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KLIMA/551: Rettungsanker Geoengineering? (SB)


Wissenschaftler entwerfen Szenario einer angeblich moderaten Form des Solar Radiation Managements


Wenn alle Stricke reißen und bei den internationalen Klimaschutzverhandlungen nicht die notwendigen Schritte zur CO2-Reduktion beschlossen werden, um die globale Erwärmung zu begrenzen, sollten wir zumindest einen Plan B haben. Das ist die Einstellung vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die durchaus vermeiden wollen, daß ein solcher Plan greift, aber das auch nicht ausschließen würden, weil damit eventuell Schlimmeres verhindert werden könnte. [1]

Viel wird davon abhängen, was bei der UN-Klimakonferenz Anfang Dezember in Paris herauskommt; die bisherigen Vorbereitungstreffen lassen allerdings keinen entscheidenden Durchbruch erwarten. Was nicht verwundert, ließe es doch allein schon das vorherrschende Wirtschaftssystem gar nicht zu, daß beispielsweise ein Unternehmen auf seine Vorteile zugunsten eines übergreifenden Ziels wie "Schutz des Erdklimas" verzichtet. Und auch die Regierungen, die den Akteuren in der Wirtschaft im Prinzip Zügel anlegen könnten, konkurrieren, was bedeutet, daß es sich keine Regierung leisten kann, für ein nicht unmittelbar in politischen Machterhalt oder -zuwachs umzumünzendes Ziel Einschränkungen ihrer Handlungsfähigkeit hinzunehmen, will sie nicht beim großen Ringen ins Hintertreffen geraten.

Unter "Plan B" werden in diesem Zusammenhang Maßnahmen des Geoengineerings bzw. Climate Engineerings verstanden. Die teilen sich in die beiden Hauptgruppen CDR (Carbondioxid Removal - Entfernen von Kohlendioxid) und SRM (Solar Radiation Management - Beeinflussung der Sonneneinstrahlung) auf, wobei letztere als relativ schnell wirksam gilt und somit geradezu prädestiniert für einen Plan B wäre.

Als Vorbild für eine bestimmte Methode des SRM gilt der Ausbruch des philippinischen Vulkans Pinatubo 1991. Die aufsteigende Asche- und Rauchwolke war besonders schwefelhaltig und hat so viele Partikel bis in die Stratosphäre getragen, daß sich diese als dünne Schicht um die ganze Erde legten. Ein Teil des Sonnenlichts wurde reflektiert, noch bevor es die Erde erwärmt hatte, und 1992 ging die globale Durchschnittstemperatur um 0,5 Grad Celsius zurück. Die Abkühlung wurde schon im Jahr danach wieder ausgeglichen. Durch die Eruption des Mount Pinatubo gelangten schätzungsweise 20 Mio. Tonnen Schwefeldioxid (SO2) in die Atmosphäre.

Ein Notfallplan zur Rettung des Erdklimas könnte so aussehen, daß Schwefelpartikel, die das Sonnenlicht besonders gut reflektieren, künstlich in der Stratosphäre ausgebracht werden. Der gewünschte Effekt würde innerhalb von ein, spätestens zwei Jahren deutlich spürbar sein. Die unerwünschten Folgen dagegen würden vielleicht etwas länger brauchen, bis sie eintreten, aber es besteht in der Wissenschaft kein Zweifel daran, daß sie eintreten. Durch die Schwefelinjektionen würde zum Beispiel die Versauerung der Meere verstärkt.

Aber, so die an dieser Methode forschenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, im Verhältnis zu den Schwefelemissionen, die sowieso aufgrund der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle in die Atmosphäre gelangen, würden die Folgen aufgrund der absichtlich ausgebrachten Schwefelmenge verschwindend gering sein. Jährliche Injektionen von rund 5 Mio. Tonnen SO2 genügten, um den Grad der Erwärmung durch CO2-Emissionen auszugleichen, heißt es. Die Kosten eines solchen SRM-Programms beliefen sich auf 5 Mrd. Dollar pro Jahr - ein Bruchteil der geschätzten 250 Mrd. Dollar, die jedes Jahr für konventionelle Klimaschutzmaßnahmen wie zum Beispiel die Verringerung von CO2-Emissionen aufgebracht werden müßten.

