Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LEBENSRÄUME

WALD/646: Waldsterben 2009 (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 105/2.2010
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

wald
Das Bulletin - Waldsterben 2009

Von Rudolf Fenner


Entwarnung! Der Wald erholt sich zügig von seinem jahrzehntelangen Siechtum.

Falsch! Wer sich jedoch nur die letzten fünf Jahre der Fieberkurve des Waldes anschaut, der könnte in der Tat einen solchen Eindruck gewinnen. Tatsächlich erholt sich aber der Wald lediglich von den gravierenden Folgen des Trockenjahres 2003, die die Schäden in den Baumkronen im Folgejahr auf den Rekord-Durchschnittswert von 72 Prozent getrieben haben.

Schon 1992, zwei Jahre nach Wiebke, dem ersten und für die deutschen Waldgebiete folgenreichsten Orkan der letzten zwanzig Jahre, stieg der Anteil der sichtbaren Schäden in den Baumkronen auf 71 Prozent. Und es dauerte auch damals etwa fünf Jahre, bis die Wälder die Folgen dieser Sturmkatastrophe einigermaßen überwunden hatten. Doch alles in allem ist über den gesamten Zeitraum von 27 Jahren, die diese Daten nun schon nach dem gleichen Schema Jahr für Jahr erhoben werden, eine steigende Tendenz der Waldschäden festzustellen. Besonders deutlich ist dies bei den Buchen und Eichen zu erkennen, von denen 1984 - also zu Beginn der Schadenserhebungen - etwa die Hälfte lädierte Kronen hatte. Heute liegt bei diesen beiden für Mitteleuropa so typischen Baumarten die Schadenshöhe bei etwa 80 Prozent.

Zu Tode gemästet

Die Buche ist die einzige Baumart, deren Kronenzustand sich im vergangenen Jahr verschlimmert hat. Das liegt, sagt das Forstministerium, an der sogenannten Vollmast - soll heißen: Die Buchen haben im vergangenen Jahr bundesweit ungewöhnlich stark gefruchtet und deshalb, weil Blüten und Eckern viel Energie verbrauchen, weniger Blätter wachsen lassen können. Das mag stimmen. Nur hat man aber diese Erklärung in den letzten Jahren recht häufig gelesen. Und immer hörte es sich so an, als ob es den Buchen eigentlich recht gut ginge. Sie lieferten ja sogar pralle Ernten.

Jedoch: Normalerweise gibt es eine solche Buchen-Vollmast im Mittel nur alle zehn Jahre, so dass die Bäume ausreichend Zeit haben, sich von dieser energiezehrenden Produktion gut zu erholen. In den vergangenen zehn Jahren allerdings gab es eine ganze Reihe solcher Mastjahre - drei starke und zwei nicht ganz so starke. Die Ursache dafür: Je wärmer der Sommer und je mehr Stickstoff im Boden, um so stärker der Fruchtansatz im folgenden Jahr. Und da weder die menschengemachte Klimaerwärmung noch die hohen Stickstoffemissionen aus landwirtschaftlicher Tierproduktion und Schwerlastverkehr gebremst werden, ist der Zeitpunkt nicht mehr all zu fern, wo es den Buchen so gehen wird wie Witwe Boltes Hühnern: Jedes legt noch mal ein Ei, und dann kommt der Tod herbei.

Gülle killt Wald ... ... und Moore, Heiden, Trockenrasen gleich mit

Das schleichende Sterben der Wälder ist ein Alarmzeichen. Aber nicht nur für den Lebensraum Wald. Denn die hohen Stickstoff-Emissionen, für die mit deutlich über 50 Prozent vor allem die Landwirtschaft verantwortlich ist, zerstören die Grundbedingung einer ganzen Reihe weiterer Naturräume.

All die Biotope in unserer Landschaft, deren Eigenheit gerade durch einen geringen Stickstoffgehalt im Boden geprägt ist, verlieren durch die auf sie niedergehenden Stickstoffmengen ihr spezifisches Charakteristikum: Hochmoore, Zwergstrauchheiden der norddeutschen Tiefebene, alpine Borstgrasrasen, Trockenrasen an sonnenexponierten Mittelgebirgshängen oder Pfeifengras-Feuchtwiesen - all dies sind nährstoffarme Lebensräume in unserer Kulturlandschaft, deren typische und gut an die Nährstoffarmut angepassten Pflanzenarten zunehmend von stickstoffliebenden Pflanzen verdrängt werden.

Über achtzig Pflanzenarten sind laut Roter Liste in Deutschland infolge der Eutrophierung ihrer Standorte durch Stickstoffeinträge aus der Luft vom Aussterben bedroht oder zumindest gefährdet. Und das sind nur die höheren Pflanzen - die niederen Pflanzen wie Moose, Flechten und Pilze sind unter diesem Aspekt der Überdüngung noch gar nicht für die Rote Liste bearbeitet.

Rudolf Fenner, ROBIN WOODWaldreferent in Hamburg, Tel.: 040/38089211, wald@robinwood.de

Stickstoff-Emission in Deutschland

Stickstoff-Emission in Deutschland

N-NH3 (Ammoniak u. N-NO2 (Stickoxide) berechnet nach Angaben des Umweltbundesamtes 2007


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Durch Stickstoff-Immissionen... ...vom Aussterben bedroht: Frühlings-Kuhschelle wächst auf Zwergstrauchheiden und Borstgrasrasen ...vom Aussterben bedroht: Moor-Steinbrech wächst in nährstoffarmen Mooren und Moorwäldern ...stark gefährdet: Übersehenes Knabenkraut wächst in nährstoffarmen Mooren und Moorwäldern ...gefährdet: Wohlriechende Händelwurz wächst auf Trocken- und Halbtrockenrasen ...gefährdet: Gewöhnliche Natternzunge wächst vor allem auf Feuchtwiesen

Eine vollständige Liste aller durch Stickstoff-Immissionen bedrohten und gefährdeten Pflanzen finden Sie unter www.robinwood.de/waldsterben "Artensterben"


*


Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 105/2.2010, S. 42-43
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
Verlag: ROBIN WOOD-Magazin
Rosa-Luxemburg-Str. 24, 16303 Schwedt
Tel.: 03332/2520-10, Fax: 03332/2520-11
E-Mail: magazin@robinwood.de

Magazin zu beziehen über:
Robin Wood e.V. Bremen, Geschäftsstelle
Postfach 10 21 22, 28021 Bremen
Tel.: 0421/59 828-8, Tel.: 0421/59 828-72
E-Mail: info@robinwood.de
Internet: www.robinwood.de

Erscheinungsweise: vierteljährlich
Jahresabonnement: 12,- Euro inkl. Versand
Der Bezug des ROBIN WOOD-Magazins
ist im Mitgliedsbeitrag enthalten


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2010