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KLIMA/295: Golfstrom versiegt nun doch nicht (SB)


Warme Meeresströmung aus der Karibik ist starken jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen


Im Dezember 2005 hatten britische Wissenschaftler berichtet, daß sich der Golfstrom seit 1957 um 30 Prozent abgeschwächt habe. Nun wird Entwarnung gegeben. Die Daten seien falsch interpretiert worden, heißt es. Der Golfstrom sei jahreszeitlich starken Schwankungen unterworfen, und damals habe man im Frühjahr, wenn der warme Meeresstrom aus der Karibik besonders gering ausgeprägt sei, gemessen. Aktuellen Daten zufolge hat sich die Meeresströmung nicht sonderlich verändert.

Von einer Entwarnung in diesem Zusammenhang sollte allerdings nicht gesprochen werden. Denn selbst wenn das von Roland Emmerich in dem Kinofilm "The Day after Tomorrow" völlig überspitzte Szenario eines versiegenden Golfstroms und einer schlagartig über Europa hereinbrechenden Eiszeit nicht einmal in der von Wissenschaftlern propagierten milderen Version einer zumindest allmählichen Abkühlung Europas einzutreten scheint, so liefern die jüngsten Meßdaten des Rapid Climate Change Programme Anhaltspunkte für die Empfindlichkeit des Systems.

Im Jahr 2004 waren entlang des 26,5. Breitengrades Nord quer über den Atlantik Meßbojen installiert worden, um Daten unter anderem zur Temperatur und Strömungsgeschwindigkeit des Golfstroms zu gewinnen. Damals hatten die Forscher um den Briten Harry L. Bryden vom National Oceanography Centre in Southampton im Wissenschaftsmagazin "Nature" berichtet, daß der Golfstrom im Vergleich zu Daten aus den Jahren 1957, 1981, 1992 und 1998 knapp ein Drittel seiner Kraft verloren habe. Dieser Behauptung lag aber nur eine einzige Meßreihe aus den Monaten März bis Mai zugrunde. Inzwischen wurde der gesamte Jahresverlauf erfaßt, und dabei stellten sich starke saisonale Unterschiede in der Strömungsgeschwindigkeit heraus. Der geringste Wert wurde im Februar gemessen, der größte im September. Der Unterschied zwischen den Extremen betrug 800 Prozent.

Bryden und seine Kollegen, die auch diesmal an der Arbeit beteiligt waren, haben somit ihre frühere Behauptung zurückgenommen und über ein auf den ersten Blick beruhigendes Szenario berichtet. Erst nach einer zehnjährigen Meßreihe könne man Aussagen über Trends machen, hieß es.

Ungeachtet dieser "Entwarnung" seien an dieser Stelle einige Überlegungen erlaubt. Ein kontinuierlich fließender Golfstrom ist berechenbarer als einer mit schwankender Intensität. Bislang hat es den Anschein, als gäbe es ein natürliches System, das sich selbst reguliert, so daß der Motor des Golfstroms regelmäßig zum Sommer hin angeworfen wird. Je kräftiger der warme Meeresstrom, der sich entlang der Oberfläche bewegt, desto stärker muß auch der Rückfluß des kühleren Wassers am Meeresgrund des Atlantiks in Richtung Karibik sein.

Schwankende Systeme tendieren jedoch dazu, sich chaotisch zu verhalten. In diesem Fall könnte das bedeuten, daß ein Anstoß an der "falschen" Stelle womöglich fundamentale Veränderungen mit sich brächte. Das muß nicht einmal nur den eigentlichen Golfstrom an der Oberfläche betreffen, der sich in drei Hauptströmungen aufspaltet, sondern könnte auch den Rückfluß des Wassers am Ozeangrund verändern.

Ein solcher Impuls auf das System könnte durch das Ausbleiben des kalten, salzhaltigen und schwereren Wassers aus dem Nordmeer nach Süden erfolgen. Vermehrte Niederschläge in der Arktis und das Abtauen der Gletscher senken den Salzgehalt des Nordmeers aufgrund des vermehrten Süßwassereintrags, gleichzeitig wird das Meer aufgrund des Klimawandels erwärmt. Beide Faktoren zusammen könnten irgendwann darauf hinauslaufen, daß das weniger salzhaltige und wärmere Wasser nicht mehr am Ozeanboden nach Süden fließt. Dadurch fiele ein wichtiges Antriebsmoment des Golfstroms weg.

Ob überhaupt und ab welchen Zeitpunkt dies dazu führt, daß der Golfstrom nicht mehr aus seiner Schwächephase herauskommt, ist unklar. Nicht einmal ein plötzliches Versiegen aufgrund eines Umkippeffekts kann ausgeschlossen werden.

23. August 2007