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WIESE/017: Mehr Schutz für unsere Blumenwiesen - Arten des Agrarlandes hoch gefährdet (Vogelschutz)


Vogelschutz - 2/2012
Magazin für Arten- und Biotopschutz

Mehr Schutz für unsere Blumenwiesen

von Ludwig Sothmann



Ein negatives Phänomen dehnt sich übr ganz Europa aus. Auch Bayern ist davon betroffen: Wir investieren EU-weit 5,5 Milliarden Euro jährlich in Agrarumweltmaßnahmen und trotz dieses immensen Einsatzes von Steuergeldern sind die Arten des Agrarlandes hoch gefährdet. Besonders schlimm ist, dass die Gefährdung stetig zunimmt.

Die Zahlen des Bundesamtes für Naturschutz und des Statistischen Bundesamtes sprechen eine klare Sprache. Setzt man die Artenvielfalt des Agrarlandes von 1970 mit 125 Punkten an, dann ist dieser Wert 1999 auf nur noch 75 Punkte gesunken. Im Rahmen der Biodiversitätsstrategie sowie der Nachhaltigkeitsstrategie sollte aber der Zielwert von 100 möglichst schnell, spätestens bis 2015 erreicht werden. Die Dramatik liegt nun darin, dass die Lage der Biodiversität im Agrarraum auch in den letzten Jahren nicht besser, sondern immer schlechter geworden ist. Trotz KULAP, trotz VNP, trotz vieler Millionen Subventionen für naturverträgliches Wirtschaften auf Äckern und Wiesen. Der letzte offiziell ermittelte Wert liegt bei 66% Zielerreichung. Sorge macht uns, dass ein statistisch signifikanter Trend weg vom Zielwert erkennbar ist.

Wir können derzeit gerade einmal etwas mehr als die Hälfte der Artenfülle von 1970 in unseren landwirtschaftlich genutzten Räumen erhalten. Das ist eine Katastrophe, eine unglaubliche Hypothek, die wir kommenden Generationen zumuten. Diese bitteren, durch fachliches Monitoring erarbeiteten Zahlen zur biologischen Vielfalt sagen eindeutig: Da muss etwas falsch laufen. Änderungen sind angesagt.

Alle Programme müssen auf den Prüfstand

Dabei muss das Kriterium der Effizienz für die Ressource Biodiversität oberster Maßstab sein. Es darf nicht weiterhin dabei bleiben, dass die Überprüfbarkeit meist unter technischen, jedoch nicht unter fachlichen Aspekten, die leichte verwaltungstechnische Handhabung sowie der einheitliche Auflagenstandard trotz unterschiedlicher Natur- und Klimaräume die Wirksamkeit der Programme für die Natur einschränken und diese für kooperationswillige Landwirte - und davon gibt es viele - unattraktiv machen. Es ist ein Bürgerrecht, dass Steuergelder nicht mit der Gießkanne verstreut mehr oder weniger wirkungslos versickern, sie müssen zielgerecht und effizient eingesetzt werden. Es ist auch Bürgerrecht, dass die natürliche Vielfalt mit ihren immensen kostenlosen Ökosystemleistungen erhalten wird. Es ist also höchste Zeit, an diesem unbefriedigenden Zustand Wesentliches zu ändern.

Kritik am gegenwärtigen Zustand kommt nicht nur von den Naturschutzverbänden

Sie kommt immer häufiger auch aus der Forschung und zwar aus den Feldern der Ökologie, der Ökonomie bis hin zu den Gesellschaftswissenschaften.

Der Artenschutzbericht der Staatsregierung, noch keine 2 Jahre alt, steht unter dem Leitbild: "Artenverluste sind ethisch, ökologisch, ökonomisch nicht hinnehmbar." Wir erwarten, dass dieser Aussage Taten folgen und der Förderkanon viel stärker effizienz-basiert ausgerichtet wird.

