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WALD/626: Der Kampf um Tasmaniens Urwälder (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 103/4.2009
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

wald: Der Kampf um Tasmaniens Urwälder

Von Rudolf Fenner


Auf Tasmanien ist der Teufel los. Es geht um die einmaligen Wälder dieser australischen Insel: Urwälder, in denen die höchsten Laubbäume der Welt stehen, und Regenwälder mit Baumarten aus der Zeit, als die Landmassen der Südhemisphäre noch im Gondwana-Kontinent vereint waren. Je weiter die Kahlschläge in den Urwäldern vordringen und je breiter sich monotone Plantagen aus Kiefern oder Eukalypten durch die Landschaft ziehen, um so vehementer werden die schon seit Jahrzehnten schwelenden Auseinandersetzungen um den Erhalt dieser Wälder.

Als vor fünf Jahren der australische Forstkonzern Gunns den Bau der weltweit größten Zellstofffabrik auf Tasmanien ankündigte, brach ein Proteststurm in Tasmanien los und spaltet seitdem auch die übrige australische Bevölkerung in Gegner und Befürworter dieses fatalen Industrieprojekts. Noch ist die Zellstoffmühle nicht gebaut, noch sind aber auch die umkämpften tasmanischen Urwälder nicht geschützt. ROBIN WOOD startet daher eine Briefaktion an den australischen Premierminister Kevin Rudd mit der Forderung nach einem umfassenden Schutz für diese Wälder (siehe Kasten Seite 21)[*].

Die Geschichte Tasmaniens seit der Inbesitznahme durch englische Kolonisatoren ist kurz, gerade mal 200 Jahre. Aber diese Zeitspanne hat gereicht, die ursprüngliche Bevölkerung und deren Kultur vollständig untergehen zu lassen. Auch die allermeisten Wälder, die den kleinsten Bundesstaat Australiens einst bedeckten, wurden gerodet, um vor allem landwirtschaftliche Flächen zu gewinnen. Nur etwa ein Viertel der ursprünglichen Wälder existiert noch.

Es sind einzigartige Wälder dort in Tasmanien, eine Mischung aus den erdgeschichtlich modernen australischen Eukalyptuswäldern mit den überlebenden Waldbaumarten aus der Zeit, als Australien noch zusammen mit Afrika, Südamerika, der Antarktis und Indien den Gondwana-Kontinent bildeten. Hier im mild-feuchten Klima Tasmaniens wachsen die höchsten Laubbäume der Welt: die Riesen-Eukalypten - 101 Meter hoch ist der derzeitige Rekordhalter, der im Süden Tasmaniens steht. Hier wächst auch der Stringy-Bark, eine andere Eukalyptusart, die immerhin auf neunzig Meter kommen kann. Unter diesen Eukalyptus-Giganten, deren Kronen meist weit über das eigentliche Walddach hinausragen, wachsen die den tasmanischen Regenwald prägenden Baumarten des Gondwana-Zeitalters: die Celery-top-Pine, ein Nadelbaum, der keine Nadeln und auch sonst keine Blätter hat, dafür aber blattartig verbreiterte Stiele. An Gewässerrändern steht die Huon-Pine, die über 2.000 Jahre alt werden kann. Hier wachsen die Tasmanische Scheinbuche, Myrtle genannt, der Sassafras und die Sichelförmige Schuppenfichte. Und darunter - besonders an düster-feuchten Plätzen und in Bachtälern - drängeln sich auf schlanken, leicht gewundenen Stämmen die mehrere Meter hohen Dicksonia-Baumfarne mit ihren weit ausladenden Wedeln.

