NABU Landesverband Hamburg - 28. Mai 2015
BWVI torpediert Interessenausgleich A26
NABU: Beginn des Erörterungstermins A26 und geplante Bebauung des Vollhöfener Walds zerstören letzte Hoffnung auf Einigung
Der NABU kritisiert die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI), heftig für ihr Vorgehen im Süderelberaum. Mit dem Beginn des Erörterungstermins zum Bau der Autobahn A26 am 1. Juni und der geplanten Bebauung des Vollhöfener Waldes in Altenwerder würde die Stadt den Weg der Konfrontation einschlagen und die letzten Chancen für einen Interessenausgleich zerstören, so der Umweltverband. In einem Schreiben hat der NABU nun an Bürgermeister Olaf Scholz appelliert, im Sinne des "ordentlichen Regierens" doch noch eine Einigung zu ermöglichen.
"Offenbar ist die BWVI zu ihrer alten Konfrontationslinie zurück gekehrt", bedauert Alexander Porschke, Vorsitzender des NABU Hamburg. "Das würde erklären, dass sie weitere Fakten schafft, die einem Interessenausgleich diametral entgegenstehen." Über zehn Monate versuchten der NABU, die Arbeitsgemeinschaft Naturschutz und der Verein Schlickfall im vergangenen Jahr in Güteverhandlungen mit dem Senat im Süderelberaum einen Interessenausgleich zwischen Obstbau, A26 und dem Naturschutz zu erreichen. Ziel war ein funktionsfähiger und dauerhafter Biotopkorridor zwischen den bestehenden Naturschutzgebieten, mit dem frühere und aktuell drohende Naturverluste infolge mehrerer Planfeststellungsverfahren kompensiert werden sollten - im Sinne eines tragbaren Kompromisses. Im Gegenzug hätten die Verbände auf Klagen gegen die Verfahren verzichtet.
"Die ersten Ergebnisse der Verhandlungen gaben Anlass zur Hoffnung, dass eine Einigung möglich wäre", so Porschke. So wurden beispielsweise an der A26 zusätzliche Querungshilfen für Tiere und ein verbesserter Lärmschutz in Aussicht gestellt. Ebenso wäre bei einer Einigung die Pflege und Entwicklung des Biotopkorridors finanziell möglich gewesen, mit der auch Defizite der aktuellen Planungen kompensierbar gewesen wären. "Dafür haben wir in vielen Bereichen Entgegenkommen in Aussicht gestellt", betont der NABU-Chef. "Unter anderem wären wir bereit gewesen, die Verfahrensfehler bei der Trassenfindung und Planung der Autobahn und darüber hinaus auch die massiven Naturverluste in den wasserwirtschaftlichen Planungsgebieten im Süderelberaum und die mangelhaften Ausgleichskonzepte von vier Planfeststellungsverfahren zu akzeptieren - um nur die schwerwiegendsten zu nennen." Doch der NABU musste erleben, dass die BWVI in wichtigen Punkten nicht bereit war, die in Aussicht gestellten Angebote tatsächlich inhaltlich zu füllen: Weder bei der dauerhaften Sicherung des Biotopkorridors noch bei der Bereitstellung zentraler, ökologisch hochwertiger Grünlandflächen für die Funktionsfähigkeit des Biotopkorridors war die BWVI bereit, ihre anderen Interessen zurück zu stellen, um eine Einigung mit dem Naturschutz zu erreichen.
"Wir bedauern das aktuelle Vorgehen der BWVI und die damit eingeleitete konfrontative Entwicklung", sagt Porschke. "Wir halten sie für das Gegenteil von ordentlichem Regieren. Es kann doch wohl nicht angehen, dass ein von der zuständigen Fachbehörde als erforderlich erkannter Biotopkorridor durch Vertragsschließungen der BWVI verunmöglicht wird. Dabei wusste die Behörde zu diesem Zeitpunkt bereits, dass sie die einzig denkbare Alternative, nämlich den Vollhöfener Wald, für Hafenzwecke in Anspruch nehmen will." Die BWVI als Verhandlungspartner der Verbände habe es zwar immer noch in der Hand, einen Interessenausgleich zu erzielen. "Wir werden aber auch einer Konfrontation nicht ausweichen", kündigt Porschke an. "das ist zwar für alle Seiten der teurere Weg, denn die erste Konsequenz für die Stadt wird der Verlust von fünf Mio Euro EU-Zuschüssen sein. Aber gerade weil wir uns einen vernünftigen Interessenausgleich wünschen, können wir nicht zulassen, dass die Natur dabei derartig unberücksichtigt bleiben soll."
