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LAIRE/183: US-Umweltschutzbehörde EPA unter Beschuß ... von rechts (SB)


Freie Fahrt für die Wirtschaft in den USA

Arbeits-, Lebens- und Umweltverhältnisse wie zu Beginn der Industrialisierung in Großbritannien


Was genau die Demokraten und Republikaner in den USA nach langem Gezerre um die Anhebung der Schuldenobergrenze ausgehandelt haben, ist nicht bekannt, im einzelnen wird das auch erst in den Budgetverhandlungen festgelegt, aber man weiß, daß sich der rechte Flügel der Republikaner in vielen Bereichen durchgesetzt hat. So werden die Reichen und Superreichen beim Einsparen von mehreren Billionen (!) Dollar in den nächsten zehn Jahren nicht zur Kasse gebeten. Aber die sowieso seit der Ära Bill Clintons nur noch marginal vorhandenen Sozialleistungen werden weiter zusammengestrichen, ebenso wie die medizinische Versorgung von Rentnern und ärmeren Menschen.

Darüber hinaus werden Umweltschutzmaßnahmen, in denen die USA ebenfalls kein Vorbild waren, gekippt. In den nächsten Tagen oder Wochen wird die Öffentlichkeit mehr erfahren. Einen Vorgeschmack auf den Trend zur freien Fahrt für Industrie und Wirtschaft liefert ein vom Bewilligungsausschuß des US-Repräsentantenhauses für das Haushaltsjahr 2012 abgesegnetes Einsparungsgesetz. Wie der Environmental News Service (ENS) kürzlich berichtete [1], soll zukünftig der Uranabbau auf öffentlichem Land, das an den Naturpark Grand Canyon grenzt, gestattet werden. Zudem soll die US-Umweltschutzbehörde EPA keine Standards für Treibhausgasemissionen festlegen dürfen - ein Anliegen, das die Republikaner schon seit längerem verfolgen -, und ausgerechnet die Öl- und Versorgungsunternehmen würden laut dem Gesetzentwurf vom Luftreinhaltegesetz (Clean Air Act) ausgenommen.

Im kommenden Haushaltsjahr soll das Budget der EPA um 1,5 Mrd. Dollar verringert werden (Gesamtbudget 2010: knapp 10,5 Mrd. Dollar). Die Umweltschutzbehörde befindet sich seit längerem im Visier der Republikaner, obgleich die Behörde schon immer Feigenblatt einer durch und durch industriefreundlichen Regierung war. Während der Ära von US-Präsident George W. Bush junior stand sie ständig unter Beschuß, was bedeutete, daß sie sich laufend gegen Kompetenzverluste behaupten mußte. Das ging selbst der republikanischen EPA-Administratorin Christine Todd Whitman gegen den Strich, sie trat am 27. Juni 2003 nach einer Reihe von Meinungsverschiedenheiten mit ihren "Chefs", insbesondere mit Vizepräsident Dick Cheney, zurück.

Das Gesetz werde unsere Umwelt und unsere laufenden Anstrengungen zum Erhalt der Natur in Amerika zerstören, kommentierte Haushaltsausschußmitglied Norm Dicks aus Washington die Einsparungen. In den letzten 40 Jahren sei nicht mehr so wenig Geld für den Land and Water Conservation Fund vorgesehen gewesen und auch die EPA hätte in den letzten zehn Jahren nicht mehr so wenige Mittel erhalten. Nachdem die EPA im laufenden Haushaltsjahr bereits einen Ausgabenschnitt von 16 Prozent verzeichnete, schlage nun die republikanische Mehrheit eine weitere Verringerung des Budgets um 18 Prozent vor. Dicks warnte, daß die EPA dermaßen große Kapazitätsverluste hinnehmen würde, daß sie nicht mehr ihre Verantwortlichkeiten wahrnehmen könne. Die Folgen wären dann landesweit zu spüren, beispielsweise weil die Infrastruktur zur Trinkwasseraufbereitung nicht mehr erneuert würde und die Qualität von Luft und Wasser abnähme.

Der Ausschußvorsitzende Hal Rogers begrüßt dagegen die Beschneidung der EPA, die seiner Meinung nach nicht mehr ihren ursprünglichen Auftrag - Erhalt der Gesundheit der Bevölkerung und Vermeidung zukünftiger Umweltverschmutzungen - nachkomme, sondern ein Beispiel für Überregulierung sei und Arbeitsplätze vernichte. Einige der Bezirke in Rogers Bundesstaat Kentucky verzeichnen seinen Angaben zufolge eine Arbeitslosenquote von 18 Prozent. Mit dem angeblichen Verlust an Arbeitsplätzen begründet er, warum die EPA das Absprengen von Bergkuppen in den Appalachen beim Kohletagebergbau nicht einschränken dürfe.

