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STANDPUNKT/1130: So gewinnt man kein Vertrauen (Gorleben Rundschau)


Gorleben Rundschau VII-IX/2019 - 42. Jahrgang, Ausgabe 1071
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So gewinnt man kein Vertrauen
Ohne neues Geologiedatengesetz gibt es keine Transparenz bei der Endlagersuche

von Dieter Schaarschmidt, Wolfgang Ehmke und Andreas Conradt


Öffentlichkeitsbeteiligung - Bereits vor Jahren, als in der Endlagerkommission das Standortauswahlgesetz (StandAG) beraten und novelliert wurde, waren sich alle damaligen Parteien des Bundestages einig, dass für eine neue Endlagersuche für hochradioaktiven Atommüll die volle Transparenz des Suchverfahrens notwendig ist, um das verloren gegangene Vertrauen der Bevölkerung in ein faires und wissenschaftsbasiertes Verfahren wieder zu erlangen. Der dafür notwendige Passus über ein generelles Geologiedatengesetz wurde jedoch offen gelassen, da ein solches Gesetz ohnehin überfällig war und sofort nach dem StandAG vom Bundestag beschlossen werden sollte. Nun liegt seit Mitte Juli ein Gesetzesentwurf vor, doch den Akteuren läuft die Zeit davon. Ein Bericht von Dieter Schaarschmidt unter Mitarbeit von Wolfgang Ehmke und Andreas Conradt.


Deutschland verfolgt einen ehrgeizigen Plan: Im Jahr 2020 sollen bundesweit Teilgebiete benannt werden, in denen der Bau eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle in Frage kommt. In rund einem Jahr soll der Bericht vorgelegt werden. Spätestens dann werden die Menschen in den benannten Regionen wissen, dass da Großes auf sie zukommen könnte. Spätestens dann werden sie wissen wollen, auf welcher Grundlage die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ihre Region als Standort für ein mögliches Endlager ins Auge gefasst hat.

Diese Grundlage sind rund 1 Million Daten, die der BGE von den geologischen Landesämtern übermittelt wurden. Sie bilden die Basis für die Auswahl der Teilgebiete. Nun allerdings zeigt sich immer deutlicher: Quantität und Qualität der Daten sind über Deutschland sehr unterschiedlich verteilt, was einen neutralen Vergleich der Regionen kaum möglich macht. Und selbst da, wo viele Daten vorhanden sind, ist ihre Nutzung für die Endlagersuche häufig nicht möglich, weil sie Eigentum privater Firmen sind, die nach dem aktuell noch gültigen Lagerstättengesetz von 1934 nicht verpflichtet sind, die Daten herauszugeben. Rechtlich noch schwieriger ist die Veröffentlichung der im Privatbesitz befindlichen Daten. Transparenz durch Veröffentlichung aber ist das Hauptkriterium, das die "Neue Endlagersuche" von dem 40 Jahre lang um Gorleben betriebenen Verfahren unterscheiden sollte.

Da wurde offenbar der zweite Schritt vor dem ersten gemacht: Als 2016 das Standortauswahlgesetz (StandAG), also die - "Neue Endlagersuche" auf der so genannten "Weißen Landkarte", verabschiedet wurde, gab es noch kein Geologiedatengesetz (GeolDG), das den Umgang mit den erforderlichen Daten hätte regeln können. Zwar wurde dessen Nachreichung für die Zeit "unmittelbar nach Verabschiedung des StandAG" zugesagt, doch verabschiedet ist es bis heute nicht. Damit können Daten nicht genutzt, andere nicht veröffentlicht werden. Eine Transparenz - eigentlich Basis des StandAG - bei der Benennung der Teilgebiete in zwölf Monaten dürfte damit kaum noch möglich sein.

Intransparenz weckt Misstrauen

Tatsächlich spitzen sich die Konflikte gerade zu: Auf der Sitzung des Nationalen Begleitgremiums (NBG) Ende Mai in Peine erklärte der zuständige Bereichsleiter der BGE, Jörg Tietze, dass die Geodaten nicht veröffentlicht werden könnten, weil das Rechte Dritter verletze, zum Beispiel von Firmen, die nach Erdgas oder Erdöl gesucht haben. Ohne ein Geodatengesetz aber seien der BGE die Hände gebunden, bekräftigte Steffen Kanitz, der stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsführung. Klaus Töpfer, der Co-Vorsitzende des NBG, hielt dagegen, damit sei einer der wichtigsten Aspekte der "Neuen Endlagersuche", nämlich eine Transparenz von Anfang an, gescheitert - und blitzte ab. Sollte ein Geologiedatengesetz nicht rasch verabschiedet werden, werde es 2020 zu einem ersten "Clash" bei der Endlagersuche kommen, merkte ein Vertreter der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg (BI) an. Denn keine Transparenz, das wecke Misstrauen.

