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KLIMA/359: Wassermangel in Kalifornien - schwere Ernteeinbußen (SB)


Kalifornien erlebt das dritte Jahr in Folge eine schwere Dürre

Zahlreiche Felder im wichtigsten Obst- und Gemüseanbaugebiet der USA liegen brach

Fachleute rechnen mit Verknappung und Verteuerung von Lebensmitteln; Aufstände wären die logische Folge


Es gab mal eine Zeit, da sagte den Leuten der Song "It never rains in Southern California" etwas. Heute fragen sie sich: Wieso nur im Süden? Es regnet doch auch im Norden, Westen und Osten Kaliforniens nicht. Ungeachtet der jüngsten Regengüsse im Großraum Los Angeles und anderen Regionen des Westküstenstaats der USA herrscht dort nach wie vor extreme Wasserknappheit. Zu den kurzfristigen Problemen gehört, daß vielerorts die Rasenflächen und Gärten nicht gesprengt werden dürfen und verdorren; langfristig hingegen ist mit Ernteausfällen in diesem wichtigsten landwirtschaftlichen Anbaugebiet der Vereinigten Staaten zu rechnen. Die Hälfte des in den USA konsumierten Obstes und Gemüses stammte bisher aus Kalifornien.

Für einen gehörigen Schrecken bei seinen Landsleuten hatte der neue Energieminister Steven Chu Anfang des Monats gesorgt, als er behauptete, daß in Kalifornien in Folge des Klimawandels künftig womöglich überhaupt keine Landwirtschaft mehr betrieben werden könne. [1] Zu einem zweiten Schock kam es bei denjenigen, die Chu zunächst nicht glaubten und seine Angaben überprüft haben ...

Beim gegenwärtigen Trend rechnen Klimaforscher damit, daß die Schnee- und Eisflächen der Sierra Nevada, deren Schmelzwässer eine unverzichtbare Quelle für die Bewässerungswirtschaft Kaliforniens sind und zwei Drittel zur Wasserversorgung dieses US-Bundesstaates beitragen, um 90 Prozent schrumpfen werden.

Schon drei Jahre lang herrscht in Kalifornien Dürre; entlang des für die Wasserversorgung wichtigen Colorado-Flusses sogar in den letzten acht von neun Jahren. Die Schnee- und Eisdecke in den kalifornischen Bergen besaß im Januar nur noch 61 Prozent ihres durchschnittlichen Volumens, teilte die Behörde für Wasser-Ressourcen (DWR - Department of Water Resources) mit. Das entspricht einem Rückgang um 15 Prozent gegenüber der Abschätzung vom Dezember 2008. Es sei unverzichtbar, daß die Kalifornier ab sofort Wasser einsparen, zu Hause und in ihrem Betrieb, forderte DWR-Direktor Lester Snow laut der Internetseite marketskeptics.com. [2]

Eigentlich sind Dezember und Januar die niederschlagsreichsten Monate an der US-Westküste, doch hat die Sierra Nevada nur ein Drittel der durchschnittlichen Schneemenge erhalten. Die Hauptversorgungsader für die Städte und die Landwirtschaft in Kalifornien vermag nur noch 15 Prozent des Bedarfs zu decken. Angesichts der verheerendsten Dürre in der Geschichte des Staates appellierte Governer Arnold Schwarzenegger im Januar an die Bevölkerung, Wasser zu sparen, und er versprach, daß die Wasser-Infrastruktur durch das Anlegen von Rückhaltebecken und die Erneuerung des Leitungsnetzes, den Schutz des Ökosystems des Sacramento-Deltas und die Förderung von Wassereinsparmöglichkeiten verbessert werden soll. [3]

25 lokale Wasserversorger haben bereits begonnen zu rationieren. Den landwirtschaftlichen Betrieben in den bedeutenden Agrarregionen Fresno und Kings wurde seitens des größten Versorgers in der Bewässerungswirtschaft, Westlands Water, mitgeteilt, sie möchten sich darauf einstellen, daß sie in diesem Jahr womöglich gar kein Wasser erhalten. Und die Gemüseerzeuger stellen sich darauf ein. Sie werden nur noch so viel Saat ausbringen und aufziehen, wie sie glauben durchbringen zu können. Das wird einer der Gründe sein, warum Experten für dieses Jahr wieder mit steigenden Lebensmittelpreisen in den USA rechnen.

