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LAIRE/150: Öko-Standards sichern Ausbeutung der Biomasse Afrikas (SB)


Landraub nur ein Phänomen unter vielen für die Plünderung des Ressourcenkontinents Afrika


Die Ausbeutung natürlicher Ressourcen Afrikas geht weit darüber hinaus, was in der Presse in letzter Zeit als neokolonialistischer "Landraub" (land grabbing) beschrieben wird. Dieser ist Bestandteil eines umfänglicheren Abtransports der biologischen Grundlagen des Kontinents und damit der Vernichtung der Überlebensvoraussetzungen seiner Bewohner. Daran beteiligen sich in- und ausländische Unternehmen ebenso wie die Regierungen der afrikanischen Länder. Leidtragende dieser Entwicklung sind, abgesehen von der Landbevölkerung,die zukünftigen Generationen.

Nach der weltweiten Preisexplosion für Getreide in den Jahren 2007/2008 stieg die Zahl der Hungernden auf über eine Milliarde an. Mitverantwortlich waren Spekulationsgeschäfte an den Börsen, die Förderung der Biospritproduktion insbesondere in den USA und der EU sowie wetterbedingte Mißernten in wichtigen Anbaugebieten. Europas Regierungen haben auf den Vorwurf des unverantwortlichen Handelns reagiert und Umwelt- und Sozialstandards zum Import von biologischen Rohstoffen für die Treibstoffproduktion erlassen.

Damit werden zwar zumindest theoretisch die "schlimmsten Auswüchse" der Umweltzerstörung beispielsweise durch den Anbau von Energiepflanzen verhindert, aber gleichzeitig wird damit etwas ganz anderes erreicht, nämlich die Etablierung und Absicherung von Strukturen, in denen Afrika wieder einmal in die Rolle des bloßen Ressourcenkontinents gedrängt wird. Selbst wenn die EU kein Palmöl importiert, für dessen Produktion tropischer Regenwald abgeholzt wurde, werden weiterhin biologische Ressourcen aus Afrika nach Europa verfrachtet. Es findet eine schleichende Ausbeutung statt, zum Beispiel durch die Degradation der sowieso häufig unergiebigen tropischen und subtropischen Böden. Der Einsatz von Düngemitteln kann zwar große Erfolge hervorbringen, wie das Beispiel Malawi zeigt, aber langfristig verlieren die Böden an organischer Substanz; zudem verändern sie sich strukturell, verdichten sich, werden entmineralisiert oder umgekehrt mit Mineralstoffen angereichert.

Die Biomasse wird auf verschiedene Weise von den Ressourcenlieferungs- in die Ressourcennutzungsstaaten exportiert. Ein Beispiel von vielen: Das in diesem Jahr gegründete und in London ansässige Unternehmen Africa Renewables Ltd. möchte der größte Biomasseexporteur Afrikas werden und hat geplant, von 2011 an allein aus Ghana jährlich 120.000 Tonnen Holzhackschnitzel auszuführen. [1] Die stammen von einer Gummibaumplantage nahe der Hafenstadt Takoradi. Nach Angaben des Unternehmens erfüllt das Material die europäischen Maßstäbe für Biomassequalität und Nachhaltigkeit.

Jedoch muß der Export biologischer Ressourcen als generell höchst problematisch angesehen werden, da auf einem Kontinent, in dem zig Millionen Menschen Hunger leiden, jede biologische Ressource dringend benötigt würde, um die Menschen zu versorgen, sei es in Form von natürlichem Dünger, Viehfutter oder Nahrungsmittel. Nun könnte man den Standpunkt vertreten, daß der Kontinent groß ist und ein riesiges Potential zum landwirtschaftlichen Anbau besteht, das nicht genutzt wird. So werde in Tansania, dessen Regierung Pachtverträge mit ausländischen Unternehmen abschließt, nur 10,8 Millionen von 44 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche genutzt, behauptet Aloyce Masanja, Generaldirektor der staatlichen Rufiji Basin Development Authority (RUBADA). Damit will er begründen, warum die Regierung dem südkoreanischen Unternehmen Korea Rural Community Corp (KRC) 15.000 Hektar landwirtschaftliche Fläche verpachtet hat. Tansania sei mit Millionen Hektar fruchtbarer landwirtschaftlicher Fläche gesegnet, aber das meiste Land wurde seit langer Zeit zu wenig genutzt, erklärt Masanja. 100.000 Hektar habe die Regierung als potentielles Farmland ausgewiesen. [2]

Im vergangenen Jahr hat Saudi-Arabien in Tansania angefragt, ob es dort 500.000 Hektar Land pachten könne, um Weizen und Reis anzubauen. Ein US-Unternehmen will in dem ostafrikanischen Land eine Kassawa-Plantage auf 5000 Hektar betreiben, um Stärke zu produzieren, die exportiert werden soll. Drei Beispiele von vielen für den Export biologischer Ressourcen allein innerhalb Tansanias, das seinerseits als typisch für viele Subsaharastaaten angesehen werden kann.

Nahrungsmittel, Futtermittel, Holzschnitzel, Agrotreibstoffe, industrielle Grundstoffe wie Stärke ... der Export von biologischem Material aus Afrika bringt zwar den Staatshaushalten Devisen ein, allerdings profitieren davon in der Regel nur wenige Unternehmer und Regierungsmitglieder, während für die Landbevölkerung kaum etwas abfällt. Generell gilt die Landbevölkerung Afrikas als ärmer und noch schlechter versorgt als die Stadtbevölkerung.

Nicht selten kommt es im Zusammenhang mit dem Plantagenanbau zur Vertreibung der angestammten Bevölkerung, die in den vermeintlich ungenutzten Gebieten traditionell Feuerholz, Beeren, Nüsse und Honig gesammelt oder ihr Vieh geweidet hat. Auch Verdrängung findet statt, wobei die als Folge der Landverpachtung vertriebenen Einwohner in die Gebiete anderer abwandern müssen, was dort zu sozialen Spannungen führen kann. Für spätere Generationen kommt das Problem hinzu, daß die landwirtschaftlichen Flächen übernutzt werden. Um höhere Erträge zu erzielen wird mit dem Düngereinsatz nicht gespart. Auf längere Sicht laugt das den Boden aus, doch am Ende ziehen die Investoren ab und werden nicht dafür verantwortlich sein, was sie angerichtet haben.

Alles in allem ist nicht erkennbar, daß der beschriebene Export biologischer Ressourcen das ewige Versprechen der nachholenden Entwicklung der sogenannten Entwicklungsländer Afrikas jemals erfüllte. Die Handelsverhältnisse sind eindeutig orientiert: Die Wertschöpfung findet woanders statt. Am Ende wird der schwarze Kontinent nicht nur von der Sonne verbrannt und ausgedörrt, sondern auch von der mannigfaltigen Plünderung der Biomasse durch Menschen aus vergleichsweise privilegierteren Verhältnissen.

Anmerkungen:

[1] "UK Company to Export African Biomass in Five Years", Alternative Energy Africa, 19. Dezember 2010
http://ae-africa.com/read_article.php?NID=2625&PHPSESSID=ae2131fa4705c994784ba6ccb3abf4f0

[2] "South Korean government firm to farm Tanzania site in early 2011", Reuters, 28. November 2010
http://af.reuters.com/article/topNews/idAFJOE6AA08I20101111?sp=true

22. Dezember 2010