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WALD/684: Typisch deutsch - Die Buche ist die Mutter des Waldes (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 3/14
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Typisch deutsch
Die Buche ist die "Mutter des Waldes"

Von Helmut Harth



Buchen, wohin man auch schaut. Ohne Eingriff des Menschen wäre unsere Heimat zu rund zwei Dritteln mit Buchen- und Buchenmischwäldern bedeckt. Dabei besitzt die Buche - botanisch korrekt "Rotbuche" - im Weltmaßstab ein sehr kleines Verbreitungsgebiet. Es reicht nur von Frankreich bis Südschweden und Ostpreußen sowie auf den Balkan und im Süden bis Sizilien. Deutschland ist das Kernland der Buche, hier wachsen ein Viertel aller Buchen weltweit. Wir haben folglich große Verantwortung für den Erhalt der noch verbliebenen naturnahen Buchenwälder und deren Lebensgemeinschaften.

Rückkehr nach der Eiszeit

Wie nahezu alle Bäume war die Buche von den Eiszeiten nach Süden verdrängt worden, vor 5.000 Jahren kam sie Stück für Stück wieder zurück. Bedenkt man, dass eine Buche 300 Jahre alt wird - wenn man sie lässt -, ist diese Art also erst seit wenigen Generationen wieder bei uns ansässig.

Zunächst dominierten Mischwälder aus Birke, Eiche, Linde, Ulme, Ahorn, Esche und Kiefer, doch die Buche stach sie alle aus. Diese Erfolgsgeschichte hat die Buche ihrer enormen Konkurrenzkraft im Kampf um Platz, Licht, Wasser, Nähr- und Mineralstoffe zu verdanken. Der Hauptvorteil der Buche liegt in ihrer speziellen Kronenarchitektur, welche die Fähigkeit hat, sowohl dichten Schatten zu werfen als auch ertragen zu können.

Flexibel und konkurrenzfähig

Außerdem ist sie so anpassungsfähig wie kaum eine andere Baumart. Sehr große klimatische, ökologische und standörtliche Amplituden stellen für die Buche kein Problem dar. Sie kommt mit nahezu allen bodenchemischen Verhältnissen klar und weist ein erstaunlich stabiles Gleichgewicht gegenüber ihren tierischen- und pflanzlichen Schadorganismen auf. Aufgrund dieser hohen Anpassungsfähigkeit und vielen genetischen Variationen haben sich verschiedene Standortrassen der Buche mit deutlichen Ausprägungen entwickelt.

Bei einer natürlichen Entwicklung würde die Buche unser Landschaftsbild als Naturwald mit allen Altersphasen in unmittelbarer Nachbarschaft durch eine eigene Dynamik und riesige strukturelle Vielfalt prägen. Diese Buchenwälder lassen aber auch in ihren verschiedenen standörtlichen und geografischen Ausbildungsformen sowie in ihrem Lebenszyklus immer irgendwo und irgendwann Platz für unsere anderen mitteleuropäischen Baumarten. Durch ihren reichen Laubfall und die intensive Durchwurzelung auch tiefer Bodenschichten hat die Buche hohe boden- und bestandspflegerische Qualitäten und bereitet das Milieu für andere Arten vor. Die Rotbuche wird somit zu Recht "Mutter des Waldes" genannt.

Gerodet und verdrängt

Seit 7.000 Jahren nutzt der Mensch nun den Wald und seit der Zeit Karls des Großen vor 1.300 Jahren wurden Wälder großflächig für Siedlungstätigkeiten und Landwirtschaft gerodet. Ihren Höhepunkt fand diese Plünderung in der frühindustriellen Entwicklung im 18. und 19. Jahrhundert, die auf der Rohstoff- und Energiebasis von Holz basierte ("Hölzernes Zeitalter"). Um 1800 ergab sich eine dramatische Holzknappheit und die aufkommende Forstwirtschaft versuchte dies mit der Aufforstung schneller wachsender Nadelbäume zu kompensieren. So wurde die Buche immer mehr verdrängt.

Aktuell stockt die Buche nur noch auf 14 Prozent der Wälder. Buchenwald mit einem Bestandsalter von über 180 Jahren ist sogar nur noch auf drei Promille der Waldfläche zu finden.

Isolierte Sonderstandorte

Zur Seltenheit alter Buchenwälder kommt eine starke Verinselung der wenigen Restflächen auf isolierten Sonderstandorten. Durch die oft fehlende Habitattradition wird dieser Umstand für die abhängigen Lebensgemeinschaften aus Tieren, Pilzen und Pflanzen zusätzlich verschärft. Deshalb sind die Lebensgemeinschaften im alten Buchenwald in besonderem Maße gefährdet - obwohl die Buche selbst als Baumart ja keineswegs gefährdet ist.

Durch das internationale Abkommen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt von Rio de Janeiro vor 20 Jahren und mit der Einführung des europäischen Naturschutzprogramms "Natura 2000" haben die Rotbuchenwälder neuerdings wieder die Bedeutung erhalten, die ihnen als landschaftsbeherrschende Vegetationsform Mitteleuropas und Deutschlands zukommt.

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Rotbuche in Zahlen
  • Maximale Höhe 30 bis 45 Meter, Alter bis zu 300 Jahre
  • Stammdurchmesser bis zwei Meter, Stammumfang bis sechs Meter
  • Zahl der Blätter je Baum rund 200.000,
    Fläche der Blätter 1.200 Quadratmeter
  • Verdunstung von Wasser bis 400 Liter pro Tag und Baum
  • Produktion von Sauerstoff fünf Kilogramm pro Tag und Baum,
    Verbrauch von Kohlendioxid sechs Kilogramm,
    Lufterneuerung 20 Kubikmeter je Tag



Welterbe erleben

2011 hat die Unesco fünf deutsche Buchenwälder als Weltnaturerbe ausgewiesen. Einer davon ist der Grumsin im brandenburgischen Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin (siehe unser Heft 2/2013). Mitarbeiter des nahegelegenen NABU-Zentrums Blumberger Mühle und der Naturwacht bieten an Wochenenden regelmäßig Führungen durch den Grumsin an. Anfragen und Voranmeldung unter Tel. 03331-26040, blumberger.muehle@nabu.de.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 3/14, Seite 10 - 11
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1530, Fax: 030/284984-2500
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"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
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ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2014