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SCHUTZGEBIET/691: Nationalpark Hainich - Aufschlussreiche BN-Fahrt vom Steigerwald nach Thüringen (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 9. Juni 2011 / Kategorie: Wald

Stolz auf "ihren Nationalpark Hainich"

Aufschlussreiche BN-Fahrt vom Steigerwald nach Thüringen


Zahlreiche Interessierte aus der Steigerwaldregion zwischen Bamberg und Gerolzhofen waren der Einladung des Bundes Naturschutz und des Freundeskreises Nationalpark Steigerwald zu einer Busfahrt in den Nationalpark Hainich gefolgt. "Wir freuen uns über das große und zunehmende Interesse aus dem Steigerwald an der Frage, wie sich ein Nationalpark auf die Wälder und die Region auswirkt", so Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes Naturschutz. Bei herrlichem Wetter wanderten 62 Teilnehmer unter der Führung des Nationalparkleiters Manfred Großmann quer durch den Thüringer Buchen-Nationalpark, dem größten zusammenhängenden nutzungsfreien Laubwaldgebiet Deutschlands. Nach der Wanderung standen Vertreter aus der Hainich-Region für eine Diskussion zur Verfügung. Hier wurden die Probleme und Befürchtungen vor der Nationalparkausweisung thematisiert, die heute in der Steigerwaldregion ganz ähnlich diskutiert werden. Heute sehen die Bewohner ihren Nationalpark aber positiv und wollen ihn nicht mehr missen. "Die Bewohner der Hainich-Region können zu recht stolz sein auf ihren Nationalpark, einem tollen Leuchtturmprojekt in Thüringen, das auf ganz Deutschland ausstrahlt", so Hubert Weiger.

"Prädikatmarke Nationalpark" bringt Aufschwung in Region

Seit 1990 existiert der Naturpark Eichsfeld-Hanich-Werratal, 1997 wurde im südlichen Teil der Nationalpark Hainich gegründet. Die Marke "Nationalpark" zieht deutschlandweit und vorwiegend aus dem angrenzenden Ausland viele Gäste in die Region, ungefähr 300 000 waren es im letzten Jahr. Mit dem Baumkronenpfad wurde eine Attraktion geschaffen, die neugierig macht auf "Mehr": viele der Besucher kommen in den folgenden Jahren wieder in die Region, um diesmal länger zu bleiben. Die Übernachtungszahlen steigen jährlich an. Für mindestens 206 Arbeitsplätze steht der Nationalpark-Tourismus Pate, in Realität profitieren wesentlich mehr Bürger zumindest anteilig davon. Rund 40 Mitarbeiter hat der Nationalpark selbst, darunter auch 29 Waldarbeiter, die als Ranger einen sicheren Arbeitsplatz haben. Nationalparkleiter Manfred Großmann: "Der Nationalpark soll zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der umgebenden Bevölkerung beitragen." Die Rechnung geht auf: durch den Titel Nationalpark sind mehr Förderprogramme erreichbar, u.a. ein Dorferneuerungsprogramm, bei dem die Ortschaften ringsum Projekte einreichen können. Bürgermeister Manfred Kollascheck aus Kammerforst, in dessen Ort die erste Nationalpark-Informationsstelle war: "Wir haben der Natur zurückgegeben, was wir früher von ihr genommen haben." Mit Erfolg: 2010 wurde ein Teil des Nationalparks Hainich für das UNESCO Weltnaturerbe nominiert. Neben der Weltnaturerbe-Bewerbung entsteht im Rahmen des Projektes "Wildkatzendorf Hütscheroda" auch ein Wildkatzengehege. Trotz demografischen Wandels und eines allgemeinen Bevölkerungsrückgangs in Thüringen verzeichnet man hier sogar einen Bevölkerungszuwachs.

Gemeinsam und erfolgreich für den Nationalpark

Vor der Nationalparkausweisung besuchten Bürgerinnen und Bürger aus dem Hainich andere Nationalparks, um aus Fehlern zu lernen. Die "Kommunale Arbeitsgemeinschaft Hainich-Werratal" wurde gebildet, ein Netzwerk aus 27 Kommunen und anderen Mitgliedern mit dem gemeinsamen Ziel einer koordinierten Regionalentwicklung. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Naturpark Eichsfeld-Hainich-Werratal, dem Nationalpark, beiden Landkreisen, den Tourismusverbänden und weiteren Stellen funktioniert sehr gut. Die Geschäftsführerin der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Hainich-Werratal, Anke Trautmann, gab den Besuchern aus dem Steigerwald einen Wunsch mit auf den Weg: "Es war eine super Entscheidung, den Nationalpark hier zu entwickeln. Ich wünsche Ihnen viel Glück, dass Ihnen die Umsetzung eines Nationalparks gelingt."

