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GENTECHNIK/293: Studie zur Glyphosatresistenz offenbart Methodenschwäche der Wissenschaft (SB)


Eigentlich keine Überraschung - Laborbedingungen verändern das Forschungsergebnis

Einige Anmerkungen zu Mitteln und Methoden der Wissenschaft aus Anlaß einer neuen Studie der Purdue-Universität



Als der Agrokonzern Monsanto in den neunziger Jahren begann, gentechnisch verändertes Saatgut auf den Markt zu werfen, brauchte er sich um die Folgen des nun einsetzenden Trends keine Sorgen zu machen. Im Gegenteil, niemand stellte (Grundsatz-)Fragen und der Verkauf der sogenannten GM-Saat lief bestens an. Zwar gelang es nicht, mit Hilfe der britischen Regierung klammheimlich einen Brückenkopf auf dem lukrativen europäischen Absatzmarkt einzurichten, dafür ließen sich andere Länder auf die nur unzulänglich erforschte Grüne Gentechnik ein. Heute wird mit dem Verkauf von Hybrid-Saatgut und dem dazu passenden Pflanzenschutzmittel ein riesiger Umsatz gemacht. Alles scheint prächtig zu laufen für Monsanto und andere Agrokonzerne, die GM-Saat verkaufen. Alles? Nein, nicht alles. In den letzten Jahren mehren sich Berichte von Landwirten über Unkräuter inmitten der stramm wie Gardesoldaten stehenden, einheitlich hohen und gleich geformten Hybridpflanzen.

Diese Innovatoren des Pflanzenreichs überstehen die Attacken mit Totalherbiziden, wachsen und vermehren sich und rauben jedes Jahr mehr den GM-Pflanzen das lebensnotwendige Lichts, so daß die Ernten kleiner ausfallen. Zugleich verhalten sich die Unkräuter renitent bei der Drusch, verklemmen und verkleben die mechanischen Teile der landwirtschaftlichen Geräte und sorgen schlußendlich für einen höheren Feuchtigkeitsgehalt der eingebrachten Ernte. Superunkräuter oder, auf Neudeutsch, Super Weeds werden diese wahren Öko-Rebellen auf dem Acker mit einer gewissen Ehrfurcht genannt. In den USA haben bereits acht Unkräuter eine relativ große Verbreitung gefunden [1].

Forscher der Purdue Universität [2] berichten nun, daß in ihrer Studie Ragweed (Ambrosie), das auf einem mit Gammastrahlen sterilisierten Boden herangezogen wird, eher Resistenzen gegen das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat entwickelt als Ragweed auf natürlichem Boden, der noch Bakterien und andere Mikroorganismen enthält. Der keimfreie Nährboden entspricht dem typischen Substrat, das in Forschungslaboren verwendet wird, in denen zum Beispiel herauszufinden versucht wird, warum Unkräuter gegen Glyphosat resistent werden können ...

Die Forscher Bill Johnson, Professor für Pflanzenkunde, Steve Hallett, außerordentlicher Professor für Pflanzenkunde, und Jessica Schafer, Doktorandin in Botanik und Pflanzenpathologie, vermuten, daß die Bodenmikroben das Ragweed (Ambrosie) und Common Lambsquarter (Weißer Gänsefuß) die Fähigkeit beeinträchtigen, Resistenzen zu entwickeln. Wohingegen in der Studie das Horseweed (kanadisches Berufkraut) keine Unterschiede hinsichtlich der Resistenzentwicklung zeigte, ob es auf sterilem oder natürlichem Boden wuchs. Des weiteren vermutet die Forschergruppe, daß die Bodenorganismen auch Einfluß auf die Krankheitsanfälligkeit von Pflanzen haben. Die gesamte Studie ist in dem Journal "Weed Science" online veröffentlicht worden. Die Forschergruppe kündigte an, daß in weiteren Studien herausgefunden werden soll, welchen Einfluß Bodenpilze auf die Wurzelbildung haben, mit und ohne Glyphosat.

Solche Studien zeigen, wie ungeheuer wenig über die Bedingungen des Pflanzenwachstum, respektive der kommerziell vermarkteten und patentierten Hybridformen bekannt ist. Die vollmundigen Versprechungen des Unternehmens Monsanto hinsichtlich der gesundheitlichen und ökologischen Unbedenklichkeit der Gentech-Saat kann man, flapsig gesprochen, in die Pestizidtonne treten. Das aktuelle Beispiel ist ja nicht der erste Fall, bei dem sich herausgestellt hat, wie groß und artenreich die Lücken in der Wissenschaft sind. Und man darf annehmen, daß Forscher im Dienste der Konzerne noch eher bereit sind, bestimmte Fragen nicht zu stellen, unerwünschte Ergebnisse zu vernachlässigen und ähnliche beschönigende Maßnahmen mehr zum Wohle ihres Arbeitgebers zu ergreifen.