Im April 2014 ist der NABU zusammen mit anderen Naturschutzverbänden (AG Naturschutz, Verein Schlickfall) in Güteverhandlungen mit dem Senat eingetreten, um im Süderelberaum einen Interessenausgleich zwischen Obstbau und A26 auf der einen Seite und dem Naturschutz auf der anderen Seite zu erreichen. Dabei sollten mit der Errichtung eines Biotopkorridors in der Süderelbmarsch frühere und aktuell drohende Naturverluste infolge mehrerer Planfeststellungsverfahren im Süderelberaum im Sinne eines tragbaren Kompromisses kompensiert werden. Ziel war ein dauerhafter und funktionsfähiger Biotopkorridor, der die Naturschutzgebiete Moorgürtel und Westerweiden/Alte Süderelbe miteinander verbindet. Im Gegenzug würden die Naturschutzverbände auf Klagen gegen die Planfeststellungsverfahren (PFV) zur Neuordnung des Obstbaus ("Wasserwirtschaftliche Maßnahmen im Gebiet des Sommerdeichverbandes (SDV) Francop und im SDV Vierzigstücken", "Herstellung des Verbindungsgewässers Neuenfelde und wasserwirtschaftliche Maßnahmen im SDV Rosengarten", "Wasserwirtschaftliche Maßnahmen in den SV Neuenfelde und SV Viersielen") und zum Bau der "A26 West" verzichten.
Der Naturverlust durch die oben genannten PFV ist immens und die Ausgleichskonzepte inmitten des intensiven Obstbaus bzw. weit entfernt von den Eingriffsorten stellen aus ökologischer Sicht keine ausreichende Kompensation dar. Durch die wasserwirtschaftlichen Maßnahmen wird wertvolles Feuchtgrünland vernichtet und 65 km ökologisch hochwertige Gräben und Mulden zugeschüttet. Damit wird der Lebensraum streng geschützter Amphibienarten wie Moorfrosch und Kammmolch, gefährdeter Brutvogelarten wie Kiebitz, Bluthänfling und Kleinspecht und des Schlammpeitzgers, einer europarechtlich geschützten Fischart, unwiederbringlich zerstört. Infolge der Realisierung aller o.g. Vorhaben würde der Naturraum im Tal der Alten Süderelbe vom Naturraum im Moorgürtel dauerhaft abgetrennt. Mit der geplanten großflächigen Verfüllung der Gräben im Alten Land und der nachfolgenden Nutzungsintensivierung der angrenzenden Flächen fallen die wichtigsten verbliebenen Verbindungselemente zwischen Elbe/Süderelbe und Moorgürtel/Geest für den Austausch von Tier- und Pflanzenpopulationen weg.
Der Bau einer Autobahn wird die Zersiedelung der Unterelberegion durch die bessere automobile Erreichbarkeit Hamburgs stark beschleunigen. Aus Sicht des Naturschutzes hätten die Ortsumgehung Finkenwerder und die A26-Anbindung auf einer Trasse erfolgen sollen. Durch den Bau der Autobahn in Dammlage mit maximaler Trennwirkung droht eine faktisch irreversible Zerschneidung des Natur- und Landschaftsraums Süderelbmarschen. Die Autobahn wird zu einer Verlärmung wichtiger Lebensräume im Moorgürtel führen und insbesondere die Vogelwelt stark belasten. Die Trassenfestlegung erfolgte ohne angemessene Beteiligung der Naturschutzverbände zu Lasten wertvoller Naturräume. Von dem im Raum mit dem Süderelbefonds gesuchten Ausgleich wurden die Naturschutzverbände ausgeschlossen.
Vor diesem Hintergrund haben der NABU und andere Naturschutzverbände sich in umfangreichen Stellungnahmen gegen die Verwirklichung der A 26-Planung und der wasserwirtschaftlichen Maßnahmen ausgesprochen und sind auch bereit, diese Position vor Gericht zu verteidigen. Trotzdem haben die Verbände seit April 2014 mit dem Senat versucht auszuloten, was für den Naturhaushalt im Süderelberaum über die geplanten Ausgleichsmaßnahmen hinaus getan werden kann, um eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Dabei wurden im Rahmen der Verhandlungen bisher folgende Ergebnisse erreicht bzw. Kompromisse eingegangen.
Unter der Voraussetzung, dass als Kompensation für die o.g. Naturverluste ein funktionsfähiger und dauerhafter Biotopkorridor eingerichtet wird, dort eine geeignete Naturaufwertung stattfindet und an der A26 zusätzliche Querungshilfen und zusätzlicher Lärmschutz installiert werden, wären die Verbände bereit,
Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation als Verhandlungspartner der Verbände hat es immer noch in der Hand, einen Interessenausgleich zu erzielen. Die Verbände erwarten bezüglich der zuletzt genannten Punkte eine deutliche Nachbesserung des Angebots der Stadt für den Biotopkorridor. Ob die Verbände auf ihre Klagen gegen die Verfahren verzichten, hängt vom Entgegenkommen des Senats ab: Am Ende muss ein deutlicher Gewinn für die Natur herauskommen.
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Quelle:
Pressemitteilung pm 70/15, 28.05.2015
Naturschutzbund Deutschland (NABU)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2015
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