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LAIRE/272: "Harvey" mal zwei - Monsunregen in Indien (SB)


Gewaltige Überschwemmungen in Indien, Nepal und Bangladesch


Die aktuellen Überschwemmungen in Texas in Folge des Wirbelsturms "Harvey" nehmen einen erheblichen Teil der hiesigen Tagesberichterstattung ein. Man erfährt Dinge wie die ungefähre Zahl der Todesopfer - 20 bis 38 -, daß mehrere zehntausend Menschen evakuiert wurden und US-Präsident Donald Trump den Betroffenen Hilfe zugesagt hat. Zur gleichen Zeit sind am anderen Ende der Welt mehr als 1200 Menschen bei extrem starken Monsun-Regenfällen ertrunken, sind über 40 Millionen Menschen in den Ländern Indien, Bangladesch und Nepal von Überschwemmungen betroffen, wurden Zehntausende Häuser, darunter 18.000 Schulen, zerstört oder beschädigt. In vielen Regionen am Südhang des Himalaya, an dem sich die dicken Monsunregenwolken ausgeregnet haben, rutschten Schlammlawinen ins Tal und haben Mensch und Tier unter sich begraben. Dabei gingen auch ausgedehnte landwirtschaftliche Flächen verloren. Die Berichterstattung über diese Katastrophe nimmt allerdings eher die Form einer Randnotiz ein, obgleich die menschlichen Verluste und Schäden sogar noch die schweren Wirbelsturmfolgen in Texas übertreffen.

Nepal hat sich noch nicht von den starken Erdbeben im April, Mai 2015 erholt; der Wiederaufbau wird sich noch viele Jahre hinziehen. Durch die aktuellen Überschwemmungen werden vielleicht nicht so sehr bereits geleistete Reparaturen und andere Wiederaufbaumaßnahmen zunichte gemacht, da sich Erdbeben und Überschwemmungen nicht in den gleichen Landesteilen ereigneten, aber es werden nun finanzielle Mittel und Kräfte gebunden, die eigentlich dringend gebraucht werden, um die Erdbebenfolgen zu beheben.

Bangladesch erlebt in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal schwere Überschwemmungen. Die Reisernte verzeichnet erhebliche Einbußen. Die Preise für das Grundnahrungsmittel steigen; zudem sind rund 1,5 Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

Indien hat im vergangenen Jahr die schwerste Dürre seit Jahrzehnten erlitten. Mehrere hundert Millionen Menschen besaßen keinen Zugang zu Trinkwasser und mußten notversorgt werden. 2016 war der Monsun ausgeblieben - 2017 hat es für zwei Jahre geregnet. Das sind genau jene unberechenbaren Verhältnisse, wie sie von der Klimaforschung nicht nur für den Subkontinent vorausgesagt werden, wenn sich die Erde weiter aufheizt wie bisher.

In der abgestuften Betroffenheit über die Not - Texas versus Asien - drücken sich grundsätzliche Unterschiede bei der Bewertung menschlichen Lebens aus, wie sie nicht nur bei solchen Einzelereignissen deutlich werden. Verhielte es sich anders, müßte Tag für Tag von neuem über die fast 800 Millionen Menschen berichtet werden, die chronisch Hunger leiden, vor allem aber wäre es ein Dauerthema, daß jedes Jahr viele Millionen Menschen verhungern.

Sollten die Projektionen der Wissenschaft zur klimatischen Entwicklung der Erde eintreten, die Zahl und Heftigkeit von Naturkatastrophen zunehmen, ganze Landstriche unbewohnbar werden und der Anstieg des Meeresspiegels zahllose Menschen - unter anderem in einer Reihe von Megacities - nötigen, sich von der Küste zurückzuziehen und woanders anzusiedeln, könnte auch das eines Tages zu einer Art Tabu werden, wie es schon heute hinsichtlich der Hungernden besteht. Das wird in der Debatte über die globale Erwärmung und den Klimawandel vernachlässigt.

31. August 2017


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