Neues Gesetz kurz vor knapp

Geologiedaten werden nicht nur von staatlichen Stellen, Landesämtern und Institutionen erhoben, um etwas über Geschichte, Aufbau und Rohstoffe des Untergrundes zu erfahren. Der größte Teil der Daten fällt bei privaten Firmen im Rahmen ihrer Suche nach wirtschaftlich interessanten Rohstoffen an. Genau diese privaten Rechte an Geologiedaten sind nun strittig, da eine generelle Veröffentlichung auch wirtschaftlichen Konkurrenten Vorteile verschaffen könnte.

"Rund 90 Prozent der geologischen Daten können bislang nicht verwendet werden, weil sie analog vorliegen

Die Abwägung zwischen Transparenz und guter Information der Öffentlichkeit einerseits und privaten Wirtschaftsinteressen andererseits will seit drei Jahren nicht gelingen. Ein erster Vorentwurf des Gesetzes, der zwischen Wirtschaftsministerium, Umweltministerium und Justizministerium abgestimmt werden sollte, war nach Einblicken des Nationalen Begleitgremiums zur Endlagersuche (NBG) völlig untauglich, um Transparenz herzustellen und wurde sofort wieder zurückgezogen. Auch der zweite Aufschlag war nicht wesentlich erfolgreicher: Bei einer öffentlichen Tagung des NBG zum Geologiedatengesetz wurde von Sachbearbeitern des Wirtschaftsministeriums ein neuer Entwurf vorgestellt und diskutiert. Doch da der Entwurf nicht abgestimmt war, durfte er nicht veröffentlicht werden. Nun liegt ein Referentenentwurf vor, auf dessen Grundlage das Gesetz noch in diesem Herbst verabschiedet werden soll. Im Kern sieht er vor, dass private Rohdaten nach einer Übergangsfrist von fünf bis zehn Jahren veröffentlicht werden sollen. Diese Regelung umfasst allerdings keine interpretierten Daten oder geologischen Modelle. Für sie kann nur im Einzelfall eine Veröffentlichung beantragt werden. Außerdem wird es weiter Daten geben, die der Geheimhaltung unterliegen, was auch nicht zur Vertrauensbildung beiträgt.

Das Daten-Dilemma

Dabei sind die Daten, von denen hier die Rede ist, ohnehin nur die Spitze des Eisberges. Es sind die etwa 10 Prozent digital vorliegender Daten. Alle älteren Akten, die bei den geologischen Landesämtern oder in alten Archiven schlummern, sind aus Papier und können in der Form nicht für die Endlagersuche genutzt werden. Die geologischen Landesämter haben mehrfach darauf hingewiesen, dass sie mit ihrer mageren Personalausstattung überhaupt nicht in der Lage sind, geologische Akten zu digitalisieren und auch noch lesbar zu machen. Dies berücksichtigt das neue Gesetz zwar, ob aber die vorgesehene eine Stelle pro Bundesland ausreicht, den enormen Aktenberg nutzbar zu machen, bleibt fraglich.

Zu den Alt-Akten gehören auch alte Bohrkernlager, die allerdings bisher aus Kostengründen immer weiter reduziert wurden. Das neue GeolDG umfasst nun endlich ein generelles Vernichtungsverbot für Alt-Akten und Bohrkerne, bis ein brauchbarer Überblick über die geologischen Verhältnisse in Deutschland vorliegt. Das, freilich, bringt die schon vernichteten Bohrkerne nicht mehr zurück. Diese Datenbasen sind verloren.

Es drohen erneut Proteste

Ob es wirklich gelingt, innerhalb der kommenden wenigen Wochen ein Geologiedatengesetz zu verabschieden, bleibt abzuwarten. Und selbst wenn es kommt, bleibt fraglich, ob es in den dann folgenden zehn Monaten bis zum Sommer 2020 überhaupt möglich sein wird, wissenschaftlich fundiert die Teilgebiete für den Standort eines Atommülllagers bestimmen zu können. Unabdingbar erscheint, dass die geologischen Landesämter personell und finanziell in die Lage versetzt werden, ihre Datenschätze zu digitalisieren und für die Endlagersuche zur Verfügung zu stellen. Denn wenn bei der Vorstellung der Regionen, auf die der Bau eines Endlagers zukommen könnte, nicht sauber nachgewiesen werden kann, warum das Gebiet geeignet erscheint, dann wird das Vertrauen in die "Neue Endlagersuche" weiter beschädigt. Was daraus erwächst, konnte man vierzig Jahre lang in Gorleben beobachten.

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Quelle:
Gorleben Rundschau - April-Juni 2019, Seite 22 - 23
Lizenz: CC BY NC SA
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2019

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