Es stimmt, der Bergbau sorgt für viele Arbeitsplätze ... im Gesundheitsbereich! Eine neuen Studie zufolge hat der Kohletagebergbau in den Zentralappalachen zu 60.000 zusätzlichen Krebserkrankungen geführt [2]. Die Betroffenen müssen natürlich behandelt und versorgt werden - das schafft jede Menge Arbeitsplätze. Ansonsten erweist sich Rogers als wenig informiert: Inzwischen haben mehr US-Bürger einen "grünen Job" als einen in der Öl- und Gasindustrie, wie der Christian Science Monitor im Juli meldete [3]. Wenn es also darum geht, Arbeitsplätze zu schaffen, sind anderen Optionen vorstellbar.

Da der ursprüngliche Auftrag der EPA Erhalt der Gesundheit der Bevölkerung lautet, wäre Rogers auch zu entgegnen, daß die Vermeidung einer Kontamination des Grundwassers in den Gebieten des Kohletagebergbaus durch Schlämme aus der Kohleproduktion sehr wohl dieser Aufgabe gerecht wird. Umweltschutzmaßnahmen dienen grundsätzlich vor allem dem Erhalt der Gesundheit, mal unmittelbar, wie in diesem Beispiel, mal mittelbar zum Beispiel über die Bewahrung von Ökotopen in Naherholungsgebieten.

Zu den von ENS aufgelisteten Änderungen im Gesetzentwurf gehört, wie oben erwähnt, der Abbau von Uran am Fluß Colorado. Sollte die Bestimmungen in Kraft treten, würden 17 Millionen Einwohner, die Trinkwasser aus dem Fluß beziehen, potentiell durch radioaktiven Abfall gefährdet. Zusätzliche Gelder zur Überwachung der Luftverschmutzung in Schulen, was insbesondere mit Blick auf die Ölkatastrophe nach dem Untergang der Plattform Deepwater Horizon im vergangenen Jahr im Golf von Mexico vorgesehen war, fiele weg; zudem dürften Ölgesellschaften wie Shell, Exxon und BP beim Anbohren neuer Ölfelder jede Menge Schadstoffe in die Luft blasen. Die EPA erhielte keine Gelder mehr, um beispielsweise in der Landwirtschaft entstandene Luftschadstoffe zu überwachen oder Habitate besser vor Pestiziden zu schützen. Alle neu hinzugekommenen, vom Aussterben bedrohte Tiere und deren Lebensraum würden nicht mehr geschützt. Allgemein würden Klimaschutzprogramme um 22 Prozent bzw. 83 Mio. Dollar und Landschaftsschutzmaßnahmen um 79 Prozent bzw. 239 Mio. Dollar reduziert [4]. Und so weiter und so fort.

Der Verhandlungsmarathon zwischen Demokraten und Republikanern im US-Abgeordnetenhaus diente im wesentlichen dem Zweck, die Reichen reicher und die Armen ärmer zu machen. Es werden nicht die Millionäre und Milliardäre im US-Kongreß sein, die unter den schlechteren Umweltschutzbedingungen zu leiden haben, denn sie verfügen über genügend Finanzmittel, um sich da anzusiedeln, wo Luft, Wasser und Boden weniger schadstoffbelastet sind. Außerdem haben sie dank ihres Reichtums im Zweifelsfall Möglichkeiten einer medizinischen Versorgung, auf die ärmere Menschen niemals zugreifen können. Entsprechend sinkt deren Lebensqualität und sie sterben früher.

Der Schutz der Umwelt ist somit in erster Linie eine Frage der sozialen Zugehörigkeit. Das Beispiel USA zeigt, daß die am stärksten von Umweltverschmutzungen Betroffenen nicht die Definitionsmacht, was sinnvolle Umweltpolitik sei und was nicht, aus der Hand nehmen lassen sollten ... auch nicht von einer sich grün gebenden Mittelstandspartei.

Fußnoten:

[1] "House Republicans Chop Clean Water, Air, Wildlife Funding", Environment News Service (ENS), 14. Juli 2011
http://www.ens-newswire.com/ens/jul2011/2011-07-14-01.html

[2] Näheres dazu unter hier im Pool unter LAIRE/182.

[3] "Report: More Americans have green jobs than oil or gas jobs", 18. Juli 2011
http://www.csmonitor.com/Business/2011/0718/Report-More-Americans-have-green-jobs-than-oil-or-gas-jobs [4] Fiscal Year 2012 Interior and Environment Bill Approved by Appropriations Committee, Washington, 12. Juli 2011
http://appropriations.house.gov/News/DocumentSingle.aspx?DocumentID=251469

3. August 2011