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LAIRE/215: US-Navy will sich weiter über Walschutz hinwegsetzen (SB)


Tummelplatz der Meeressäuger durch Militärmanöver bedroht

Kaliforniens Küstenkommission lehnt Navy-Übungsprogramm mit Einsatz von Sonargeräten ab



Demokratie ist ... wenn die US-Behörden das Quälen von Walen einschränken wollen, sich die Navy aber einen Teufel darum schert. Drastische Worte, doch sicherlich angemessen für die kalkulierte Verletzung von Millionen Meeressäugern durch die von der US-Navy geplanten Manöver allein im Seegebiet vor der südkalifornischen Küste. Dort finden sich regelmäßig 37 verschiedene Meeressäugerarten ein, für einige von ihnen ist dies ein wichtiges Aufzuchtgebiet für ihren Nachwuchs.

Am Freitag hat Kaliforniens Küstenkommission (California Coastal Commission) in San Diego im Anschluß an eine Anhörung einstimmig beschlossen, daß die Navy vor der Küste des Bundesstaats keine Übungen mit Explosions- und Sonarprogrammen durchführen darf, weil dadurch wahrscheinlich Blauwale und andere Meerestiere geschädigt werden. Die Navy habe in ihrem Antrag nicht nachweisen können, daß ihre Aktivitäten eine vernachlässigbare Gefährdung der Meeressäuger darstellen, lautet die Einschätzung der Kommission.

Commissioner Martha McClure gab den Vertretern der Seestreitkräfte der USA zu verstehen: "Die Navy muß die Bedeutung der kalifornischen Küste im Verhältnis zur gesamten Welt begreifen, weil wir hier Forschungen betreiben, die zukünftigen Generationen helfen werden. Außerdem möchte ich unterstreichen, daß Ihre Dokumentation meiner Meinung nach reichlich knapp war." [1]

Alex Stone, Leiter der Umweltgruppe der Navy, vertritt dagegen den Standpunkt, daß die geplanten Sonarübungen wichtig für die Ausbildung der Kadetten sind und daß weitere Meeresschutzmaßnahmen, wie sie jetzt von der Kommission gefordert werden, dieses Programm "unrealistisch" machen.

Die vermeintliche Notwendigkeit der von der Navy geschaffenen Realität wird allerdings von Walschützern und, wie es aussieht, auch von der kalifornischen Küstenkommission in Frage gestellt. Diese Realität läuft darauf hinaus, daß bei Übungen der Navy Meeressäuger verletzt werden, solange diese nicht gesetzlich geschützt werden. Die von den Sonarsystemen ausgesandten Explosionsgeräusche, deren Echos Aufschluß liefern über Entfernung und Beschaffenheit von Hindernissen sind derart laut, daß die hochempfindlichen Hörorgane der Meeressäuger regelrecht verletzt werden können.

In den Weltmeeren lärmt es immer lauter. Der zivile und militärische Schiffsverkehr, der Bergbau, die Ölförderung, das Militärmanöver, auch die Kampfjets, die über der Meeresoberfläche die Schallmauer durchbrechen - alle Quellen zusammengenommen machen einen sprichwörtlich ohrenbetäubenden Krach.

Wale können über riesige Entfernungen akustisch miteinander kommunizieren. Darauf ist ihr Gehör ausgerichtet. Wenn aber ein Wal von einem Sonarpuls getroffen wird, kann das für das Tier so sein, als wenn jemand über Kopfhörer einem leisen Musikstück lauscht und darin plötzlich ein lauter Schuß abgefeuert wird. Der Verdacht, daß Wale und andere Meeressäuger aufgrund des Lärms von Militärmanövern stranden oder innere Verletzungen erleiden, weil sie zu schnell auftauchen, läßt sich zwar nicht mit letzter Gewißheit beweisen [2], liegt aber nahe und wird inzwischen selbst von der US-Navy eingeräumt.

