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STANDPUNKT/1137: Ministerin Klöckner muss Landwirtschaftskommission schaffen (BUND)


Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) - Gemeinsame Pressemitteilung vom 18. Oktober 2019

Verbände: Ministerin Klöckner muss Landwirtschaftskommission schaffen

Ein gesellschaftlicher Konsens zur Zukunft der Landwirtschaft ist notwendig und möglich


Berlin. Angesichts der aktuellen landwirtschaftlichen Proteste zur Agrar- und Umweltpolitik ist ein breiter gesellschaftlicher Konsens über die Zukunft der Landwirtschaft dringend notwendig. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Brot für die Welt und Greenpeace fordern die Bundesregierung und vor allem das Bundeslandwirtschaftsministerium auf, umgehend eine Kommission einzuberufen.

"Es müssen endlich klare und lösungsorientierte Rahmenbedingungen geschaffen werden. Jetzt müssen alle Verantwortung zeigen", erklärten die Verbände heute bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin. "Wir sind bereit, an konstruktiven Lösungen mitzuarbeiten. Eine weltweit zukunftsfähige Landwirtschaft ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe."

Die Landwirtschaftskommission, der Vertreterinnen und Vertreter aus der Landwirtschaft, von Seiten der Verbraucher, aus dem Umwelt-, Natur- und Tierschutz sowie aus der Entwicklungspolitik, dem Einzelhandel, der Ernährungswirtschaft und den Ministerien angehören müssten, sollte bis Anfang 2020 konkrete Maßnahmen vorlegen. Das Ziel ist: ein breiter gesellschaftlicher und politischer Konsens über die Zukunft der Landwirtschaft, ein Finanzierungskonzept und die Vermeidung eines Strukturbruchs.

"Die Herausforderungen und die wirtschaftlich schwierige Situation auf den Höfen in Deutschland zeigen, dass Veränderungen zwingend geboten sind. Für die Bäuerinnen und Bauern müssen diese aber auch umsetzbar sein und bezahlt werden", so die Verbände. Der Umbau der Tierhaltung in Deutschland hin zu einer tiergerechten Haltung kostet laut Wissenschaftlichem Beirat des Bundeslandwirtschaftsministeriums drei bis fünf Milliarden Euro jährlich. Auch die notwendigen Veränderungen hin zu einem klimaschonenden Ackerbau müssen finanziert werden. "Dies ist aus dem Markt nicht zu erwirtschaften", so die Verbände. "Die Agrar-Subventionen sind daher so umzuschichten, dass dieser Umbau finanziert wird - hin zu einer nachhaltig wirtschaftenden Landwirtschaft, welche auch kleineren und mittleren bäuerlichen Betrieben eine Perspektive gibt. Ein solcher Umbau darf jedoch nicht wieder zu Lasten von Bäuerinnen und Bauern in anderen Staaten gehen, die keinen Zugang zu Subventionen haben und so im Handel benachteiligt sind."

"Eine Einigung ist möglich", erklären die Verbände. "Wir sind davon überzeugt, dass es einen gemeinsamen Weg gibt, der die berechtigten Interessen der Gesellschaft an mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz und an einer verantwortungsvollen Entwicklungspolitik mit dem wirtschaftlichen Auskommen und der Existenzerhaltung bäuerlicher Betriebe verbindet."

Zu der Notwendigkeit einer umfassenden Agrarwende und der Schaffung einer Landwirtschaftskommission erklären die Vertreterinnen und Vertreter der Verbände:

Martin Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Bauer aus dem Wendland, mit Neuland-Schweinehaltung: "Die Landwirtschaft ist über Jahrzehnte von Politik, Wissenschaft und Beratung darauf getrimmt worden billig für den Weltmarkt zu erzeugen. Die landwirtschaftlichen Betriebe haben sich dem vielfach unterworfen. Heute werden andere Anforderungen formuliert, die die Betriebe nicht von heute auf morgen erfüllen können, bei den schlechten Marktpreisen sowieso nicht. Wenn wir nicht wirtschaftliche Perspektiven eröffnen, verlieren wir noch mehr bäuerliche Betriebe. Wir stemmen uns gegen einen Strukturbruch in der Landwirtschaft, der die Probleme verschärfen würde."

Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): "Als BUND sehen wir uns an der Seite der Bauern. In Zeiten von Klimawandel und Artensterben kommt der Landwirtschaft eine zentrale Rolle zu. Wir sehen die Politik in der Pflicht, die Weichen hin zu einer nachhaltigen ökologischen Landwirtschaft zu stellen. Dazu braucht es eine neue Verteilung von Fördergeldern wie auch einen ambitionierten Insektenschutz. Nur mit einem breiten gesellschaftlichen Konsens kann die dringend notwendige Agrarwende gelingen."