Auch wenn diese Wälder zum allergrößten Teil aus den sogenannten Regenwald-Baumarten bestehen - als Regenwald gelten diese Wälder streng genommen nicht. Erst wenn keine Eukalyptusbäume mehr vorkommen, wenn all diese Baumriesen nach und nach weggestorben sind, erst dann sprechen australische VegetationskundlerInnen von einem Regenwald. Feuer ist hierbei der entscheidende Faktor. Eukalyptuswälder sind Feuerwälder. Jeder weiß das aus den alljährlichen Katastrophenmeldungen, die uns aus Australien erreichen. Eukalyptusbäume brauchen den Waldbrand. Ohne abgebrannte Freiflächen können sie sich nicht regenerieren. Der Nachwuchs bleibt aus, wenn es nicht innerhalb eines Baumlebens zumindest einmal ordentlich brennt. Eukalyptusbäume sterben vergleichsweise recht jung: 450 Jahre, das ist schon das Höchstalter selbst bei den Hundert-Meter-Giganten.

Da es in dem feucht-kühlen und regenreichen Klima Tasmaniens deutlich seltener brennt als auf dem australischen Festland, gibt es eine ganze Reihe von Waldgebieten, in denen es mindestens über ein halbes Jahrtausend hinweg nicht gebrannt hat. An solchen Standorten sind all die Pioniere, also die Eukalyptusbäume, die die Waldfläche vor langer Zeit als erste nach einem Brand besiedelt hatten, verschwunden. Hier steht der nun reine Regenwald mit seiner ganz eigenen und beeindruckenden Vielfalt, die im Lauf weiterer brandfreier Jahrhunderte noch weiter zunimmt.

Wer glaubt, diese einmaligen tasmanischen Waldparadiese müssten in einem wohlhabenden Land wie Australien doch sicherlich vollständig geschützt sein, der irrt - und zwar gewaltig. Tasmanien hat - ohne Frage - einen beeindruckenden Anteil an Schutzgebieten. Über 40 Prozent der Insel sind geschützt - besonders im Westteil der Insel. Dort liegt ein großes UNESCO-Welterbe-Schutzgebiet und daran schließen sich noch eine ganze Reihe weiterer Reservate an. Doch es ist wie so häufig: Geschützt wird eine durchaus beeindruckende Wildnis, hinreißende Berglandschaften mit einer einmaligen Vegetation. Aber die wirtschaftlich interessanten Wälder bleiben mehrheitlich außen vor.

Der Grenzverlauf des großen Welterbe-Schutzgebiets verläuft fast immer exakt dort, wo die Wälder mit den RiesenEukalypten beginnen. Und so prallen heute nicht selten Totalschutzgebiete unmittelbar auf die industriell genutzten Wälder des tasmanischen Staatsforstes. 1982 wurde dieses große Weltnaturerbegebiet eingerichtet, 1989 wurde es noch mal um einige Gebiete erweitert. Schon damals - und in der Zwischenzeit immer wieder - hatte die IUCN, die Weltnaturschutzunion, starke Bedenken angemeldet, weil die Grenzziehung, die die Riesen-Eukalyptuswälder ausschließt, nicht auf ökologischen Erkenntnissen beruht. Doch geändert hat sich hier kaum etwas. Lediglich die Kahlschlagflächen drangen immer tiefer in diese Urwälder vor.

Vor acht Jahren riss dann zahlreichen NaturschützerInnen der Geduldsfaden ob so viel Ignoranz. Mit einer Plattform hoch oben in einem Eukalyptusriesen über einer Forststraße begann eine neue Phase der Waldkämpfe, die bis heute andauert. Namen wie das Weld-Valley, das Huon-Valley, das Styx-Valley, das Florentine-Valley oder der Tarkine stehen seitdem nicht nur für beeindruckende, aber eben noch immer ungeschützte Urwald- und Regenwaldgebiete. Sie stehen auch für Kampfplätze, an denen mit Aktionen des gewaltfreien Widerstands die Schutzlosigkeit dieser Wälder immer stärker in die öffentliche Diskussion gebracht wurde. Forstmaschinen wurden besetzt, Forststraßen blockiert. Betonklötze, in denen sich die Waldkämpfer mit ihren Armen festgekettet hatten, versperrten den Forstmaschinen den Weg.