Dennoch könnte es sein, daß die einstimmige Ablehnung der kalifornischen Küstenkommission nicht den gewünschten Erfolg zeitigt. Denn sie hatte bereits in den Jahren 2007 und 2009 Forderungen an die Navy zum Schutz der Meeressäuger gestellt, die letztlich nicht erfüllt wurden. Die Kommission hatte sogar den Klageweg beschritten, aber auch das wurde zum Scheitern verurteilt. So hatte im Jahr 2008 der damalige US-Präsident George W. Bush für die Navy eine Ausnahme vom gesetzlichen Schutz der Meeressäuger angeordnet - Bush sah die nationale Sicherheit als gefährdet an, sollte die Navy ihre Sonargeräte nicht zu jeder Zeit an jedem Ort einsetzen dürfen -, und später hat das Oberste Gericht die Entscheidung einer unteren Instanz zugunsten des Walschutzes wieder aufgehoben.

Die Navy im Zeitraum 2014 bis 2019 will ihre Manöverübungen vor der südkalifornischen Küste intensivieren und rechnet damit, daß durch die jährlich 50.000 Unterwasserexplosionen und mehr als 10.000 Stunden, in denen das High-intensity-Sonar eingesetzt wird, schätzungsweise 130 Meeressäuger umkommen werden. Des weiteren würden voraussichtlich 1600 Tiere dauerhafte Hörschäden erleiden, viele Millionen Tiere könnten vorübergehend ihren Hörsinn verlieren oder andere Störungen lebenswichtiger Funktionen erleiden.

Diese Angaben sind möglicherweise sehr stark untertrieben. Zu dieser Einschätzung gelangten jedenfalls Michael Jasny, Leiter des Meeressäugerprojekts der internationalen Naturschutzorganisation Natural Resources Defense Council (NRDC), und Susan Jordan, Direktorin des California Coastal Protection Networks. Sie schrieben in einem Gutachten für die Küstenkommission Kaliforniens, daß die absehbaren Schäden 1300 Prozent über denen aus der Einschätzung der Navy liegen werden, und berufen sich unter anderem auf Angaben der National Marine Fisheries Service (NMFS). [3]

Die Kommission hatte der Navy unter anderem vorgeschlagen, Schutzzonen einzurichten, damit in der Nähe der Aufzuchtgebiete der Meeressäuger (u.a. wird dieses Meeresgebiet regelmäßig von Blau-, Finn- und Grauwalen aufgesucht) keine Sonargeräte verwendet werden. Zudem sollten die Navy-Schiffe mindestens einen Kilometer Abstand zur Küste einhalten, um die Großen Tümmler zu schützen. Die Antwort der Navy auf diese Vorschläge lassen sich am besten mit den Worten von Comissioner Jana Zimmer gegenüber den Navy-Vertretern bei der Anhörung wiedergeben: "Die Navy erweist sich als Hemmschuh, weil sie sich vollkommen weigert, auch nur irgendeine der von unseren Leuten vorgeschlagenen Schadensminderungen anzunehmen, und es gibt keine stichhaltige Erklärung, die uns einen Grund liefern könnte, Ihren Standpunkt zu akzeptieren." [1]

In dieser Formulierung drückt sich klar der Wunsch aus, die Argumente der Navy verstehen zu wollen. Aber entweder weigert sich das Militär, den eigenen Standpunkt deutlicher zu machen, oder sie hat keine plausiblen Argumente, warum sie nicht für den Schutz der ohnehin weltweit bedrohten Meeressäuger gewisse Einschränkungen in dem südkalifornischen Küstengebiet einzugehen bereit ist. Immerhin leben hier 37 verschiedene Meeressäuger.

Die ablehnende Antwort der Navy auf das Anliegen der Küstenkommission läßt auf einen grundlegenden Widerspruch im Verhältnis zwischen Militär und Gesellschaft, zu deren Schutz es ursprünglich einmal geschaffen wurde, schließen. Anscheinend verfolgt der Militärapparat eigene Interessen. Die mögen manchmal mit denen der übrigen Gesellschaft übereinstimmen, ordnen sich ihnen aber offensichtlich nicht unter.


Fußnoten:

[1] http://www.mintpress.net/calif-regulators-reject-navy-offshore-training/

[2] http://www.okeanos-foundation.org/assets/Uploads/WeitereInfosMilitaer.pdf

[3] Eine umfangreiche Faktensammlung der Einschätzungen und Analysen wurde im Vorwege für die Anhörung von Kaliforniens Küstenkommission am 8. März zusammengestellt und von der Behörde der Öffentlichkeit als pdf-File verfügbar gemacht:
http://documents.coastal.ca.gov/reports/2013/3/F9a-3-2013.pdf

11. März 2013