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SCHUTZGEBIET/597: Nationalpark Harz - Wälder, Moore, lichte Höhen (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 3/2009
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Nationalpark Harz
Wälder, Moore, lichte Höhen

Von Ulrike Retzlaff


Der Nationalpark Harz entstand 2006 durch die Fusion der Nationalparke Hochharz (Sachsen-Anhalt, 1990) und Harz (Niedersachsen, 1994). Die sagenumwobene Bergwildnis bietet Schwarzstorch, Luchs und Wildkatze eine Heimat. In den Hochlagen gedeihen seltene Pflanzen wie Brockenanemone und Zwergbirke.

Wie eine Insel erhebt sich der Harz weithin sichtbar aus dem umgebenden Hügelland. Steil ansteigende Bergketten, ausgedehnte Wälder und über Felsen sprudelnde Bäche versetzen den Besucher in eine Welt der Mythen und Sagen - hier dreht die Brockenhexe nicht nur zur Walpurgisnacht ihre Runden.

Als dominierende Erhebung ragt der Brocken mit 1.141 Metern aus dem Hügelland heraus. Sein raues Klima gemahnt bereits an nordische Regionen. Die Temperaturen auf der Harzhochfläche sind annähernd mit denen Südschwedens vergleichbar: Nur 2,8 Grad werden im Jahresdurchschnitt auf dem Brocken gemessen (9 Grad sind deutscher Durchschnitt). Diese extremen Verhältnisse spiegelt die Vegetation wider.

Die Höhenlagen oberhalb von 800 Metern prägt die gedrungene Harzer Bergfichte. Ihren Wuchs hat sie dem Klima angepasst. Der Gipfel des Brockens ist waldfrei und beherbergt Pflanzen wie die Brockenanemone. Diese nur hier vorkommende Pflanze genießt - wie die gesamte Natur im einzigen länderübergreifenden Nationalpark Deutschlands - besonderen Schutz.


Hochmoore und Fichtenforst

Das Tafelsilber des Nationalparks Harz sind die Hochmoore, die bereits seit den 50er Jahren als "Naturschutzgebiet Oberharz" geschützt waren. Hier wachsen der fleischfressende Sonnentau, Wollgräser oder die seltene Zwergbirke. Bedrohte Tierarten wie der Hochmoor-Perlmutterfalter oder die Alpen-Smaragdlibelle fühlen sich ebenfalls wohl.

Wegen des rauen Klimas und des schroffen Geländes konnte das Land nie intensiv genutzt werden. Landwirtschaft und Torfabbau wurden in kleinem Stil betrieben, für großflächige Industrie und Besiedlung fehlten geeignete Standorte. Nur der Bergbau spielte früher eine bedeutende Rolle. Riesige Holzmengen wurden verkohlt und für die Grubensicherung verbaut. Auf weiten Flächen wichen die ursprünglichen Buchenund Mischwälder bereits zu Goethes und Heines Zeiten monotonem Fichtenforst. Lokal blieben naturnahe Wälder erhalten - so der Brockenurwald, der Schluchtwald entlang der Ecker oder die Buchenwälder rund um Lonau oder Bad Harzburg.

Heute erstreckt sich der Nationalpark Harz auf 24.759 Hektar von der Brockenkuppe bis in die nördlichen und südlichen Randlagen. Rund 95% des Parks sind bewaldet. 58% des Nationalparks gelten als Entwicklungszone, 41% umfasst die Naturdynamikzone, wo man die Natur Natur sein lässt; das restliche 1% umfasst kulturhistorisch wertvolle Flächen wie Bergwiesen, Bergheiden und Schwermetallrasen.


Die Wälder wandeln sich

Obwohl der Harz für seine dunklen Nadelwälder bekannt und beliebt ist, würden Buchen- und BuchenFichten-Mischwälder das Mittelgebirge von Natur aus bis auf 800 Meter hinauf prägen. Darum werden viele Fichtenbestände im Nationalpark allmählich in naturnahe Laubwälder umgewandelt. Eine interessante Rolle spielt hierbei der Fichtenborkenkäfer. Normalerweise befällt er nur alte und geschwächte Bäume, während vitale Bäume sich in der Regel zur Wehr zu setzen wissen. Doch wo die Fichte - wie über Jahrhunderte - jenseits ihres natürlichen Areals gepflanzt wurde, gleichen die Forste aus ökologischer Sicht einem Kartenhaus, das schon aus geringem Anlass einstürzt. Sie sind anfällig gegenüber Sturm und bieten der Massenvermehrung von Insekten ideale Bedingungen. Aus forstlicher Sicht ein "Schädling", wirken die Borkenkäfer im Nationalpark Harz (wie auch im Nationalpark Bayerischer Wald) als Geburtshelfer für eine neue, von Laubhölzern geprägte Waldgeneration. Nur wo der Nationalpark an Wirtschaftswälder grenzt, wird der Käfer in einer 500 Meter breiten Pufferzone reguliert.