Das Bild eines Engels, einer weiß geschminkten Aktivistin in einem langen weißen Kleid und mit weißen, großen Flügeln, die sich hoch oben auf einem sogenannten Tripod, einem dreibeinigen Holzgestell, mitten im Weld-Valley den Forst-Bulldozern entgegenstellt - dieses Bild ging vor knapp zwei Jahren um die Welt. Im Florentine-Valley blockieren WaldaktivistInnen seit drei Jahren eine Forststraße. Sie leben in Zelten unter Bäumen, auf Plattformen hoch oben in den Baumkronen oder - seit kurzem - in einem Pfahlhaus mitten auf der Forststraße. Nicht immer hatten sie Erfolg. Mehrfach wurde das Camp geräumt - zuletzt im Mai dieses Jahres. Da durchbrachen die Baumfäller unter massivem Polizeieinsatz die Blockade. Nur zweihundert Meter weiter ist nun die Verwandlung des unzugänglichen Urwaldes in ein ebenso unpassierbares Schlachtfeld zu besichtigen.

Im Juli letzten Jahres hat das Welterbe-Komitee der UNESCO die australische Regierung nachdrücklich aufgefordert, die Riesen-Eukalyptus-Wälder in das Welterbegebiet mit aufzunehmen. Auch die Umweltorganisationen wie die Wilderness Society erhöhen den Druck auf die Regierung. Im Zusammenhang mit den Klimaverhandlungen in Kopenhagen weisen sie darauf hin, dass gerade die tasmanischen Urwälder zu den Wäldern mit dem größten Kohlenstoffspeicher zählen. Im kommenden Jahr werden sowohl auf Tasmanien als auch australienweit Parlamentswahlen stattfinden. Die Auseinandersetzungen um die tasmanischen Wälder werden dabei durchaus ein Wahlkampfthema sein. Bei den Grünen steht die Erweiterung des Weltnaturerbes auf Tasmanien weit vorne auf ihrer Wahlkampf-Themenliste. Nach Umfragen ist auch eine klare Mehrheit der australischen Bürger dafür, dass die noch vorhandenen Urwälder endlich in Ruhe gelassen werden.

Der Zeitpunkt ist also ideal, um in der Frage des Urwaldschutzes endlich einen entscheidenden Schritt vorwärts zu kommen. ROBIN WOOD wird mit einer Briefaktion, die sich an den australischen Premierminister wendet, den Forderungen nach einem umfassenden Schutz für die tasmanischen Wälder Nachdruck verleihen. Machen Sie mit! (siehe Kasten Seite 21)[*]

In den Augen von Forestry Tasmania, dem privatisierten Staatsforstbetrieb, und der Forstindustrie scheinen die tasmanischen Wälder ziemlich wertlos zu sein. Einschlaglizenzen werden für n` Appel und `n Ei vergeben, was von Wirtschaftsforschungsinstituten, Banken und auch von der australischen Wettbewerbsaufsicht immer wieder kritisiert wird. Entsprechend verschwenderisch gehen auch die Industriebetriebe mit diesen Wäldern um. Sie lassen auf ihren Kahlschlägen ungeheure Mengen Holz ungenutzt liegen. Und das, was sie abtransportieren, landet zu über achtzig Prozent als Holzspäne in der Papierindustrie, entweder direkt oder als Abfall aus den Sägewerken. Auch der Weg der gefällten Riesen-Eukalypten führt in der Regel direkt in die Papiermühle. Nicht nur die Urwaldvernichtung, auch die rüde Art und Weise, in der die tasmanische Forstwirtschaft noch immer mit den Wäldern umgeht, bringt viele BürgerInnen in Rage. Besonders das Abfackeln der Kahlschlagflächen steht in der Kritik. Es geschieht auch heute meist noch mit napalmartigen Brandbeschleunigern, die von Helikoptern abgeworfen werden. Die Rechtfertigung, dass Eukalyptuswälder sich schließlich nur durch Brände regenerieren würden, hat zwar einen wahren Kern, dient aber trotzdem nur als Vorwand, um die kahlgeschlagenen Flächen von den ungeheuren Mengen an totem und zurückgelassenem Holz zu räumen. Und so steigen im März und April - im tasmanischen Herbst - explosionsartig die Rauchpilze über den Kahlschlagflächen in den Himmel und befördern schlagartig eine derartige Menge an Kohlendioxid in die Atmosphäre, wie sie von den nachgepflanzten Bäumen nie wieder eingefangen werden kann.


