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STANDPUNKT/258: Naturschutz, Gestern - Heute - Morgen. Eine kritische Betrachtung (Hans-Arnold Scheele)


Naturschutz, Gestern - Heute - Morgen

Eine kritische Betrachtung

von Hans-Arnold Scheele



Ziel des Naturschutzes in Deutschland ist es, Natur und Landschaft auf Grund ihres eigenen Wertes und ihrer Bedeutung als Lebensgrundlage für den Menschen zu erhalten (§ 1 Bundesnaturschutzgesetz). Naturschutz ist damit eine öffentliche Aufgabe und auch im Artikel 20a im Grundgesetz als Staatsziel verankert.

Viele Menschen, die sich heute im Naturschutz engagieren tun dies auch aus weitergehenden Motiven und Zielen, die sich oft aus der emotionalen Quelle des Naturschutzes ergeben, hierhin gehören vielfach ethisch-emotionale Gründe wie Naturliebe, Tierliebe und Heimatliebe. Diese gefühlsmäßigen Gründe veranlassen viele sich im praktischen Naturschutzarbeit ehrenamtlich zu engagieren, doch grade dieses persönliche Engagement der Menschen bleibt beim öffentlichen Naturschutz vielfach außer Acht.

Das Entstehen und die Geschichte des Naturschutzes in Deutschland lassen sich nicht auf einen bestimmten Ursprung oder ein Datum festlegen. Der Entstehung des Naturschutzgedankens liegen unterschiedliche geisteswissenschaftliche Strömungen aber auch Ästhetik und Religion zu Grunde. Auf den Naturforscher Alexander von Humboldt (1769 - 1859) geht wohl der Begriff des "Naturdenkmals" zurück. Erstes Naturschutzprojekt in Deutschland war der "Drachenfels" im Siebengebirge, der Ankauf des Drachenfels 1836 durch den damaligen preußischen König Friedrich Wilhelm III., der dadurch auch wohl mehr aus romantischen Gründen (Nationalgefühl / Loreley!) heraus den Drachenfels vor weiterem Abbau als Steinbruch für den Bau des Kölner Domes rettete. Offiziell wurde der Drachenfels aber erst 1922 mit der alten Burganlage unter Schutz gestellt.

Aus ähnlich romantischen Gründen wurden in den USA 1890 der Yosemite - Park und der Sequoia und Kings - Canyon zum Nationalpark erklärt. Wie deutlich in unserer Geschichte zu sehen ist, sind bis weit in die 50er Jahre emotionale Gründe, die Liebe zur Schönheit von Arten und Umwelt aber auch Heimatliebe Gründe für den Naturschutz gewesen. In den darauf folgenden Jahren wurde der Naturschutz mehr und mehr verwissenschaftlicht. Das Wissen um die Arten und die ökologischen Zusammenhänge nahm sprunghaft zu. Das Horrorszenario vom Waldsterben rüttelte 1980 die Bevölkerung wach und löste einen wahren Forschungsboom aus.

Heute ist der Naturschutz aus meiner Sicht leider mehr und mehr instutionalisiert und bürokratisiert. Für den gesamten Naturschutz gibt es bedauerlicherweise keine natürliche Zuständigkeit so wie beim Landwirt, Förster, Schmied, Zahnarzt, Bäcker, Müller oder Frisör und diese Aufzählung ließe sich unendlich fortsetzen. Der Naturschutz bezieht seine Zuständigkeit ausschließlich aus Gesetzen und Verordnungen. Doch leider sind die Naturschutzgesetze und Verordnungen des Bundes und der Länder heute mehr und mehr Spezialgesetze geworden und für den einfachen Bürger, den sie eigentlich betreffen und der sie im täglichen Leben umsetzen sollte, gar nicht mehr lesbar geschweige denn verständlich. Der handelnde Bürger ist verloren gegangen. Er ist als Beitragzahler willkommen, aber sonst bleibt er außen vor und ist nur noch "Betroffener".

