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LAIRE/130: Fragen anläßlich des Aufrufs der Stiftung Ethecon zum BP-Boykott (SB)


Welche Folgen hätte ein BP-Boykott ... und welche Folgen hätte er nicht?


Mit dem Boykott eines Konzerns durch die Verbraucher kann eine andere Firmenpolitik erzwungen werden. Gelänge es beispielsweise, eine weltweite Anti-BP-Kampagne zu starten, wie es jetzt unter anderem von Ethecon - Stiftung Ethik & Ökonomie vorgeschlagen wird, so liegt es im Bereich des Vorstellbaren, daß der Konzern zu Umweltschutzmaßnahmen genötigt würde, zu denen er ohne einen Boykott nicht bereit gewesen wäre. Wer sich das zum Ziel setzt, soll sich nicht davon abhalten lassen.

Mit einem Boykott würde allerdings noch etwas anderes erreicht. Von den Verlusten BPs würden andere Ölgesellschaften profitieren, die sich prinzipiell keiner anderen Methoden der Erdölförderung bedienen und nur allzu bereit wären, den brennenden Durst der Gesellschaft nach dem fossilen Energieträger zu stillen. Will Ethecon das erreichen?

Würde als Reaktion auf die Erdölkatastrophe im Golf von Mexiko jegliche Offshore-Förderung eingestellt, hätte das einen Anstieg der Erdölpreise auf dem Weltmarkt zur Folge. Davon wären hierzulande die Geringerverdienenden stärker betroffen, und in den Ländern des Südens werden sich absehbar die Preise für Nahrungsmittel, Getreide, Dünger, Wasser für die Bewässerungswirtschaft, etc. erhöhen. Tendenziell würden dadurch mehr Menschen in Armut geworfen und müßten womöglich Hunger leiden. Nimmt die Stiftung das wissentlich in Kauf, sozusagen als Kollateralschaden des für sie wichtigen Ziels, BP an den Pranger zu stellen?

Für den Energieträger Erdöl ist die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko sicherlich das, was der Tschernobyl-GAU für die Atomkraft. In beiden Fällen hat sich die Energieproduktion als extrem umweltschädlich für riesige Regionen erwiesen. Ebenfalls in beiden Fällen kann konstatiert werden, daß auch die normale Nutzung von Erdöl oder Uranbrennstoff katastrophale Folgen zeitigt, aber viel seltener thematisiert wird. Zum Beispiel im Nigerdelta. Seit Jahrzehnten kämpft die Bevölkerung dagegen an, daß Boden, Wasser und Luft durch die Erdölförderung verseucht werden.

Das Niger-Delta ist eine Erdölkloake größten Ausmaßes. Konsequenterweise sollte man deshalb auch Shell boykottieren. Und Eni (Agip), Chevron-Texaco, Exxon-Mobil, Halliburton, William Brothers, Elf-Acquitaine, Litwin, Ramboil, Statoil, Dietsman Comerint, SASOL, CNOOC und viele mehr, die im Verlaufe der letzten 50 Jahre zur Ölverseuchung der riesigen Flußmündung des Nigers beigetragen haben. Und wieso eigentlich nur diese Firmen, warum nicht auch alle anderen Unternehmen, die irgendwo auf der Welt für Umweltverschmutzungen durch Erdöl verantwortlich sind? Und warum den Boykott nur auf Ölgesellschaften beschränken und nicht auch die Flugzeug-, Schiff- und Fahrzeughersteller boykottieren, schließlich sind sie es, die den Bedarf nach Erdöl forcieren?

Bei einer konsequenten Einhaltung des Boykottgedankens kämen Verbraucherinnen und Verbraucher in arge Schwulitäten. Das klingt prinzipiell gar nicht schlecht, doch sollten sich die Boykotteure klar darüber sein, daß sie sich letztlich selbst boykottieren, das heißt, sie müßten die eigene Lebensweise und die dafür erforderlichen Produktionsbedingungen und -verhältnisse fundamental in Frage stellen.

Bitte, hier soll ganz sicher nicht BP verteidigt werden, und jede Maßnahme zum Schutz der Umwelt ist zu begrüßen. Aber warum die Gelegenheit, da Ethecon zum Boykott eines einzigen Ölkonzerns und seiner Subunternehmen aufruft, ungenutzt verstreichen lassen und nicht daran anknüpfend an Grundsatzfragen erinnern, die ansonsten weitgehend ausgeblendet werden? Angesichts der riesigen Probleme für die Gesellschaft und somit auch den Einzelnen, dessen bloße Existenz bereits eine Umweltbelastung darstellt und ihn vor schier unlösbare Probleme stellt, sollte er sich dagegen stellen, wirkt der Boykottaufruf wie ein Versuch, etwas Gutes im Schlechten zu finden. Denn wenn BP das schwarze Schaf ist, folgt daraus, daß die anderen weiße Westen tragen. Will Ethecon uns das mit dem Boykottaufruf sagen?

18. Juni 2010