Schnitzel, Napalm und Ten Eighty

Damit die auf den großen Kahlflächen angepflanzten zarten Baumsetzlinge nicht gleich wieder von den Bennet Wallabies, den kleinen tasmanischen Kängurus, oder von den Fuchskusus - das sind Opossums - weggefressen werden, wurde bislang, weil es so praktisch und effektiv ist, das Gift 1080 (Ten Eighty) eingesetzt, um diese Tiere im ganzen Gebiet rund um die Aufforstungsflächen herum auszurotten. Dazu werden über mehrere Tage immer wieder Karotten zum Anfüttern ausgelegt, bis sich alle Wallabies und Opossums des Gebietes regelmäßig an den Futterplätzen einfinden. Von einem Tag auf den anderen werden dann mit 1080 getränkte Karotten ausgelegt.

Tausende Wallabies und Opossums, aber auch eine ganze Reihe weiterer Tierarten wie das kleine Bürstenkänguru oder der Tüpfelbeutelmarder werden so jedes Jahr ins Jenseits befördert. Die staatlichen Förster wenden dieses Verfahren nicht mehr an. Sie bringen mit diesem Gift nur noch verwilderte Hunde und eingeschleppte Füchse um. Aber verboten ist es auch heute noch nicht. Privatforstbetriebe wie Gunns, das größte Forstunternehmen Tasmaniens, dürfen den Massenmord an den Kängurus noch immer praktizieren.

Verlierer der fortschreitenden Urwaldzerstörung ist beispielsweise der Keilschwanz-Adler, der für sein gewaltiges Nest die kräftigen Baumkronen der großen Eukalyptusbäume braucht. Verlierer ist auch der Schwalbensittich, der den Winter über in Süd-Australien verbringt, im Frühling aber zum Brüten an die Ostküste Tasmaniens kommt. Er brütet dort in den hohlen Astlöchern alter Blue Gums. Und er ernährt sich auch fast ausschließlich von den Blüten bzw. dem Nektar dieser Eukalyptusart was nicht so ganz einfach ist, weil diese Bäume nur etwa alle fünf Jahre blühen. Diese Blue Gums wurden bereits stark dezimiert, als die Wälder zur Gewinnung von Landwirtschaftsflächen gerodet wurden. Und die wenigen noch existierenden Wälder mit alten Blue Gum-Beständen sind bis heute nicht geschützt. Ein weiteres Opfer ist der Tasmanische Flusskrebs, der mit 80 Zentimetern Länge die größte Flusskrebsart der Welt ist. Die durch Forststraßenbau und Kahlschläge zunehmende Erosion trübt die klaren Fließgewässer, auf die der Riesenkrebs angewiesen ist.


Urwaldschutz ist Klimaschutz

Auch das Klima zählt eindeutig zu den Verlierern: Die natürlichen Wälder Tasmaniens gehören zu den Wäldern mit den höchsten Kohlenstoffspeichern der Welt. In dem dortigen kühl-feuchten Klima wachsen die Wälder quasi in den Himmel und haben entsprechend viel Kohlenstoff in ihrer Biomasse fixiert. Aber da die Zersetzung abgestorbener Pflanzenteile anders als in den schwülwarmen Tropen sehr viel langsamer abläuft, sind auch im Boden enorme Mengen an Kohlenstoff gebunden.