Großflächige Buchenwälder stehen vor allem im Norden und Süden des Nationalparks. An einsamen Stellen brütet der scheue Schwarzstorch. Auch die - in mehreren Bundesländern ausgestorbene - Wildkatze findet im Harz ausgezeichnete Lebensbedingungen.


Die Rückkehr des Luchses

Selbst der Luchs fühlt sich heute im Harz wieder wohl. Rund 200 Jahre lang war er hier - wie in ganz Deutschland - ausgestorben. Im Jahr 2000 wurde er neu angesiedelt und hat inzwischen fast das ganze Mittelgebirge erobert. Dank Peil- und GPS-Sendern lassen sich die Wege der Luchse gut nachvollziehen. Ein besonders mobiles Tier durchquert den Harz mitunter in nur elf Stunden und nutzt ein Areal von 600 Quadratkilometern. Seit 2002 wurden jedes Jahr wilde Jungluchse nachgewiesen.

Die Wiederansiedlung, bei der die Landesjägerschaft einbezogen wurde, findet nach anfänglicher Kritik heute breite Zustimmung bei Anwohnern und Gästen. Nur wenige Jäger verkennen den Luchs als Konkurrenz, obwohl er die großen Rehbestände nicht bedroht. Auch die vereinzelte Tötung von Schafen, die bestimmte Medien sensationslüstern aufgriffen, birgt kein großes Konfliktpotenzial. Gezielte Information, Tipps zur Vermeidung solcher Verluste und Ausgleichszahlungen helfen den Schaden in engen Grenzen zu halten.


Das TorfHaus - eines für alle

Seit der Fusion 2006 ist im Nationalpark zu beobachten, welche Chancen das Zusammenwachsen der beiden Bundesländer bietet - und welche Schwierigkeiten sich mitunter zeigen, wenn man Altbekanntes hinter sich lässt und neue Pfade beschreitet. Das gilt im Kleinen nicht anders als für die gesamtdeutsche Wiedervereinigung. Doch der Nationalpark ist auf einem guten Weg. Ein Sinnbild dafür ist das Besucherzentrum TorfHaus, das der BUND in einem Trägerverbund betreibt. Es versteht sich als Anlaufstelle für die gesamte Nationalparkregion. Reizvoll am Fuße des Brockens gelegen, wurde es Ende Mai von Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff und Sachsen-Anhalts Umweltministerin Petra Wernicke eröffnet.

Neben einer interaktiven Ausstellung - mit Kino - bietet das BUND-Team Erlebnisführungen im Wald, Touren zum Brocken oder ans Grüne Band sowie vielfältige Bildungsprogramme an. Auch kontroverse Themen wie die Regulierung des Wildbestands oder das intensive Borkenkäfermanagement kommen zur Sprache. Das TorfHaus will die Wildnis im Nationalpark zeigen - und Wildnis auch in den Köpfen werden lassen. Ein Besuch des Harzes lohnt sich zu allen Jahreszeiten. Den scheuen Luchs - inzwischen stolzes Wappentier des Nationalparks - werden Sie wohl nur im Schaugehege an der Rabenklippe bei Bad Harzburg zu sehen bekommen. Doch mit fachkundigen BUND-Mitarbeitern und Nationalparkrangern wird jeder Naturliebhaber in Wald und Moor bei Feuersalamander oder Waldeidechse auf seine Kosten kommen.

Die Autorin unterstützt im TorfHaus die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit.


u>Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Hochmoore gehören zu den wertvollsten Lebensräumen im Nationalpark.
- Die endemische Brockenanemone in der baumfreien Gipfelzone.
- Ausgestorbener Fichtenwald - die Massenvermehrung des Borkenkäfers wird vom Klimawandel begünstigt (links).
- Eröffnung des Torfhauses (mitte).
- Seit knapp zehn Jahren streift der Luchs wieder durch den Harz (rechts).

Mehr Infos unter www.nationalpark-harz.de und http://torfhaus. luchs-harz.de


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Quelle:
BUNDmagazin 3/2009, S. 26-27
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2009