Ein Blick auf das Grünland

Der LBV ist gegenwärtig mit externen Fachleuten dabei, eine Studie zu erarbeiten, die zeigen soll, wie durch veränderte Rahmenbedingungen der Agrarförderung bei gleichem Mitteleinsatz weit mehr für die Biodiversität und für die betriebswirtschaftliche Sicherheit sowie die gesellschaftliche Anerkennung der beteiligten Landwirte erreicht werden kann.

Die Blumenwiesen in den unterschiedlichsten Ausprägungen sind ein erheblich unterschätzter Hotspot der natürlichen Vielfalt. Es sind landschaftsprägende, ästhetische Kulturbiotope, die unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten unsere volle Aufmerksamkeit verdienen.

Ein Team um den Forscher BASTOW WILSON stellt im Journal of Vegetation Science kürzlich fest: "Wenn es um die weltweit größte Vielfalt an Pflanzenarten geht, liegen die bunte Blumenwiese und der tropische Regenwald praktisch gleichauf." Ein Ansporn mehr, die Schutzqualität für natürliches und naturnahes Grasland deutlich zu verbessern.

Die magere Flachland-Mähwiese (LRT 6510 der FFH-Richtlinie) war über Generationen der Blumengarten unserer Landschaft und Lebensraum inzwischen selten gewordener Tierarten wie Brachvogel, Kiebitz, Braunkehlchen und Bläulinge. Die Grünlandverluste liegen in Bayern bei etwa 10.000 ha pro Jahr. Die Ursachen sind Grünlandumbruch (Vermaisung), aber auch Einstellung der Bewirtschaftung. Der qualitative Untergang des artenreichen Grünlandes ist vermutlich noch dramatischer. Er wird verursacht durch hohe Mahdzahl, Egalisierung des Mikroreliefs, erhebliche Düngefracht, umbruchprovozierende, durch das EEG ausgelöste Pachtpreise und den Rückgang traditioneller Milchviehbetriebe auf Raufutterbasis.

Die blumenreiche, magere Flachland-Mähwiese ist auf rund 10% ihres Bestandes von vor 50 Jahren zusammengeschrumpft.

Sie ist mit ihrem feuchten bis hin zum trockenen Flügel für die Biodiversität nicht ersetzbar. Sie ist abhängig von nur 2 (max. 3) Mähvorgängen im Jahr. Diese Wiesen werden nicht oder allenfalls nur mit Stallmist gedüngt. Sie sind auch deshalb so blütenreich, weil normalerweise der erste Schnitt nicht vor der Blüte der Hauptgräser stattfindet. Ihr Problem ist die Bindung an extensive Rinderhaltung. Zudem sind die Blumenwiesen umbruchgeeignet oder sie können als Gülle-Entsorgungsflächen genutzt und dann mehrschürig bewirtschaftet werden.

All das weiß man. KULAP und VNP sind millionenschwere Förderinstrumente für eine naturverträgliche Landwirtschaft. Die Gemeinwohlwirkungen der Fördergelder, gerade auch beim artenreichen Grünland, müssen sich verbessern. VNP und KULAP kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Das von uns in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt und dem Büro Landimpuls erarbeitete Aktionsprogramm Grünland zeigt Möglichkeiten auf, beim Erhalt der extensiv genutzten blumenreichen Grünländer voranzukommen. Wir werden versuchen, mit diesem Programm bald in die Umsetzung zu gehen. Die Bereitschaft der Landwirte, sich zu beteiligen, ist groß.

Der Autor
Ludwig Sothmann
Vorsitzender des LBV
E-Mail: a-thiel[at]lbv.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Linke Seite: Die bunte Blumenwiese mit Storchenschnabel, Knöterich und Hahnenfuß ist zu einem sehr seltenen Anblick geworden
  • Kleine Fotos links und oben: Überdüngung und bis zu 5 Mahden prägen die weit verbreitete "Turbo-Wiese", auf der nur noch der Löwenzahn im Frühling blüht

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Quelle:
Vogelschutz - 2/2012, S. 10-11
Magazin für Arten- und Biotopschutz
Herausgeber:
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. -
Verband für Arten- und Biotopschutz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2012