Eine Forschergruppe der National University in Canberra hat in den letzten Jahren die Wälder in Südost-Australien und Tasmanien genauer unter die Lupe genommen und festgestellt, dass der Kohlenstoffgehalt in diesen Ökosystemen mit rund 640 Tonnen pro Hektar um etwa das Dreifache über dem weltweiten Durchschnitt für Wälder in den gemäßigten Klimabreiten liegt. In den Wäldern mit den hochaufragenden Riesen-Eukalypten fanden die ForscherInnen sogar einen noch mal um das Doppelte erhöhten Kohlenstoffgehalt. Kein nachwachsender, forstwirtschaftlich genutzter Wald und schon gar keine Eukalyptusplantage mit fünfzehnjähriger Umtriebszeit kann einen solchen Verlust an Kohlenstoff je ersetzen. Die ForscherInnen empfehlen daher auch dringend, diese noch bestehenden Urwälder schon allein aus Klimaschutzgründen jetzt unter Schutz zu stellen. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter und schlagen vor, die auf den Einschlagflächen nachwachsenden Wälder künftig in Ruhe zu lassen, damit sie sich wieder zu kohlenstoffreichen, urwaldähnlichen Wäldern entwickeln können.

Ganz sicher wäre es auch dringend angebracht, die in den letzten Jahrzehnten und besonders in Tasmaniens Norden oft horizontweit entstandenen Plantagenlandschaften - Eukalyptus- und Kiefernmonokulturen - nach und nach in artenreichere Wälder umzustrukturieren. Das würde nicht nur deutlich mehr natürliche Vielfalt in diese zu grünen Wüsten verkommenen Landstriche zurückbringen, sondern sich auch in deutlich höheren Kohlenstoffspeichern niederschlagen.


Die "wahren" tasmanischen Teufel(*)

Auf die Frage, wer oder was denn nun die treibende Kraft dieser Waldzerstörung auf Tasmanien sei, bekommt man recht schnell eine überraschend einhellige Antwort: der Forstkonzern Gunns, ein über 100 Jahre altes tasmanisches Familienunternehmen, das über lange Zeit eines von mehreren Sägewerken auf Tasmanien war. Doch ziemlich genau vor zwanzig Jahren begann Gunns durchzustarten und ist heute der größte australische Forstkonzern und der weltweit größte Produzent von Holzspänen für die Papierproduktion.

Die kurze Geschichte dieses rasanten Firmenwachstums hat viel mit politischer Einflussnahme, Korruption und Vetternwirtschaft zu tun - ein Sumpf, in dem sich offensichtlich die wahren tasmanischen Teufel tummeln. Im Vorstand und Aufsichtsrat von Gunns Ltd sitzen heute noch Leute, die vor zwanzig Jahren in einen Bestechungsskandal im Parlament verwickelt waren, darunter auch ein ehemaliger tasmanischer Premier. Seit 2001, als Gunns seine beiden Hauptkonkurrenten auf Tasmanien schluckte, ist das Unternehmen quasi Monopolist auf der Insel, der die Preise für Einschlaglizenzen ohne weiteres niedrig halten kann. Die wachsende Zahl der KritikerInnen versuchte das Unternehmen mundtot zu machen, indem es sie wegen übler Nachrede und Geschäftsschädigung auf Schadensersatz verklagte. Umgerechnet fast vier Millionen Euro hat Gunns von zwanzig NaturschützerInnen, PolitikerInnen und Umweltorganisationen haben wollen. Gewirkt hat die Einschüchterung nicht. Als Gunns, der bislang fast ausschließlich aus den tasmanischen Wäldern und Plantagenäckern Holzspäne für den Export produziert, vor fünf Jahren den Bau einer riesigen Zellstofffabrik ankündigte, war der öffentliche Protest lauter denn je. Selbst im australischen Mainland jenseits der Bass-Street kam es zu Protestdemonstrationen. Heute kennt wohl fast jeder Australier diesen tasmanischen Konflikt Nr. 1 und hat auch eine Meinung dazu: Eine deutliche Mehrheit - über sechzig Prozent - ist gegen diese Zellstoffmühle.