Veranstaltungen und Anhörungen in der letzten Zeit mit den großen Naturschutzverbänden haben es immer wieder deutlich die Instutionalisierung und Bürokratisierung der gezeigt. Endlose Positionierungen und Selbstdarstellungen machten Versammlungen zu einer Farce. Es wird endlos aufgezeigt wogegen man sich positioniert, viele Forderungen was alles nicht gewollt ist, doch keine Silbe zu konstruktivem Handeln oder zu Wegen aus der Konfrontation. Der Mensch, der Bürger, der Naturschutz leben und handeln soll, ist verloren gegangen!

Aktives Handeln draußen in der Natur gemeinsam mit den Menschen kommt zu kurz. Dabei ist Naturschutz doch nur mit den Menschen, ihrem Bewusstsein und ihrem Engagement machbar.

Erfreulicher Weise hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr auch der Gedanke der Nachhaltigkeit im Naturschutz etabliert, aus Sorge um eine Übernutzung und Zerstörung von Natur und Landschaft mit all ihren katastrophalen Folgen für uns, für unseren Lebensraum, unser Leben und unsere Gesundheit und hat Eingang in das Bewusstsein der Menschen gefunden. Die aktuelle Situation ruft förmlich nach einem "Weiterdenken" und "Weiterhandeln" im Naturschutz.

Nach den Phasen des emotionalen, dann des wissenschaftlichen und jetzt des institutionalisierten Naturschutzes brauchen wir dringend eine Weiterentwicklung. Eine Weiterentwicklung hin zu, lassen sie es mich, einen "integrierten Naturschutz" nennen!


Integrierter handelnder Naturschutz erfordert:

Ökologische Nachhaltigkeit: unsere Umwelt und die Artenvielfalt für kommende Generationen zu bewahren und ihr Möglichkeiten für die Regeration und Reparatur zu schaffen Sozio - kulturelle Nachhaltigkeit: unsere eigenen sozialen, ökonomischen und kulturellen Werte zu leben ohne andere Kulturen einzuschränken, sie gering zu schätzen und soziale und ökonomische Konflikte friedlich zu lösen. Wirtschaftliche Nachhaltigkeit: nur durch ressourcenschonendes und flächenschonendes Handeln und Wirtschaften ist auf die Dauer allen Menschen die tägliche Versorgung mit Wasser und Nahrung und auch Wohlstand möglich.

Integrierter Naturschutz fordert von uns, den im Naturschutz Handelnden, die Menschen nicht nur zu überzeugen, sondern sie mitzunehmen, ihnen in vielen kleinen Beispielen voran zu gehen. Viele Wenige machen auf die Dauer auch ein Viel.

Naturschutz muss aus dem Lippenbekenntnis heraus in das tägliche Leben aller integriert werden. Es muss nicht jeder ein "perfekter Naturschützer" werden, vielmehr müssen alle in ihrem Bereich und auf ihrem Gebiet kleine Schritte zu mehr Umweltfreundlichkeit und Naturschutz hin tun. Nur dann wird es möglich die hohen Ziele, die sich viele Politiker und die anerkannten Naturschutzverbände gesetzt haben, auf die Dauer auch zu erreichen.

Bekanntlich führen viele Wege nach Rom. Nach meiner Meinung sollten wir bei knappen Mitteln von der institutionellen Förderung zu mehr Projektförderung kommen. Projekte draußen vor Ort, gemeinsam mit betroffenen Bürgern gestalten, sie in das Tun und Handeln einbeziehen, sie positiv mitwirken und -gestalten lassen. Jeden dadurch zu etwas mehr Naturschutz und Umweltbewusstsein motivieren, damit jeder in Zukunft etwas mehr Naturschutz in sein Handeln integriert. Es würde mich darüber hinaus sehr freuen, wenn dieser Beitrag zu einer vielfältigen Diskussion über die Weiterentwicklung des Naturschutzgedankens und -handeln führen würde.

erstveröffentlicht in: "Unser Wald" - Mai 2010
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW)

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Quelle:
Hans-Arnold Scheele, SDW - Mecklenburg-Vorpommern
(geschäftsführender Vorstand)
Gleviner Burg 1, 18273 Güstrow
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mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2012