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LAIRE/128: Giftmüll aus Deutschland in Nigeria angelandet (SB)


Nigerianische Umweltbehörde schickt illegal exportierten Giftmüll nach Europa zurück


Der konsumgetriebene hohe Lebensstandard der westlichen Welt hat einen Preis, den häufig andere bezahlen müssen. Sei es, daß sie in Regionen leben, die besonders anfällig für klimatische Veränderungen aufgrund der anthropogenen Erderwärmung sind, sei es, daß sie gewaltsam daran gehindert werden, nach Europa oder Nordamerika zu flüchten, oder sei es, daß sie in ihrer Heimat in sklavereiähnlichen Verhältnissen ihr Überleben zu sichern versuchen und Diamanten schürfen, Gold aus dem Berg stemmen oder tropische Wälder roden, ohne daß sie jemals in die Nähe einer Chance gelangten, geschliffene Diamanten zu tragen, sich Goldketten umhängen zu dürfen oder über einen Parkettboden aus Edelholz zu wandeln. Eine sehr direkte Form dieses unter dem Stichwort Umlastung zu subsumierenden Verhältnisses stellt der Export von Giftmüll in die sogenannte dritte Welt dar.

In jüngster Zeit war es der nigerianischen Umweltbehörde NESREA (National Environmental Standards and Regulations Enforcement Agency) zweimal gelungen, illegal auf dem Seeweg von Europa nach Nigeria transportierten Giftmüll aufzuspüren und die Ladung an das jeweilige Herkunftsland zurückzuschicken. Man muß davon ausgehen, daß das nur die Spitze des Eisbergs ist.

Am 3. Juni wurde eine Schiffsladung von neun Containern mit Waren, die unter anderem Chlorofluorocarbon (CFC) enthielten, abgefangen, berichtete die nigerianische Zeitung "This Day". [1] Die Substanz war in Kühlschränken enthalten und wird nach den Bestimmungen der Basler Konvention als giftig eingestuft. Das Schiff, die MV Gumel Panama, wurde am selben Tag mit den Giftcontainern nach Antwerpen zurückgeschickt.

Bereits am 15. April hatten nigerianische Geschäftsleute in Verbindung mit Partnern aus den Herkunftsländern versucht, die Basler Konvention zu umgehen und mit der MV Maersk Nashville Giftmüll aus Holland in Nigeria anzulanden. Das Schiff kam einen Tag früher an als angekündigt und wäre seine Ladung bereit losgeworden, bevor die nigerianischen Behörden hätten einschreiten können. Doch ebenso wie die "Müllmafia" international vernetzt ist, arbeiten auch die Aufsichtsbehörden zusammen.

Im jüngsten Fall illegalen Giftmüllexports hatte die NESREA einen Tip von Marc De Strooper von der Organisation Transboundary Dump Watch of Movement of Hazardous Waste erhalten und war mit einem Team in die Wirtschaftsmetropole Lagos gereist, wo das fragliche Schiff aufgespürt wurde. Der Giftmüll, der neben CFC-belasteten Kühlschränken auch gebrauchte Fernseher, Videogeräte, leere Batterien, Autoteile und viele weitere Konsumgüter mit giftigen Substanzen enthielt, stammte ursprünglich aus Deutschland.

Grenzüberschreitende Abfallverbringungen benötigen laut dem Bundesumweltministerium "die Genehmigung des Ausfuhrlandes, die Genehmigung sämtlicher Durchfuhrländer sowie die Genehmigung des Einfuhrlandes". [2] Soviel zur Theorie. Die beiden Beispiele für illegalen Giftmüllexport nach Nigeria sind verglichen mit dem Giftmüll, der über Jahre hinweg vor Somalia ins Meer gekippt und der am 19./20. August 2006 illegal an verschiedenen Stellen im Hafengebiet von Abidjan in der Elfenbeinküste verteilt wurde, und auch den 3500 Tonnen hochbelasteten toxischen Abfalls, der 1988 im nigerianischen Dorf Koko abgeladen wurde, weniger bedeutend. Aber an den beiden vermeintlich harmloseren Vorfällen zeigt sich, daß eine Umlastung von Schäden (in diesem Fall Schadstoffen) stattfindet und daß sie hauptsächlich eine Richtung annimmt, nämlich von Nord nach Süd. Daß daran zwei Seiten verdienen, die Absender und die Empfänger der illegalen Verbringung gesundheits- und umweltgefährdender Substanzen, relativiert den Vorgang nicht. Vielmehr erinnert es daran, daß bereits die kolonialzeitliche Ausbeutung von Land und Leuten in Afrika, auf deren Rücken Städte wie Glasgow zu Reichtum gelangten und sich Herrscher wie der belgische König Leopold Prachtschlösser errichten ließen, auch örtliche Profiteure hervorgebracht hat. Sie stehen nicht im Widerspruch zu diesem von Nord nach Süd umlastenden System, sondern sind ein unverzichtbarer Bestandteil, damit es geschmiert läuft ...


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Anmerkungen:

[1] "Nigeria: Again, NESREA Intercepts Another Toxic Waste Ship", This Day (Lagos), 4. Juni 2010
http://allafrica.com/stories/201006071569.html

[2] "Sachstand und Gesetzgebung. Grenzüberschreitende Abfallverbringung", Stand: August 2008
http://www.bmu.de/abfallwirtschaft/fb/abfallexporte/doc/3577.php

8. Juni 2010