Zwei Jahre lief das Zulassungsverfahren bereits, da wurde Gunns ungeduldig. Das Unternehmen zog seinen Zulassungsantrag kurzer Hand zurück und forderte stattdessen die tasmanische Regierung auf, die Fabrik unter Umgehung des vorgeschriebenen Bewilligungsweges einfach per Gesetz zu genehmigen. Und siehe da - der Sumpf der tasmanischen Teufel funktioniert: Die Regierung bastelte tatsächlich ein entsprechendes Gesetz. Der damalige tasmanische Premier, Paul Lennon, ist - wen wundert's - ein guter Freund des Gunns-Chefs John Gay. Und wo man schon mal dabei war, wurde auch gleich noch eine Einschränkung des Beschwerderechts mit ins Gesetz hineingeschrieben.

Doch diese Umgehung öffentlicher Bewilligungsverfahren inklusive der Beschneidung demokratischer Rechte war vielleicht zu viel des Bösen. Jedenfalls: Gunns hat zwar mittlerweile alle Genehmigungen für den Bau seiner Zellstoffmühle in der Tasche, aber die Investoren, die das Unternehmen für sein 1,3 Milliarden Euro-Projekt braucht, sind bislang ausgeblieben. Selbst seine langjährige Hausbank, die ANZ-Bank, ließ ihren Großkunden im Regen stehen.

Mittlerweile haben eine ganze Reihe von großen internationalen Banken ihr Desinteresse an einer Beteiligung öffentlich erklärt. Auch die Deutsche Bank (siehe Kasten) gehört dazu und hat längst den Großteil ihrer Anteile an diesem Unternehmen abgestoßen. Das Warum für eine Entscheidung bleibt bei Banken üblicherweise vornehm ungenannt. Die gut organisierte und international vernetzte Kampagne der tasmanischen Wilderness Society, die mit Briefen und einer großen Anzeige in der Financial Times die Banken über die Folgen eines solchen Industrieprojektes informiert, dürfte einen entscheidenden Anteil daran haben.

Eine Rolle bei der auffälligen Zurückhaltung der Banken spielen aber sicherlich auch die sogenannten Äquator-Prinzipien, ein freiwilliges Regelwerk, das den Banken ein Minimum an Umwelt- und Sozialstandards bei Projektfinanzierungen vorgibt. Die meisten großen Banken dieser Welt haben die Äquator-Prinzipen mittlerweile anerkannt. Projekte müssen demnach - so steht's im Prinzip sechs - ein funktionierendes Beschwerdeverfahren vorweisen. Doch damit kann nun Gunns mit seinem gesetzlichen Beschwerdeverhinderungsverfahren wohl kaum punkten.

Die Zellstoffmühle, wenn sie denn je gebaut werden sollte, würde in den ersten Jahren ihren Holzbedarf nur zu 20 Prozent aus Plantagen decken können. Die restlichen 80 Prozent kämen aus Wäldern, aus den Wirtschaftswäldern, aber auch aus den ungeschützten Urwäldern. Das ist der eine Grund, warum ein Großteil der Tasmanen das Projekt ablehnt. Der geplante Standort bei Bell Bay am Ufer des Tamar im Norden Tasmaniens bringt weitere Bevölkerungsteile dagegen auf. Besonders die Weinbauern, die dort im Tamar-Valley durchaus gefragte Weine produzieren, fürchten um ihre Existenz, wenn ihre Reben in der Nachbarschaft einer faulig-stinkigen Industrieanlage wachsen sollen. Gegen die Ansiedlung dieser Anlage sind auch die Austern- und die Jakobsmuschel-Fischer, denen die Fabrik ihr Abwasser direkt auf die Muschelbänke spülen würde. Und eine ganze Reihe von Landwirten wehren sich gegen den geplanten Standort, weil sie ihr Land für eine Pipeline zu einem dreißig Kilometer entfernten Stausee hergeben sollen, der die Wasserversorgung für die Zellstoffproduktion sicherstellen soll. Das Brackwasser im Tamar ist dafür nämlich ungeeignet. Besonders starke Einbußen befürchtet die Fremdenverkehrsbranche. Denn spätestens wenn die Zellstoffmühle ihre Abgasfahne durchs idyllische Tal des Tamar ziehen lässt, werden die TouristInnen dort ausbleiben. Ausbleiben werden sie aber auch dort, wo für den Betrieb dieser Fabrik auch weiterhin die Urwälder verhackschnitzelt werden.

