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KLIMA/568: Australien präsentiert Klimaschutzziele - mehr als ein gutes Geschäft? (SB)


Der Teufel liegt im Detail


Australiens Premierminister Tony Abbott hat die Klimaschutzziele bekanntgegeben, mit denen sein Land im Dezember in Paris in die Verhandlungen zu einem neuen internationalen Klimaprotokoll antreten will. Bis 2030 will Australien seine CO2-Emissionen um 26 - 28 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 reduzieren. Damit übernehme man nicht die Führung im Klimaschutz, aber laufe auch nicht hinterher und befände sich inmitten vergleichbarer Staaten, meinte der konservative Regierungschef. [1]

Wie zu erwarten, wird Abbott, der gelegentlich als Kohlelobbyist und Klimaskeptiker bezeichnet wird, von der oppositionellen Labor Party sowie von Umweltorganisationen kritisiert. Die Ziele werden als viel zu unambitioniert bezeichnet, und in den Medien werden Rechnungen aufgemacht, Diagramme erstellt und Vergleiche Australiens mit anderen Nationen gezogen. Das hat selbstverständlich seinen Stellenwert - wurde doch beispielsweise mit 2005 ausgerechnet ein Basisjahr gewählt, in dem die CO2-Emissionen Australiens besonders hoch waren -, doch rücken bei der Debatte um Vergleichswerte zwei wesentliche Dinge in den Hintergrund, die eigentlich vordringlich besprochen werden müßten.

Erstens handelt es sich bei diesen Zielvorgaben, die als Intended Nationally Determined Contributions (INDCs) - "angestrebte nationale Beiträge" - beim UN-Klimasekretariat eingereicht werden, um bloße Versprechungen. Wer sich wo mit seinen Klimaschutzzielen auf welche Weise positioniert, ist so lange nebensächlich, wie die Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Bis dahin bleiben alle Emissionsziele nur Papiertiger, vergleichbar mit der Zusage der reichen Länder, einen bestimmten Prozentsatz ihres Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe aufzuwenden. Die meisten Staaten erreichen ihr festgelegtes Ziel bereits seit vielen Jahren nicht, wohingegen an Versprechungen und vermeintlich guten Vorsätzen kein Mangel besteht ...

Ausgehend von den gegenwärtigen Trends steht fest, daß sich die Erde weiter erwärmen wird. Das zum internationalen Maßstab erkorene Ziel, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, würde weit verfehlt - und dieses Ziel wäre schon ein fauler Kompromiß zu Lasten der besonders vom Klimawandel betroffenen Staaten, die die globale Erwärmung auf 1,5 Grad beschränken wollen. Welche Ziele auch immer Australien und andere Staaten ankündigen - die gegenwärtigen Emissionstrends werden die Durchschnittstemperatur auf über vier Grad Celsius steigen lassen. Kurzum, die Frage nach der Verbindlichkeit der Zusagen wird bislang vernachlässigt; um diese heikle Frage ist es auffällig still geworden beim Klimaschutzdiskurs.

Die zweite vernachlässigte Frage ist vielleicht sogar noch wichtiger: Auf welche Weise wollen die Staaten ihre Ziele erreichen? Solange Australien keine detaillierten Pläne veröffentlicht hat, können dazu nur allgemeine Aussagen getroffen werden. So heißt es in einer vom australischen Umweltministerium herausgegebenen Broschüre "Australia's 2030 Emission Reduction Target" (Australiens Emissionsreduktionsziel 2030), daß man Genaueres erst 2017, 2018 sagen könne. [2]

In der Broschüre wird festgestellt, daß Australien 2014 mehr als 60 Prozent seines elektrischen Strombedarfs mittels Kohle generiert hat. Es fällt jedoch auf, daß keine Aussage darüber gemacht wird, ob sich das Land überhaupt - und wenn ja, in welcher Form - von diesem besonders emissionsstarken Energieträger verabschieden will. Statt dessen werden unverbindliche Phrasen gedroschen wie, daß der Klimawandel "ein globales Thema" sei und alle Staaten "zusammenarbeiten" müßten, um es anzugehen, etc.

Abbott erklärte, daß er die Industrie nicht mit allzu harten Auflagen belasten will. Nicht erwähnt hat er, daß er auch diejenigen, die durch ihren gehobenen Lebensstil für besonders viele CO2-Emissionen verantwortlich sind, nicht zur Kasse bitten will. Eine Besteuerung des CO2-Verbrauchs steht selbstverständlich nicht auf seiner Agenda, hat er doch die CO2-Steuer erst im vergangenen Jahr abgeschafft (und die staatliche Klimakommission gleich mit).