Mit "Lücken" ist nicht nur die Agroforschung der Konzerne gemeint. Allein die Tatsache, daß viele Ergebnisse der Pflanzenforschung im Labor auf zuvor steril gemachten Probenböden zustandekommen, wirft Fragen auf. Sicherlich ist es nachzuvollziehen, warum die Forscher anfangs mit sterilen Substraten arbeiten, schließlich wollen sie in ihrem Experiment definierte Verhältnisse schaffen. Bodenmikroben könnten da zu einem Störfaktor werden. Doch zeigt eben das aktuelle Beispiel zur Resistenzentwicklung gegen Glyphosat, daß ausgerechnet durch die sterilen Bedingungen die Versuchsergebnisse maßgeblich verändert werden. Das wirft weitere Fragen auf.

Somit sind "definierte Verhältnisse" niemals wertfrei. Es gibt immer jemanden, der sie definiert. Anders gesagt: Die Forscher nehmen bestimmte Einschränkungen ihres Versuchsaufbaus vor, und die Kriterien, nach denen dies geschieht, liegen ganz im Interesse der Experimentatoren (oder ihrer Geldgeber). Man könnte auch von einer zielführenden Forschung sprechen. Im Zusammenhang mit einem auf der einen Seite existentiellen Problem wie dem der Ernährung und auf der anderen der gewaltigen Profite, die mit der Produktion von Nahrung erwirtschaftet werden, weckt dies zwangsläufig den Verdacht, daß dies entscheidenden Einfluß auf die Auswahl der Mittel und Methoden der Forscher hat.

Mit der sogenannten Grünen Gentechnik wurde etwas in die Welt gesetzt, dessen Konsequenzen unabsehbar sind. Selbst wenn die Monsanto-Forscher eine Langzeitstudie über zehn Jahre durchgeführt hätten, hätten sie noch nicht die Resistenzentwicklung darstellen können, wie sie heute im wachsenden Ausmaß vor allem in den landwirtschaftlichen Anbaugebieten der Vereinigten Staaten zu beobachten ist. Aus Sicht der Gesellschaft ist das fatal, aus Sicht des Konzerns nicht, denn er ist zwar maßgeblich daran beteiligt, das Problem in die Welt gesetzt zu haben, aber er kann sich gleichzeitig als jemand präsentieren, der an der Lösung arbeitet. Auch damit läßt sich verdienen. Das Geschäft geht weiter.

Indes werden grundlegende Probleme mit Ernährung, nämlich daß eine Milliarde Menschen Hunger leidet und zig Millionen jährlich an Nahrungsmangel sterben, auch von den Agrokonzernen und ihren Hybridsaaten nicht gelöst. Das wundert vor allem aus zwei Gründen nicht: Erstens, wie das obige Beispiel zeigt, weil die Möglichkeiten der Wissenschaft recht begrenzt sind; zweitens, weil ein Unternehmen auch keine entsprechenden Anstrengungen unternimmt, solange es keinen Profit bringt. Würde Monsanto auf seine Patentansprüche auf Saatgut verzichten und anfangen, auf eigene Kosten Nahrung in die Hungerregionen zu transportieren, würden zwar viele Leute das Unternehmen lieb haben, aber gewisse Leute auch nicht und ihm den Saft abdrehen. Für Philantropie rücken die Banken keine Kredite raus. Kurzum, Monsanto ginge recht bald pleite.

Weil das nicht eintritt - bzw. sollte es doch geschehen, dann nicht aufgrund eines Kurswechsels zu Philantropie -, ist die Bekämpfung des Hungers nicht gut in den Händen profitgetriebener Konzerne wie Monsanto aufgehoben.


Fußnoten:

[1] http://www.weedscience.org/Summary/UspeciesMOA.asp?lstMOAID=12&FmHRACGroup=Go

[2] "Glyphosate-resistant 'superweeds' may be less susceptible to diseases", Purdue University, 17. Juli 2012
http://www.purdue.edu/newsroom/research/2012/120717JohnsonSuper.html

18. Juli 2012