Tausende Hektar wurden in diesem Winter nicht bewirtschaftet. In Fresno beispielsweise wurde nicht einmal die Hälfte des normalerweise bewirtschafteten Agrarlands bestellt. Vermutlich gehen aufgrund des Wassermangels 60.000 Arbeitsplätze verloren, kündigte der Agrarökonom Prof. Richard Howitt von der Universität von Kalifornien in Davis an. [2]

Wissenschaftler führen den Regenmangel in Kalifornien auf das globale Klimasystem namens La Niña zurück, das normalerweise alle paar Jahre auftritt und sich mit dem Klimaphänomen El Niño abwechselt. Ein herausstechendes Merkmal von El Niña ist eine Abkühlung des Oberflächenwassers im tropischen Ostpazifik. Dieser Effekt ist allerdings bereits die Folge einer veränderten Meeresströmung, nimmt aber ebenfalls Einfluß auf die Meeresströmungen, Windsysteme und - als besonders folgenschweres Phänomen - die Verdunstungsrate, die deutlich geringer ausfällt. Aufgrund der El-Niña-Phänomene in der Vergangenheit rechnen Meteorologen mit einem besonders trockenen Frühjahr für Kalifornien. Da der Sommer sowieso meist trocken und heiß ist, wird sich die Lage in der dortigen Landwirtschaft in absehbarer Zeit nicht entspannen.

Vor dem Hintergrund schwerster Dürren in Australien, China, Ostafrika, Argentinien und Uruguay dürfte nach dem Auf und Ab der globalen Nahrungsmittelpreise im Jahr 2008 der Trend in nächster Zeit wieder nach oben weisen. Möglicherweise sogar sehr steil und über die Höchstmarken vom vergangenen Jahr hinaus, denn zu den derzeit schlechten klimatischen Produktionsbedingungen kommt nun noch die weltweite Wirtschaftskrise hinzu, so daß voraussichtlich die globale Getreideernte nicht mehr gesteigert werden kann.

Die US-Regierung stellt sich bereits auf soziale Unruhen im eigenen Land ein, nachdem in urbanen Räumen zahlreiche Zeltstädte wie Pilze aus dem Boden schießen. Dort leben Flüchtlinge, die von den gesittet wirkenden Warlords in ihren Beton- und Glaspalästen der Metropolen mit den hochwirksamen Waffen der Verschuldung und Pfändung aus ihren Häusern vertrieben wurden und nun obdachlos sind. Sollte das Konfliktpotential weiter anschwellen, steht erstmals in der Geschichte der Vereinigten Staaten eine kampferprobte Militäreinheit auf heimischem Boden bereit, um Aufstände gewaltsam einzudämmen.

In Europa schließen sich die Sicherheitsbehörden mit denen der USA, aber auch untereinander enger zusammen, um auch hier einen parallelen Verlauf der Verarmung nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. In den letzten Monaten kam es zu Demonstrationen und Unruhen in Griechenland, Polen, Rumänien, England, Island, Litauen und Lettland. Noch ging es bei den Protesten in Europa um wirtschaftliche Fragen, noch sind die Lebensmittelregale gefüllt, noch liefern sich die Discounter in Deutschland und anderswo einen erbitterten Preiskampf, zum befristeten Vorteil der Verbraucher.

Wenn aber auch Europa, wo es zuletzt 2003 zu einer schweren Dürre kam, ein Jahr mit großen Ernteausfällen erlebt und Nahrung mehr als bisher auf dem Weltmarkt gekauft werden muß, werden die Europäer mit anderen Weltregionen um die zu knappen Nahrungsmengen konkurrieren müssen. Das könnte die Lebensmittelregale leeren. Die britische Regierung hat im vergangenen Jahr, unter dem Eindruck des dramatischen Preisanstiegs für Lebensmittel, eine Task Force zur Sicherung der Nahrungsversorgung für die Bevölkerung eingerichtet und angekündigt, daß die Menschen künftig Verzicht üben müßten und nicht mehr alle Lebensmittel in den Regalen finden werden. [4] Kate Bailey, Projektleiterin des britischen Think Tanks Chatham House, forderte, es werde Zeit, daß Großbritannien Nahrung "strategisch" betrachtet. Das zeigt, daß die Sicherung von Nahrung vor dem Hintergrund des Klimawandels ein hochbrisantes politisches Thema ist, richtet sich doch eine Strategie zur Durchsetzung des eigenen Interesses stets gegen die Interessen anderer.


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Anmerkungen:

[1] "Energy Secretary Warns Agriculture May Vanish In California As A Result of Global Warming", 4. Februar 2009.
http://www.allheadlinenews.com/articles/7013948479

[2] http://www.marketskeptics.com/, Zugriff am 10. Februar 2009.

[3] "Snow study shows California faces historic drought", 29. Januar 2009.
http://www.reuters.com/article/environmentNews/idUSTRE50S7NK20090130

[4] Siehe im Schattenblick, Infoppool POLITIK, MEINUNGEN: LAIRE/1051: Britischer Minister - "keine Garantie auf Nahrungsversorgung" (SB)

12. Februar 2009