Die Hainichland-Gastgeber: Partner statt Konkurrenten

Regionale Dienstleister im Tourismus schlossen sich zum Qualitätssiegel "Hainichland-Gastgeber" zusammen. Sie verpflichten sich damit zu Qualitätsstandards: Heimische Gerichte stehen auf der Speisekarte und Gäste bekommen kompetente Informationen zu Nationalpark und Naturpark. Besucher werden gegenseitig vermittelt, damit sie in der Region bleiben. Einmal jährlich findet ein gemeinsames Abendessen auf dem Baumkronenpfad statt. Partner ist auch das Rennstieg-Hotel Rettelbusch, ein Familienbetrieb seit acht Generationen. Ariane Rettelbusch berichtet von der positiven Entwicklung ihres Betriebes seit der Nationalparkgründung. Sechs kleine Pensionszimmer und ein Hotel mit 20 Zimmern wurden 1990 mit der Gründung des Naturparks errichtet. Aber erst mit Ausweisung des Nationalparks stiegen die Übernachtungszahlen, laut Ariane Rettelbusch "wahnsinnig" in die Höhe. Sie ist stolz auf ihren Nationalpark und will ihn nicht mehr hergeben.

Aus Nationalparkgegner werden Nationalparkbefürworter

Nationalparkgegner gab es früher auch im Hainich, wie jetzt noch im Steigerwald. Heute aber sieht die große Mehrheit der Bevölkerung im Hainich den Nationalpark positiv, weil die früher gehegten Befürchtungen nicht eingetroffen sind. 2006 wurde eine Umfrage in der umgebenden Bevölkerung gemacht: Über 90 Prozent befürworten im Nachhinein den Nationalpark. 2010 schrieb der Alt-Ministerpräsident Bernhard Vogel ins Wipfelbuch des Baumkronenpfads: "Das Wagnis hat sich gelohnt! Ein Hoch auf den Nationalpark".

Reiches Erlebnis- und Informationsangebot

Nationalparks dienen auch der Forschung und der Umweltbildung. Neben dem Baumkronenpfad existieren im Hainich mehreren Informationsstellen, die Jugendherberge Harsberg mit dem Urwald-Life Camp und die Umweltbildungsstation bei Kammerforst. Hier werden die Besucher des Nationalparks bewusst konzentriert. Über 130 Kilometer attraktive Wanderwege, darunter 16 Rundwanderwege, bieten den Naturliebhabern in dem Nationalpark viel Raum um Neues zum Entdecken. Uwe Henning war früher Waldarbeiter und arbeitet jetzt seit sieben Jahren bei der Nationalparkwacht. Er erzählt, dass an einem Vormittag schon mal 140 Schüler die Umweltbildungsstation besuchten.

Niemand wird durch Nationalpark ausgesperrt

Dass niemand von dem Nationalpark ausgesperrt wird, davon konnten sich die Besucher aus dem Steigerwald während der mehrstündigen Wanderung selbst ein Bild machen. Geführt von Nationalparkleiter Manfred Großmann ging es auch abseits der Wege quer durch die Kernzone. Auf ein Wegegebot wurde im Nationalpark bewusst verzichtet, um niemanden auszusperren. Die meisten Besucher folgen aber der Bitte, auf den Wegen zu bleiben und möchten gar nicht quer durch den Wald laufen. Pilzsammeln ist in den Sommer- und Herbstmonaten in Schutzzone 2 erlaubt. Auf forstwirtschaftliche Arbeiten wird im Zentralbereich aufgrund des Nationalpark-Mottos "Natur Natur sein lassen" verzichtet. Wildregulierung findet im Nationalpark weiterhin statt, allerdings nicht mehr im Zentralbereich, sondern verstärkt in den Randbereichen, um Wildschäden in angrenzenden Flächen zu minimieren. Die Schwarzwildbejagung bleibt zum Schutz angrenzender landwirtschaftlicher Nutzflächen erhalten.

Urige Waldnatur in Deutschlands Mitte

Im 7 500 Hektar großen Nationalpark Hainich darf sich der Buchenmischwald ohne menschliche Eingriffe wieder frei entwickeln. Bäume altern in Würde und gewähren unzähligen Pilzen, Insekten, Spechten und anderen Tieren Heimat. Gestürzte Riesen stellen der folgenden Baumgeneration eine Lichtinsel im Wald und Moderholz als Dünger bereit - Buchenwald verjüngt sich auf kleiner Fläche. Nachts durchstreift die seltene Wildkatze ihr Revier. Das Besondere dieser Region ist ihr Wald: Hier liegt ein wunderschöner Buchenmischwald, der größte zusammenhängende Laubwald Deutschlands. Von Natur der häufigste deutsche Waldtyp, findet man heute Buchenwälder nur noch auf 7 Prozent ihrer ursprünglichen Fläche. Unberührte Buchenurwälder sucht man in Mitteleuropa fast vergebens, letzte weitgehend unzerstörte Reste findet man nur noch in den Karpaten.

Dr. Ralf Straußberger
Waldreferent


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Quelle:
Presseinformation 074-11/LFGS, 09.06.2011
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2011