um einen halben Meter, bis zum Jahr 2300 um deutlich mehr als einen Meter steigen. Aus flachen Küstengebieten und Flußdeltas würden voraussichtlich 500 Millionen Menschen vertrieben, aus küstennahen Städten, die bereits heute als Folge des Grundwasserverbrauchs und des Gewichts der auflastenden Gebäudemassen absinken, weitere 400 Millionen.

Hitzeperioden und Überschwemmungen, Stürme und außergewöhnliche meteorologische Ereignisse zählen zu den Haupstreßfaktoren, die auch zu deutlichen Verminderungen der Ernährungssicherheit beitragen. Genannt werden hier Oman, Indien, Bangladesch, Saudi-Arabien und Brasilien.

Was in dem AFP-Bericht nicht näher ausgeführt wird: Sollten sich die beschriebenen Szenarien erfüllen, wäre damit zu rechnen, daß Menschen in großer Zahl verhungern, und in den typischen Verarmungs- und Hungerregionen würde es eine Zunahme bewaffneter Konflikte um die letzten verbliebenen Nahrungsressourcen geben. Auch die durch den Meeresspiegelanstieg erzwungene Migration von rund einer Milliarde Menschen birgt ein extrem hohes Konfliktpotential, weil die anderen Menschen zusammenrücken und die Klimaflüchtlinge aufnehmen müßten.

Die für landwirtschaftlichen Anbau geeignete Landfläche ist global begrenzt und bereits heute weitgehend ausgeschöpft. Geht nun fruchtbare Landfläche verloren, dürfte das die Nahrungsnot, die bereits heute über 800 Millionen Menschen täglich erleiden, verstärken.

Daß die Menschheit ihre CO2-Emissionen bis 2030 halbiert, wie in der PIK-Studie angesprochen, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Zumal der nächste UN-Klimagipfel in Polen stattfindet. Unser Nachbar im Osten hat mit der PIS eine rechtsgerichtete Regierung, die unter dem Vorwand der Schädlingsbekämpfung umfangreiche Rodungen im Bialowieza-Urwald vorgenommen hat und weiterhin auf Stromgewinnung aus der Kohleverbrennung setzt. Ein "schnelles Beenden der Kohleverstromung" in entwickelten Ländern, wie von PIK-Chefökonom Ottmar Edenhofer und Co-Autor der Studie empfohlen, ist vom Gipfelgastgeber nicht zu erwarten.


Fußnoten:

[1] https://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/wenn-emissionen-jetzt-rasch-sinken-spart-das-spaetere-kosten-und-es-muss-nicht-soviel-co2-nachtraeglich-aus-der-luft-geholt-werden

[2] http://www.spacedaily.com/reports/Two_degrees_no_longer_seen_as_global_warming_guardrail_999.html

3. April 2018


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