Die Regierung unterstützt mit seiner Klimapolitik unter anderem die wirtschaftsfreundliche Initiative "Global Green Growth" sowie Maßnahmen zum Schutz vor Entwaldung. Viele der aus diesen Bereichen stammenden Konzepte müssen allerdings sehr genau dahingehend geprüft werden, ob es sich nicht um Luftnummern handelt. Beispielsweise Entwaldung. Eigentlich sollte man annehmen, daß die Bemühungen, das Abholzen von Wäldern zu stoppen, im Sinne des Klimaschutzes sind, "speichern" doch Bäume Kohlenstoff. Die UN-Verhandlungen über den Stop der Entwaldung sind sogar schon so weit gediehen, daß der Schutz und die Bewahrung von Wäldern als Klimaschutzmaßnahme anerkannt werden soll.

Das heißt, ein Land könnte im Rahmen solcher Maßnahmen, die unter dem Titel REDD+ firmieren [3], einen finanziellen Ausgleich dafür erhalten, daß es einen Wald nicht abholzt und behauptet, eigentlich würde es ihn abholzen, um das Land wirtschaftlich nutzbar zu machen. Je größer das Bedrohungsszenario für dieses Waldgebiet aufgebaut wird, desto größer müßte logischerweise der Ausgleich sein, den es dann beispielsweise in Form von Klimaschutzzertifikaten zugesprochen bekommt. "Das ist doch pervers!", sagte die Biologin Jutta Kill, eine Expertin auf diesem Gebiet und ausgewiesene Kritikerin des Europäischen Emissionshandelssystems, im Mai auf einer Konferenz mit dem vielsagenden Titel "Wird der Wald für den Klimaschutz verheizt?" in Bonn. [4]

Wie gesagt, die Klimaschutzpläne der australischen Regierung sind noch nicht konkretisiert. Doch in Formulierungen aus offiziellen Broschüren wie "Australia's 2030 Emission Reduction Target" verbergen sich solche Verkehrungen des Klimaschutzes, wie Kill sie moniert. Australiens Regierung schreibt, im vergangenen November sei beim Asien-Pazifik Regenwaldgipfeltreffen in Sydney ein Prozeß losgetreten worden, "um größere Reduzierungen der Entwaldung auf regionaler Ebene zu fördern". Australien könne Entwicklungsländer bei der Implementierung von "Strategien des grünen Wachstums" unterstützen.

Auch die Formulierung, daß Australien "Weltführer" auf dem Gebiet der Stärkung der Kohlenstoffaufnahmefähigkeit der Böden ist und daß diese "ein enormes Potential" bergen, könnte sich bei näherer Betrachtung als zweischneidiges Schwert erweisen, denn Abbott steht für industrielle und nicht für biologische Landwirtschaft ein. Einerseits zeichnet sich zwar ein umweltschonender und emissionsarmer biologischer Landbau genau dadurch aus, daß das Agrarland über einen hohen Anteil organischen Materials verfügt und damit reichlich Kohlenstoff gebunden hat. Andererseits reklamiert ausgerechnet die Anbaumethode der Grünen Gentechnik für sich, besonders klimaschonend zu sein. Die Landwirte bräuchten das organische Restmaterial nach der Ernte nicht mehr unterzupflügen. So werde verhindert, daß die Böden beim Pflügen Treibhausgase emittieren. An Stelle dessen werden mit Hilfe von Herbiziden (beispielsweise auf der Basis von Glyphosat, das die Grünanteile der Pflanzen chemisch verdorren läßt) Pflanzenreste und Unkräuter zersetzt.

Ob Totspritzen statt Pflügen eine wünschenswerte Antwort auf den Klimawandel ist, ist doch sehr die Frage. Zumal nicht zu pflügen bedeutet, die Bodenverfestigung zu verstärken. Und sollten dann auch noch die Regenwürmer durch die Spritzbehandlung der Felder mit Glyphosat sterben, wie in einer aktuellen wissenschaftlichen Studie festgestellt wurde [5], dann reduziert sich die Bodenauflockerung noch mehr.