Das Tourismusgeschäft ist übrigens gleich hinter dem Spitzenreiter Holzwirtschaft die Nummer zwei unter den geldbringenden Branchen auf Tasmanien. Und die Touristen kommen fast ausschließlich, um die eindrucksvollen, unberührten Naturlandschaften zu erleben. Der Schutz der Urwälder ist daher nicht nur entscheidend für den Erhalt natürlicher Vielfalt und für das Ausbremsen der Klimaveränderungen. Der Schutz der Wälder könnte durchaus auch noch mehr Geld ins Land bringen.

Rudolf Fenner ist ROBIN WOOD-Waldreferent in Hamburg. Er nutzte im Sommer 2009 eine private Reise nach Australien, um sich vor Ort in Tasmanien gründlich umzusehen, Tel.: 040/38089211, wald@robinwood.de


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(*) Zur Unterscheidung der "wahren" und des "eigentlichen" Tasmanischen Teufels

Der "eigentliche" Tasmanische Teufel - sein offizieller Name ist Beutelteufel - ist das weltweit bekannteste Symboltier Tasmaniens. Mit einer Körperlänge von gerade mal 65 cm ist er das größte Raubtier auf dieser Insel, jedenfalls seitdem der Tasmanische Tiger 1936 endgültig ausgerottet wurde. Auch der Beutelteufel stand damals kurz vor der Ausrottung, wurde dann aber unter Schutz gestellt. Sein Bestand hat sich seitdem einigermaßen erholt. Allerdings breitet sich vor allem im Osten der Insel seit dreizehn Jahren eine Tumorerkrankung aus, die den Bestand dramatisch bedroht. Die Nichterschließung und Unterschutzstellung der Urwälder im Westen der Insel könnte auch für das Überleben des Beutelteufels entscheidend sein, da sich dort noch nichtinfizierte Populationen befinden.


Gunns flog raus

Hamburg, 6 Dezember 2007: Eine Tochter der Deutschen Bank, die DWS Investment, hat nach Kritik von ROBIN WOOD die Zusammensetzung ihres "DWS Go Global Forest and Timber TR Index Zertifikat" geändert. In diesem Index waren große Forstunternehmen gelistet, die eigenen Waldbesitz bewirtschaften und die angeblich eine sozial und ökologisch nachhaltige Forstwirtschaft betreiben. Unter den aufgeführten Unternehmen fanden sich auch so illustre Unternehmen wie Aracruz Celulose aus Brasilien, das in zahlreiche Landrechtskonflikte verwickelt ist, und eben auch das australische Unternehmen Gunns Ltd, das die höchst wertvollen Urwälder auf Tasmanien zu Hackschnitzeln verarbeitet. Nach der Intervention von ROBIN WOOD flogen beide Unternehmen aus dem DWS-Zertfikat raus.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Die einzigartigen Urwälder Tasmaniens sind von der ungebremsten Profitgier des Konzerns Gunns bedroht
Ein Engel für den Schutz der tasmanischen Waldparadiese
Die UNESCO hat die australische Regierung nachdrücklich aufgefordert, die einmaligen Riesen-Eukalyptus-Wälder zu schützen
Die tasmanische Forstwirtschaft ist berüchtigt für ihre destruktiven Kahlschläge und das rücksichtslose Abfackeln der Einschlagflächen
Der Schwalbensittich ernährt sich ausschließlich von den Blüten des Blue Gums
Für Gunns geplante Zellstoffmühle würden auch die ungeschützten Urwälder Tasmaniens zu Hackschnitzeln verarbeitet

[*] s. Printausgabe oder www.robinwood.de


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 103/4.2009, S. 14-21
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Dezember 2009