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KLIMA/263: Ökologischer Fußabdruck - Speerspitze gegen die Armen (SB)


Repressionen werden "grün"

Britische Forscher fordern Differenzierung des "ökologischen Fußabdrucks"


Wohlhabende Bürger tragen mit ihrem Konsum zur Produktion von mehr Treibhausgasen bei als ärmere Menschen. Diese an sich banale Erkenntnis haben jetzt Forscher der Universität Oxford in einer detaillierten Studie nachgewiesen.

Das Problem besteht jedoch darin, daß ungeachtet dieser wissenschaftlichen Untersuchung auch in Zukunft die Armen überproportional repressiven Maßnahmen zum vorgeblichen Zweck des Klimaschutzes ausgesetzt sein werden. Denn das gesamte Wirtschaftssystem beruht darauf, daß Menschen in arm und reich geschieden werden, also in Personen, die über nahezu keinen gesellschaftlichen Einfluß verfügen, und Personen, die den Kurs bestimmen. Letztere haben gar kein Interesse daran, ihre privilegierte Position aufzugeben. Deshalb ist fest davon auszugehen, daß jene gesellschaftlichen Kräfte, die arm und reich geschaffen haben und immer wieder neu erzeugen, ebenso dafür sorgen werden, daß auch die Lasten des Klimaschutzes unverhältnismäßig zu Ungunsten der weniger wohlhabenden Menschen verteilt werden.

Dieses Umlastungsprinzip gilt nicht nur innerhalb einer Gesellschaft, sondern selbstverständlich auch auf globalgesellschaftlicher Ebene, wie am Beispiel USA aufgezeigt werden kann. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind der offiziellen Lesart zufolge für 25 Prozent der globalen anthropogenen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das ist jedoch noch ein geschönter Wert, denn die US-Gesellschaft läßt einen Großteil der von ihr verbrauchten Güter im Ausland produzieren, was zur Folge hat, daß die CO2-Bilanz dort negativer ausfällt, als wenn lediglich der eigene Verbrauch gerechnet würde. Das gilt beispielsweise für China. Die USA importieren sehr viel mehr Waren aus China als umgekehrt. Man kann sagen, daß China ein ausgelagerter Fabrikationsstandort der USA ist. (Das ist vereinfacht formuliert, um das wirtschaftliche Verhältnis zu verdeutlichen. Selbstverständlich profitiert auch China von seiner hohen Exportrate.)

Die oben erwähnten britischen Forscher haben ausgerechnet, daß ein Fünftel der Einwohner für 61 Prozent der klimaschädlichen Emissionen aus dem privaten Fahrzeugverkehr verantwortlich ist und daß die Mehrheit dieses Personenkreises zum wohlhabenden Teil der Gesellschaft zählt (The Guardian, 10.3.2007). Die Wissenschaftler Christian Brand und Brenda Boardman plädieren deshalb dafür, daß der "ökologische Fußabdruck" differenzierter gehandhabt werden sollte, damit die Unterschiede innerhalb der Gesellschaft berücksichtigt würden.

Das Anliegen ist vertraut und wird in vielen Spielarten vorgetragen, um gesellschaftliche Widersprüche dem Anschein nach zu beheben. Doch wenn das politische System es zuläßt und es sogar begünstigt, daß arm und reich entstehen (und die Armen in der Regel so an dem System beteiligt sind, daß sie gar nichts anderes anstreben, als zu den Reichen zu gehören), dann muß man auch beim Klimaschutz davon ausgehen, daß in Zukunft noch mehr als bisher von oben nach unten umgelastet werden wird.

Ein Beispiel dafür ist die Ökosteuer, wodurch die Benzinpreise unter der rot-grünen Bundesregierung enorm gestiegen sind. Davon sind vor allem die Geringverdiener betroffen, die jeden Euro umdrehen und sich zweimal überlegen müssen, welche Fahrten die Kasse zuläßt und welche nicht. Ein anderes Beispiel wäre der Wunsch nach einer Steuer auf Flugbenzin. Selbstverständlich ist es nicht einzusehen, daß eine CO2- produzierende technische Fortbewegungsart steuerlich belastet wird und eine andere nicht. Wenn jedoch eine Steuer auf Flugbenzin eingeführt werden würde, so beträfe das diejenigen am stärksten, die sich gerade mal eine Flugreise haben leisten können, um in Urlaub zu fliegen. Für diese Personen fiele die Möglichkeit zu fliegen weg, es wäre für sie zu teuer. Erneut werden die Reichen relativ begünstigt.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Ruf nach einer Differenzierung des ökologischen Fußabdrucks höchst brisant. Unter der Voraussetzung der hier geschilderten Gesellschaftsordnung wird daraus nichts anderes entstehen als ein ökoideologische Repressionsmittel zur Drangsalierung der untersten Bevölkerungsschichten. In der Konsequenz läuft dies wahrscheinlich auf eine individuelle Bewertung hinaus. Jeder Mensch wird vom Staat hinsichtlich seines ökologischen Fußabdrucks taxiert.

Kommt jetzt noch der Klimawandel mit seinen zu erwartenden negativen Folgen hinzu - Verlust an Lebensraum aufgrund des steigenden Meeresspiegels, Wassermangel, geringere Ernten -, so dürfte der Ruf nach einer Verrechnung des ökologischen Fußabdrucks mit der dann staatlich gelenkten Versorgung der Bevölkerung primär mit Wasser und Nahrung, sekundär mit Energieträgern und anderen das Überleben sichernden Produkten nicht lange auf sich warten lassen.

Für die Verwirklichung dieser Negativutopie gibt es bereits erste Hinweise: Da stellt sich die Bundesregierung an die Spitze der Umweltschützer, aber läßt letztlich die Steuerzahler für ihre beanspruchte "Klimaneutralität" bei Flugreisen aufkommen (siehe UMWELT\MEINUNGEN, Index LAIRE/046). Da fordern Politiker plötzlich die Bundesbürger auf, den Urlaub in der Heimat zu verbringen, da sie ja so schön sei und man gar nicht fliegen müsse. Und ein Fahrverbot an Sonntagen wäre auch ausgesprochen klimafreundlich - soll doch die Bevölkerung die Regeneration ihrer Arbeitskraft auf andere Weise bewerkstelligen. Wer das nicht schafft, wird tendenziell aus dem System herausgedrängt und darf seine Restgesundheit bei Zwangsarbeit verbrauchen.

Solche Anregungen, Vorschläge und Empfehlungen, wie sie von den Politikern der Regierung und der Opposition in letzter Zeit aufgeworfen wurden, können bekanntlich ziemlich schnell in Anweisungen, Verbote und Gesetze umgemünzt werden. Plötzlich steht Otto Normalverbraucher da, muß an Sonntagen sein Auto stehen lassen, darf oder kann nicht mehr ins Ausland fliegen, muß seine Glühbirnen durch teure, die Wirtschaft ankurbelnde Energiesparlampen ersetzen, kann sich die bislang preiswerte Holzverfeuerung nicht mehr leisten, weil er einen für seinen Geldbeutel zu teuren Filter gegen Feinstaub einbauen muß, und so weiter und so fort. Der Phantasie, welche Einschränkungen die Menschen künftig erleiden werden, um den Umweltvorschriften zu genügen, sind keine Grenzen gesetzt.

Wenn all die "tollen" Vorschläge zum Energiesparen immer wieder darin münden, insbesondere und im zunehmenden Maße die unteren gesellschaftlichen Schichten einzuschränken, müßten dann nicht völlig andere Konsequenzen gezogen werden, wollte man der Öko-Repression entgegentreten?

12. März 2007