Problematischer seien die Folgen für die Ozonschicht, die vom Schwefel angegriffen würde. Durch diese Methode der künstlichen Abkühlung der Erde nähme die Niederschlagsmenge insbesondere in den Tropen ab. Das könnte sich auf den Monsun auswirken, der dem indischen Subkontinent regelmäßig Niederschläge bringt, die für die Landwirtschaft unverzichtbar sind. Auch würde die Photosyntheseleistung von Pflanzen beeinträchtigt.

Nach dem bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand steht fest, daß einige Regionen Nachteile erleiden, was anderen wiederum zum Vorteil gereichen könnte. So kann man nicht davon ausgehen, daß sich die Erde über alle Regionen gleichmäßig abkühlt, was sich möglicherweise auf die Windsysteme und Meeresströmungen auswirkt. Es könnten neue Kippunkte entstehen, die, werden sie überschritten, das bislang vertraute Regime von Klima und Meeresströmungen völlig auf den Kopf stellen, vergleichbar mit den sporadisch auftretenden Klimaumkehrphänomenen El Niño und El Niña.

Solange zeitgleich zu den SO2-Injektionen keine wirksamen Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen ergriffen werden - und das Szenario wäre ja Voraussetzung dafür, daß Plan B umgesetzt wird - dürfte man nicht mehr aufhören, Schwefel in die Stratosphäre zu blasen. Andernfalls träte ein "termination shock" ein, bei dem die Temperaturen noch über den Ausgangswert, an dem mit Geoengineering begonnen wurde, hinausschössen.

All diese negativen Folgen sind nicht der SRM-Technik inhärent, behaupten die Wissenschaftler David W. Keith von der Universität Harvard und Douglas G. MacMartin vom California Institute of Technology in Pasadena im aktuellen Journal "Nature Climate Change", sondern sie sind nur den üblichen Szenarien inhärent. [2]

Sie dagegen hätten ein Szenario entworfen, das zeitlich befristet, in seiner Ausführung moderat und von seiner Zielsetzung her nur auf die Aufhebung der Auswirkungen der Hälfte der anthropogenen Treibhausgase ausgelegt sei. Im Lichte neuer Erkenntnisse könnte ihre Methode modifiziert werden. Der in anderen Studien zum Geoengineering berechnete Rückgang der Niederschlagsmenge in den Tropen um 30 Prozent und das Auslösen einer Dürre in Indonesien könnten durch ein maßvolles Ausbringen von Schwefelpartikeln vermieden werden, behaupten die Forscher.

Geoengineering bzw. Climate Engineering ist erst seit wenigen Jahren ein Thema, das sowohl in den Natur- als auch Sozialwissenschaften eine breitere Aufmerksamkeit erlangt hat. Es sind Studien wie die von Keith und MacMartin, die zum Eindruck der Machbarkeit des Geoengineerings beitragen - ungeachtet der vielen offenen Fragen, von denen man weiß, und der vielen offenen Fragen, von denen man noch nicht einmal weiß, daß man nichts von ihnen weiß ...


Fußnoten:

[1] Plan B war ein häufiger Gesprächsgegenstand auf der ersten internationalen Climate Engineering Conference 2014 (CEC'14), die vom IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) vom 18. bis 21. August 2014 in Berlin organisiert wurde. Lesen Sie dazu Berichte und Interviews des Schattenblick im Pool UMWELT → REPORT unter dem kategorischen Titel "Klimarunde, Fragestunde".

[2] David W. Keith & Douglas G. MacMartin: "A temporary, moderate and responsive scenario for solar geoengineering", Nature Climate Change (2015) doi:10.1038/nclimate2493.
http://www.nature.com/nclimate/journal/vaop/ncurrent/full/nclimate2493.html

22. Februar 2015


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