Aber sich die Speicherung von Kohlenstoff im Boden als Klimaschutzmaßnahme anrechnen zu lassen, könnte sich gerade für ein Land wie Australien als äußerst profitabel erweisen! Denn die intensiv betriebene Bewässerungslandwirtschaft hat die Böden stellenweise ziemlich ausgelaugt, das heißt, vor allem ihrer organischen Bestandteile beraubt. Zu dieser Entwicklung müßten sowieso Gegenmaßnahmen ergriffen werden, um das landwirtschaftliche Produktionsniveau langfristig halten oder gar noch ausbauen zu können. Ähnlich wie beim obigen Beispiel des Waldschutzes wäre es dann sogar von Vorteil, wenn man jahre- oder jahrzehntelang Raubbau am Boden betrieben hätte. Um so höher fiele dann das - zumindest rechnerische - Speicherpotential für Kohlenstoff aus. Schlechte Böden? Kein Problem, um so besser das Geschäft mit Kohlenstoffzertifikaten, könnte die Devise lauten.

Auch wegen solcher Beispiele wäre es kurzsichtig, die Bekanntgabe der Klimaschutzziele Australiens allein in den Vergleich zu den Versprechungen zu stellen, die andere Staaten im Vorfeld des Pariser Klimagipfels abgegeben haben. Die Kritik könnte tiefer greifen und auch die Produktionsweisen an sich aufs Korn nehmen. Da sind die Unterschiede zwischen Ländern wie USA, China, EU, Indien und Australien weniger groß als innerhalb dieser Länder zwischen beispielsweise biologischem und agroindustriellem Anbau oder allgemein zwischen einer profitorientierten, die private Aneignung fördernde und einer solidarischen Ökonomie, die das Gemeinwohl stärkt.

Wenn im Dezember Vertreterinnen und Vertreter der internationalen Staatengemeinschaft in Paris zusammenkommen und es voraussichtlich als einen besonders gelungenen Ansatz preisen werden, daß sie helfen, CO2-Emissionen zu vermeiden, bevor sie überhaupt entstehen, dann impliziert dieser Vorschlag die unausgesprochene Warnung, man könnte ja auch das Gegenteil tun und über den Umweg der CO2-Emissionen und globalen Erwärmung die Lebensvoraussetzungen vieler Menschen insbesondere in den ärmeren Ländern zerstören. Daß man so nett ist, das nicht zu tun, sollte dann als Klimaschutzmaßnahme angerechnet werden. Und wenn man schon dabei ist: man hätte da noch einige ausgelaugte Böden, die nur noch bei gleichzeitig kräftiger Düngung etwas hergeben - ein enormes Potential der Kohlenstoffbindung!

Daß das nicht im mindesten eine übertriebene Beschreibung ist, zeigt eine andere Broschüre [6] der australischen Regierung, in der ausgemalt wird, wie Farmer an Gelder aus dem "Emissions Reduction Fund" gelangen können. Als Fallbeispiel wird eine Rancher-Familie angenommen, die nach einer weiteren Einkommensquelle zu ihrer Viehwirtschaft sucht. Normalerweise würde die Familie ihr Land so präparieren, daß Weideflächen für das Vieh entstehen. Aber es gebe da auch unproduktive Flächen, wo das Gras nicht so gut wächst. Der Farmer könnte die Fläche als "Emissions Reduction Fund project" registrieren lassen und dann den "heimischen Bäumen gestatten, auf diesen unproduktiven Weiden zu gedeihen". Während der gesamten Projektzeit müsse der Farmer die Fläche hüten, um Schäden durch Waldbrände, Unkräuter und Wildtiere zu minimieren. Die hierfür erhaltenen "carbon credits" (Kohlenstoffkredite) könnten dann veräußert werden.

Es ist sicherlich zu begrüßen, wenn australische Landwirte eine extensive Landwirtschaft betreiben, aber wenn die Regierung dies als nationale Klimaschutzpolitik verkauft und es auch noch belohnt würde, daß die Landwirte kompensieren, was an anderer Stelle die Kohlewirtschaft an Emissionen in die Luft pustet, dann darf sich derjenige als größter Klimaschützer aufspielen, der die raffiniertesten buchhalterischen Konstruktionen erfindet.


Fußnoten:

[1] http://www.theguardian.com/australia-news/2015/aug/11/tony-abbott-defends-2030-emissions-target-criticised-as-pathetically-low

[2] tinyurl.com/opu56ym

[3] REDD+ bedeutet: Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation and the role of conservation, sustainable management of forests and enhancement of forest carbon stocks in developing countries, z. Dt.: Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung sowie die Rolle der Bewahrung und nachhaltigen Bewirtschaftung von Wald und dessen Ausbau als Kohlenstoffspeicher in Entwicklungsländern.

[4] http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0192.html
und
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umrb0102.html

[5] http://www.keine-gentechnik.de/news-gentechnik/news/de/30992.html

[6] tinyurl.com/pncnhyc

11. August 2015


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