Martin Hofstetter, Greenpeace-Agrarexperte: "Landwirtinnen und Landwirte bekommen die Auswirkungen der Klimakrise längst zu spüren. Deshalb brauchen sie die Unterstützung der Gesellschaft. Fortschritte beim Klimaschutz und der Anpassung an die Erderhitzung werden wir nur gemeinsam stemmen können. Die Politik muss endlich mit klaren Vorgaben für eine Agrarwende verlässliche Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft schaffen. Dazu gehört, dass der notwendige Umbau der Betriebe und nachhaltiges Wirtschaften angemessen gefördert werden."

Francisco Mari, Brot für die Welt, Referent für Welternährung, Agrarhandel, Meerespolitik: "Wir brauchen eine neue Agrarpolitik und vor allem eine neue Agrarhandelspolitik, die endlich aufhören, die Interessen der Bäuerinnen und Bauern in Nord und Süd gegeneinander auszuspielen. Weltweit ist die Situation der bäuerlichen Betriebe und Produzenten auf Grund unfairer Handelsbedingungen verzweifelt. Die Bundesregierung muss sich dringend für neue multilaterale Handelsbedingungen einsetzen, die die Einhaltung der Menschenrechte garantieren, die Bäuerlichen Rechte stärken und hohe Sozial- und Umweltstandards garantieren."

Elisabeth Fresen, Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Bäuerin aus Verden/Aller, Biologischer Anbau mit Mutterkuhhaltung: "Wir fordern, dass die Direktzahlungen aus Brüssel nicht für jeden Hektar gleich ausgezahlt werden. Davon profitieren nur die flächenstärksten Betriebe. Wir wollen, dass das Geld an soziale und ökologische Kriterien gebunden wird: Vielfältige Fruchtfolge, klimaschonenden Ackerbau, Erhalt von Hecken und anderen Landschaftselementen, Erhalt der Biodiversität durch eine Vielfalt in der Flächenstruktur, Erhalt von Grünland, Flächenbindung der Tierhaltung, mehr Platz für die Tiere im Stall, Weidehaltung und anderes mehr. Unsere bäuerlichen Leistungen für die Gesellschaft auf dem Acker und im Stall werden gerechter honoriert und für unsere Natur, das Klima und unsere Nutztiere ist das auch besser."

Ottmar Ilchmann, Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Niedersachsen/Bremen. Konventioneller Milchbauer aus Ostfriesland: "Die wirtschaftliche Situation vieler Bauernfamilien ist sehr angespannt. 2 Jahre Dürre, nicht ausreichende Erzeugerpreise bei ständig steigenden Kosten - da können weitere Auflagen wie durch die Düngeverordnung oder das Agrarpaket der Bundesregierung das Aus bedeuten. Deshalb muss gelten: Gesellschaftliche Anforderungen haben ihren Preis, ohne Umsteuern in der Förder- und Preispolitik können sie nicht erbracht werden."

Die Landwirtschaftskommission muss nach Auffassung der Verbände folgende Aufgaben haben:

Sie muss eine Nutztierstrategie für die nächsten 20 Jahre entwickeln. Ziel ist ein Konsens für eine wirtschaftlich tragfähige Umsetzung einer anspruchsvollen und für die Verbraucherinnen und Verbraucher transparenten Tierwohlzielsetzung.

Zudem muss sie ein Konzept für eine EU-Agrarreform und ihre Umsetzung in Deutschland einschließlich einer gerechten und zielgerechten Honorierung bäuerlicher Leistungen für Klima-, Arten- und Umweltschutz erarbeiten. Die bislang pauschal und unbegrenzt pro Hektar ausgeschütteten EU-Direktzahlungen sind dafür zu nutzen. Negative Außenwirkungen dieser Zahlungen müssen verhindert werden.

Weiterhin erforderlich ist ein Konzept für multilaterale Regeln für den globalen Handel mit Agrargütern, die eine Einhaltung von Menschenrechten sowie von hohen Sozial- und Umweltstandards garantieren, die bisherige Agrarexportstrategie beenden und Futtermittelimporte drastisch reduzieren.

Die Kommission muss außerdem eine Strategie mit einer anspruchsvollen Zielsetzung für Umwelt-, Klima- und Artenschutz im Ackerbau und zu deren wirtschaftlichen Umsetzung für die nächsten 20 Jahre entwerfen; ebenso eine Klimaanpassungsstrategie, die den Bäuerinnen und Bauern den Umbau ihrer Betriebe ermöglicht und einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leistet.

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Quelle:
BUND-Pressedienst, 18.10.2019
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Freunde der Erde Deutschland
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
E-Mail: presse@bund.net
Internet: www.bund.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2019

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